Vor 110 Jahren wurde das Kaiser-Friedrich-Denkmal eingeweiht: Spärliche Bekleidung sorgte für Irritationen

Eine Bretterwand riegelte das Festgelände vor den Untertanen ab: Bei der Einweihung des Kaiser Friedrich-Denkmals am 22. März 1905 waren ungeladene Gäste nur als Zaungäste willkommen, es handelte sich um eine VIP-Veranstaltung mit Kaiser Wilhelm II. als Ehrengast. Für einige Irritationen sorgte die spärliche Bekleidung des verblichenen Kaisers. Im Volksmund war von Kaiser frier-nich statt Kaiser Friedrich die Rede.   

Nein, der Enthüllung des Kaiser Friedrich-Denkmals sollte nicht jederman beiwohnen. Auf dem Denkmalsplatz wurden für diesen Tag Besuchertribünen und der Kaiserpavillon mit dem Reichsadler aufgebaut. Ringsherum verlief ein hoher hölzener Zaun. Damit war die Öffentlichkeit von den Feierlichkeiten ausgeschlossen, denn den Zutritt hatten nur die geladenen Gäste. Den Zaungästen blieben nur die Dächer der umliegenden Häuser oder ein Blick aus den Fenstern, um den Kaiser sehen zu können. Die meisten Hauseigentümer hatten ihre Häuser mit Fahnen und Girlanden geschmückt.

Noch verhüllt: Als der Kaiser und sein Gefolge die Front der Ehrengäste abschritten, war das Geheimnis noch nicht gelüftet. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Noch verhüllt: Als der Kaiser und sein Gefolge die Front der Ehrengäste abschritten, war das Geheimnis noch nicht gelüftet. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Mittwoch, der 22. März 1905, war ein sonniger Tag. Mit einem Sonderzug reiste Kaiser Wilhelm II. von Berlin nach Bremen. Im Empfangssaal für fürstlich Reisende des Hauptbahnhofs machten er und sein Gefolge sich noch einmal frisch. Danach bestiegen sie die bereitstehenden Kutschen. Damit begann der 14. Besuch des Kaisers in Bremen seit seiner Regentschaft im Deutschen Reich ab 1888. Auf dem Programm standen diesmal die feierliche Enthüllung des Kaiser-Friedrich-Denkmals sowie ein anschließendes Festmahl im Bremer Rathaus.

Denkmal für den 99-Tage-Kaiser

Das zu enthüllende Denkmal galt dem Andenken an Kaiser Friedrich III. Dieser ist in die Geschichte mit seiner 99-Tage-Regentschaft eingegangen. Das war 1888 im sogenannten Drei-Kaiser-Jahr. Erst starb Kaiser Wilhelm I., dann folgte sein Sohn als Friedrich III., der aber nach kurzer Zeit einem Krebsleiden erlag. Somit bekam sein Sohn als Wilhelm II. die Kaiserwürde. Folgender Satz kann helfen, sich das Dreikaiserjahr zu merken: „Eins und dreimal acht: Drei Kaiser an der Macht.“

Nach der Enthüllung betrachtet der Kaiser das Denkmal. Blick auf die Häuser Kaiser-Friedrichstraße (heute Hermann-Böse-Straße) mit dem Eckhaus (hoher Turm) Nr. 21 und dem Blick in die Goebenstraße Eckhaus Nr. 34. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Nach der Enthüllung betrachtet der Kaiser das Denkmal.
Blick auf die Häuser Kaiser-Friedrichstraße (heute Hermann-Böse-Straße) mit dem Eckhaus (hoher Turm) Nr. 21 und dem Blick in die Goebenstraße Eckhaus Nr. 34.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Als Jugendlicher fragte ich mich: Ein Denkmal für einen Kaiser, der nur 99 Tage regiert hat? Um die Sache kurz zu machen: Es war wiederum der großzügige Mäzen Franz Schütte (1836 bis 1911), der 150.000 Mark in ein Denkmal investierte und es anschließend der Stadt übergab. Die Stadt unterstützte Schüttes Anliegen, indem sie die Billigung Wilhelm II. einholte. Des Kaisers für Bremen beruhigende Antwort lautete: Seine Majestät geruhten von der hochherzigen Stiftung eines Bremer Bürgers Kenntniß zu nehmen und zu bemerken, daß Allerhöchstselben die Darstellung des Verewigten in Imperatorentracht in Anlehnung an die Italienische Renaissance an sich nicht unsympathisch sei und wohl zu hoffen sei, daß es dem Bildhauer Tuaillon gelingen werde, die Aufgabe befriedigend zu lösen …

Ross und Reiter kamen auf fünf Meter 

So viel Zeit muss sein: Der Kaiser dankt dem Militärkapellmeister. Quelle: Staatsarchiv Bremen

So viel Zeit muss sein: Der Kaiser dankt dem Militärkapellmeister. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Der Bildhauer Louis Tuaillon (1862 bis 1919), der auch schon den Rosselenker am Bischofstor in den Wallanlagen geschaffen hatte, bekam auch hier den Auftrag. Er entwarf ein monumentales Reiterstandbild: fünf Meter Ross und Reiter, mit Sockel acht Meter hoch. Das Pferd und der Reiter bilden eine Einheit. Der Kopf ist Friedrich III. nachempfunden. Sonst hat Louis Tuaillon eine Idealfigur geschaffen, die sich weder einem antiken noch modernen Stil anlehnt. Den Guss führte die Berliner Gießerei H. Noack aus. Bevor das Denkmal nach Bremen verladen wurde, sah sich Kaiser Wilhelm II. das Werk noch persönlich an und soll davon sehr angetan gewesen sein.

Als Standort für dieses Denkmal hatte man den dreieckigen Platz bestimmt, der von der Hermann-Böse-Straße, Parkstraße und Slevogtstraße gebildet wird. Er hat heute eigentlich keinen Namen mehr. Die Anwohner nennen ihn aber immer noch Kaiser-Friedrich-Platz. Denn die heutige Hermann-Böse-Straße hieß ursprünglich Kaiser-Friedrich-Straße. Ergänzend dazu hieß die Slevogtstraße König-Albert-Straße und die Parkstraße in diesem Abschnitt Caprivistraße.

Ein Kaiser ohne Kleider?

Alles stand bereit, als Kaiser Wilhelm II. in Begleitung seines Bruders Prinz Heinrich und des Generals Moltke auf dem Denkmalsplatz zum Festakt eintraf. Der Bremer Bürgermeister Dr. Alfred Pauli (1827 bis 1915) begrüßte den Kaiser mit einer Rede. Es folgten Musik der Militärkapellen, Aufmarsch des Regiments „Bremen“, Enthüllung des Denkmals und weiter ging es mit Musik und Aufmärschen.

Danach erfolgte die Fahrt des Kaisers zum Dom und anschließend zum Rathaus. Dort gab es ein Festmahl zu Ehren des Kaisers, bei dem Bürgermeister Dr. Pauli und der Kaiser ihre Reden hielten. Kurz vor 19 Uhr verließ der Kaiser Bremen per Sonderzug nach Bremerhaven, um per Schiff eine Mittelmeerreise anzutreten.

Das Denkmal als solches fand in der Öffentlichkeit große Anerkennung, aber über die Darstellung Kaiser Friedrichs schieden sich die Geister, es gab erregte Diskussionen. Insbesondere fragte man sich: Sitzt der Kaiser nackt auf dem Pferd? Nein, beruhigte der Künstler, der Kaiser trägt einen angedeuteten Lederpanzer. Der ist aber kaum zu erkennen.

Kaiser Friedrich als Friedenskaiser

Zum Schluss lassen wir noch die Zeitzeugin Martha Caesar (1889 bis 1986) zu Wort kommen, die in ihren Memoiren schreibt:

Bis heute mit scheinbar entblößter Heldenbrust: Kaiser Friedrich III. in der Pose eines römischen Imperators. Foto: Peter Strotmann

Bis heute mit scheinbar entblößter Heldenbrust: Kaiser Friedrich III. in der Pose eines römischen Imperators. Foto: Peter Strotmann

„Eine schöne Erinnerung war die Einweihung von dem Kaiser-Friedrich-III.-Denkmal. Von der Wohnung meines Onkels an der Hermann-Böse-Straße 29 aus konnten wir alles sehr schön  miterleben. Wie Kaiser Wilhelm vom Bürgermeister Pauli auf dem roten Teppich hingeführt und mit ihm alles besprochen wurde. Tuaillon, der französische Bildhauer*, hat das Denkmal geschaffen.  Aber er war ja als Imperator dargestellt und das hat eigentlich gar nicht dem Wesen von Kaiser Friedrich entsprochen. Der war ausgesprochen ein Friedenskaiser, weil er ja nur 99 Tage regiert hat. Und wir sagen jetzt immer noch – Da steht unser Kaiser-frier-nich – weil er ja gar nichts anhat.“

*Hier irrt Martha Caesar: Trotz seines französisch klingenden Namens war Louis Tuaillon als gebürtiger Berliner ein Deutscher. Etliche bekannte Preußen trugen französische Namen, weil ihre Vorfahren als Hugenotten (calvinistische Protestanten) nach Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes 1685 als Flüchtlinge nach Preußen gekommen waren.

von Peter Strotmann

Vorne links gut zu erkennen: die Bretterwand, die unwillkommene Gäste bei der Einweihungsfeier für das Kaiser Friedrich-Denkmal am 22. März 1905 von den VIPs abschirmte. Blick aus einem Fenster des Hauses Kaiser-Friedrichstraße 29 (heute Hermann-Böse-Straße) auf die Häuser der König-Albertstraße 50-60 (heute Slevogtstraße). Quelle: Staatsarchiv Bremen

Vorne links gut zu erkennen: die Bretterwand, die unwillkommene Gäste bei der Einweihungsfeier für das Kaiser Friedrich-Denkmal am 22. März 1905 von den VIPs abschirmte. Blick aus einem Fenster des Hauses Kaiser-Friedrichstraße 29 (heute Hermann-Böse-Straße) auf die Häuser der König-Albertstraße 50-60 (heute Slevogtstraße). Quelle: Staatsarchiv Bremen

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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