Kaum zu sehen: die vergoldete Frauenstatue auf dem Dach des Neuen Rathauses 

Kaum zu sehen: die Windsbraut auf dem Dach des Neuen Rathauses. Foto: Peter Strotmann

Kaum zu sehen: die Windsbraut auf dem Dach des Neuen Rathauses.
Foto: Peter Strotmann

Das Neue Rathaus, von 1909 bis 1913 erbaut, ist reich an Fassadenschmuck. Man muss schon ein wenig genauer hinsehen, um an der östlichen Fassade zum Dom hin auf einem Dachreiter eine Statue zu entdecken.

Es ist die Windsbraut.

Sehen wir uns die östliche Hauptfassade des Neuen Bremer Rathauses doch einmal etwas genauer an. Oben auf dem Walmdach steht auf einem mittigen, zierlichen Dachreiter eine vergoldete Frauen-Statue. Es ist die „Windsbraut“, die 1909 von dem aus Bremen gebürtigem Georg Roemer als „Fortuna“ entworfen wurde.

Der Bildhauer hat in Bremen eine Reihe von Spuren hinterlassen: Fürs Neue Rathaus lieferte er noch zwei Ratsherrenstatuen und eine Skulptur für den Festsaal, hinzu kam eine Büste des Bremer Bürgermeisters Otto Gildemeister für die Kunsthalle. Sein wohl bekanntestes Werk dürfte aber die Büste des Bremer Oberbaudirektors Ludwig Franzius für das 1908 errichtete Franzius-Denkmal an der Großen Weserbrücke gewesen sein. Die bronzene Originalbüste wurde 1942 eingeschmolzen, ein Nachguss ziert heute das Franzius-Denkmal am Franziuseck in der Neustadt.

Ungünstiger Touristen-Blickwinkel

Die Windsbraut wirkt kräftig genug, um sich gegen den Wind zu stemmen. Aber sie ist keine Wetterfahne, die sich nach dem Winde drehen würde. Sie macht es einfach so, indem sie ihr Tuch schwenkt. Es ist aber auch kein Windrad mit angeschlossenem Dynamo. Das wäre zwar ganz schön, denn dann könnte sie bei gelegentlichen Stürmen im Rathaus für eine leichte Erhellung sorgen. Ob es je eine Wetterfahne gewesen ist, lässt sich heute nicht mehr belegen. Wenn sie heute noch eine wäre, ja dann würde sie sich drehen und gelegentlich auch ihre Hinteransicht zeigen.

Aus dieser Entfernung kaum zu erkennen: die Windsbraut auf dem Dach des Neuen Rathauses, östliche Hauptfassade. Rechtes Bild: das Walmdach mit den Dachgauben und der Windsbraut auf dem Dachreiter. Fotos: Peter Strotmann

Aus dieser Entfernung kaum zu erkennen: die Windsbraut auf dem Dach des Neuen Rathauses, östliche Hauptfassade. Rechtes Bild: das Walmdach mit den Dachgauben und der Windsbraut auf dem Dachreiter. Fotos: Peter Strotmann

Als Touristen sehen wir sie, sagen wir es mal, in einem etwas ungünstigen Winkel. „Bitte fotografiere mich nicht von unten“, hört man sie sagen. Dem kann mit einen Foto von Inga Haberland abgeholfen werden. Und tatsächlich sind die Proportionen nunmehr ausgewogener. Und im übrigen ist sie nicht „nackt“, sondern über ihrem Bronzekörper tragt sie ein „Goldkleid“.

Zwei mal vom Sockel gepustet

Sie scheint mit ihren 60 Kilos bei 80 Zentimetern ganz standfest zu sein. Das sollte man zumindest denken. Doch nachdem sie über vierzig Jahre guten Wind für Bremen und seine Häfen eingefangen hat, fiel sie 1953 bei einer kräftigen Bö vom Sockel.

Bremer Goldschmiede führten die Reparatur aus und so stand sie bald wieder den Bremern zur Verfügung. Doch schon 1956 lag sie wieder auf dem Pflaster. Ein „Kuhsturm“ hatte sie herunter gefegt. Dieses mal dauerte es drei Jahre, bis sie wieder in vollem Glanz  erstrahlte. Die letzte Vergoldung hat sie 2005 bei der großen Dacherneuerung erhalten.

In der Literatur nennen einige Autoren sie ausschließlich „Fortuna“, die als Glücksgöttin bekannt ist. Bei uns Bremern ist es die „Windsbraut“. Das lässt sich sowohl aus der griechischen Götterwelt belegen als auch aus der  altnordischen Mythologie. Dort steht die Windsbraut für einen stürmischen Wirbelwind. „Die Windsbraut brüllt“, so sagten es die Seefahrer auf ihren Segelschiffen und waren froh, wenn der Wind aus der richtigen Richtung kam und das Schiff nicht an den Strand der dort wartenden Friesen warf.

Und guten Wind können wir Bremer in diesen stürmischen Zeiten bekanntlich auch heute noch immer gut brauchen.

von Peter Strotmann

Kein wirklich guter Winkel: die Windsbraut von unten aus Touristensicht. Foto: Peter Strotmann

Kein wirklich guter Winkel: die Windsbraut von unten aus Touristensicht. Foto: Peter Strotmann

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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