Vor 70 Jahren wurde die Bürgermeister-Smidt-Brücke eingeweiht

Es ist Sonnabend, der 28. Juni 1952 um 16 Uhr. Mit einer Schere in der rechten Hand tritt Bürgermeister Wilhelm Kaisen an das aufgespannte weiße Band am Altstädter Brückenkopf und durchtrennt es, nachdem er in einer kurzen Ansprache den Machern dieses „Meisterwerks deutscher Brückenbaukunst“ gedankt und den Namensgeber, Bremens „großen Bürgermeister“ Johann Smidt, gewürdigt hat. Ähnliches vollzieht sich zur gleichen Zeit an der Neustädter Seite. Hier durchtrennt Bürgerschaftspräsident August Hagedorn das aufgespannte Band. Anschließend schreiten von beiden Seiten Delegationen mit den politischen Repräsentanten zur Teerhofspitze. Dort steht ein silberner Pokal mit einem Willkommenstrunk für sie bereit. Danach begibt sich die Gruppe aus der Neustadt weiter zu Altstadtseite, wo ein bekränzter Straßenbahnzug der Linie 6 auf sie wartet, um den Straßenbahnverkehr auf der Brücke zu eröffnen.

Bürgermeister Wilhelm Kaisen eröffnet die neue Brücke.
Foto: Georg Schmidt

Bürgermeister Kaisen hat sich derweil in einen bereitstehenden blumengeschmückten Lloyd-Kleinwagen gesetzt, mit dem er auf die Neustadtseite chauffiert wird, um das Spalier der Jugendverbände, Sportvereine und anderer Organisationen aus dem Stadtteil in der Langemarckstraße abzufahren. Das Automobilwerk im Neuenlander Feld war der größte Industriebetrieb der Neustadt. Nach der offiziellen Zeremonie wird die Brücke für die Bremerinnen und Bremer geöffnet. An die hunderttausend Menschen feiern ein Volksfest, das bis in die späten Abendstunden geht.

Überflüssige Sprengung und Eiskatastrophe

Die Freude über den Brückenneubau war groß, denn Bremen beklagte seinerzeit einen akuten Brückennotstand. Und der war zum Teil selbst verschuldet. Vor dem Krieg besaß die Stadt drei Straßenbrücken, von denen durch Bombenangriffe nur eine, die erst 1939 fertig gestellte „Adolf-Hitler-Brücke“ (mehr dazu hier), die die Weser am Rande des Stephaniviertels querte, zerstört wurde. Die beiden anderen Brücken, die Große Weserbrücke und die Kaiserbrücke sprengten am 25. April 1945 deutsche Militärs, um den Vorstoß der britischen Truppen zu stoppen, die allerdings wenige Kilometer weiter stromaufwärts schon längst das andere Weserufer erreicht hatten.

Die gleich nach Kriegsende einsetzende notdürftige Instandsetzung der Brücken, unterstützt durch zwei provisorische Brücken der amerikanischen Besatzungsmacht, erlitt im März 1947 einen herben Rückschlag, als durch Eisgang sämtliche Bremer Brücken zerstört wurden (mehr dazu hier). Im November 1947 war die Große Weserbrücke in Verlängerung der Wachtstraße wieder hergestellt. 1948 wurde anstelle der Adolf-Hitler-Brücke die Stephanibrücke fertig gestellt, während es unterhalb der irreparablen Kaiserbrücke eine Personenfähre gab.

Fast fertig: Die Brücke vor dem Richtfest im April 1952.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur (bzb)

Die beiden wiederhergestellten Brücken konnten aber nur als Zwischenlösungen betrachtete werden, da sie mit neun beziehungsweise sieben Metern Breite viel zu schmal waren. Breitere LKW durften die Stephanibrücke nur spät in der Nacht in von der Polizei geleiteten Konvois passieren. Dagegen nahm sich die neue Bürgermeister-Smidt-Brücke, die die Kaiserbrücke ersetzte, mit 18 Metern Fahrbahnbreite schon ganz anders aus. Mit einer Gesamtbreite von knapp 30 Metern übertraf sie die alte Brücke um zehn Meter.

Die verkehrliche Notsituation resultierte vor allem aus der Tatsache, dass sich gleich drei Fernstraßen durch Bremen, und das bedeutete aufgrund der Lage der Brücken: durch die Bremer Altstadt zwängten. Nördlich von Nienburg boten diese Brücken die einzigen Möglichkeiten, die Weser zu queren. Die Autobahn von Hamburg führte nur bis zum späteren „Bremer Kreuz“. Aufgrund ihrer zentralen Lage war die neue Brücke für die Bewältigung dieses Fernverkehrs ebenfalls nur eine Zwischenlösung. Mittelfristig sollte der Ausbau der Autobahn und zweier Tangentialstraße östlich und westlich des Stadtkerns mit neuen Brücken die Innenstadt vom Durchgangsverkehr entlasten.

Brückenentwurf der Gutenhoffnungshütte ohne Bastion.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur (bzb)

Kaufhaus als Steh-im-Weg

Mit der ausgebauten Langemarckstraße und der verbreiterten Bürgermeister-Smidt-Straße hatte also der Brückenneubau vor allem der Erschließung der Innenstadt und des Bahnhofsviertels zu dienen. Ganz reibungslos funktionierte der Verkehr auf der neuen Trasse aber zunächst nicht. Schuld daran war ein Engpass an der Brillkreuzung. Das Defaka (Deutsches Familienkaufhaus, mehr dazu hier), ein Bauwerk aus den zwanziger Jahren, ragte so weit in die Trasse hinein, dass man es in Richtung Bahnhof nur einspurig umfahren konnten, was in Stoßzeiten zu einem langen Rückstau auf der Brücke führte. Erst als das Kaufhaus 1955 einen Neubau in der Obernstraße bezog, konnte die Straße in ganzer Breite ausgebaut werden.

Entwurf einer Bogenbrücke der Firma MAN.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur (bzb)

Für die Konstruktion und bauliche Umsetzung der neuen Brücke zeichnete die Gutehoffnungshütte aus Oberhausen-Sterkrade verantwortlich. Zum geplanten Neubau waren zuvor von zehn renommierten deutschen Brückenbaufirmen Gutachten angefordert worden. Sie lagen 1950 vor. Die Firmen sollten Arbeitsgemeinschaften mit Bremer Architekten eingehen. Strittig war lange Zeit die Frage, ob die Konstruktion einer Bogenbrücke, wie bei der Kaiserbrücke, oder die einer modernen Deckbrücke vorzuziehen sei. Eine Bogenbrücke galt allgemein als die kostengünstigere Konstruktion. Eine Firma schlug sogar eine Hängebrücke vor, von der sie sich „eine besonders günstige Einfügung in das Stadtbild“ versprach. Das sah der „Ausschuß für Stadtbildgestaltung“, der in Bremen die politisch Verantwortlichen in Gestaltungsfragen beriet, anders.

Auch eine Bogenbrückenlösung wurde trotz der wirtschaftlichen Vorteile verworfen. Man ging davon aus, dass die vielgiebelige Silhouette der alten Weserfront in ähnlicher Form wieder entstehen würde – da wirke ein Bogen störend. Und noch eine Variante stieß auf Ablehnung: Hatte man sich schon für die Lösung einer schlanken Deckbrücke entschieden, so sollte diese doch nicht in einem Zug, wie von der Gutehoffnungshütte zunächst vorgeschlagen, von der Altstadt- bis zur Neustadtseite durchlaufen. Die Konstrukteure glaubten, eine solche Lösung versinnbildliche „am besten die verkehrsverbindende Aufgabe der Brücke“.

Entwurf einer Hängebrücke der Firma Gollnow.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur (bzb)

Das sah der Ausschuss anders. Er bestand darauf, die Teerhofspitze mit einer Art Bastion als Brückenkopf zu betonen. Diese Anpassung an den vertrauten bremischen Maßstab erledigten die beiden Bremer Architekten Fritz Brandt und Friedrich Schumacher. Bei der Gestaltung der Teerhofbastion und des Altstadtbrückenkopfes setzten sie auf den in Bremen vertrauten Obernkirchner Sandstein. Ungeachtet der optischen Unterbrechung durch die Bastion war die Brückenkonstruktion nach dem Prinzip eines stählernen Durchlaufträgers gefertigt worden. Er überspannt in vier Feldern die Weser und die Kleine Weser und die dazwischen liegende Halbinsel mit einer Gesamtlänge von 220,80 Metern.

Eine Kuriosität weist das Bauwerk mit einer Sollsprengstelle auf, die über einen eigens dafür vorgesehenen Schlitten bedient werden konnte. Noch war die nutzlose Sprengung des Vorgängerbauwerks nicht vergessen – und schon dachte man im Zeichen des beginnenden Kalten Krieges über neue militärische Szenarien nach. Dieses Mal als letzten Schritt gegen einbrechende Ostblockarmeen. Und diese Mal drohte die Gefahr von der Altstadtseite her.

Ein Meisterwerk des Brückenbaus: die im Juni 1952 eingeweihte Bürgermeister-Smidt-Brücke – allerdings ragte das Defaka-Gebäude (im Hintergrund gut zu erkennen) in die Trasse hinein, der Verkehr musste es einspurig umfahren.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur (bzb)

 

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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