Vor 50 Jahren

Die ersten drei Minuten seiner Bundesliga-Karriere hatte er noch nicht überstanden, da schienen sich bereits die schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet zu haben. Denn Peter Haak, der erstmals in der Bundesliga Werder-Torwart Bernard vertreten mußte, war auf der Torlinie stehengeblieben, als sich ein Eckball wenige Meter vor ihm auf den Kopf des Münchners Gerd Müller senkte, der ihn mühelos einköpfte. (WESER-KURIER, 10. April 1972)

 

Hintergrund

Mit einer „Millionenelf“ wollte der SV Werder Bremen in der Saison 1971/72 wieder an erfolgreiche Zeiten anknüpfen. Nach der Meisterschaft von 1965 (mehr dazu hier) hatte Werder nur noch einmal glänzen können: 1968 mit einem zweiten Platz. Danach versank die Mannschaft im Mittelmaß.

Ein Deal mit Stadt und Wirtschaft sollte es richten: Schulden wurden erlassen und Werder an Werbeeinnahmen des Weserstadions beteiligt, das verschaffte Spielraum für kostspielige Neuzugänge. Insgesamt blätterte Werder rund eine Million D-Mark hin, daher die eingängige Bezeichnung „Millionenelf“. Vom amtierenden Meister Borussia Mönchengladbach kamen die Mittelfeldspieler Peter Dietrich und Herbert Laumen, von Borussia Dortmund Willi Neuberger und Stürmertalent Werner Weist, von Hertha BSC Berlin stieß Jürgen Weber zum Kader. In letzter Minute scheiterte die Verpflichtung von Superstar Günter Netzer, Bayern-Talent Uli Hoeneß stand im Frühling 1972 auf der Wunschliste.

Die Mannschaft des SV Werder Bremen nach dem Gewinn der Deutschen Fußballmeisterschaft 1965 (stehend von links): Helmut Jagielski, Klaus Matischak, Josef Piontek, Heinz Steinmann, Torwart Günter Bernard, Arnold Schütz und Trainer Willi Multhaup; (kniend von links): Diethelm Ferner, Theo Klöckner, Max Lorenz, Gerhard Zebrowski und Horst-Dieter Höttges. Nach dem 3:2 Sieg über den gastgebenden 1. FC Nürnberg waren die Grün-Weißen in aller Munde. (dpa)

Im „Speckflaggen“-Trikot

Im Gegenzug verzichtete Werder auf die traditionellen grün-weißen Jerseys, die Mannschaft lief fortan im rot-weißen „Speckflaggen-Trikot“ auf – eine publikumswirksame Werbung für die Weserstadt. Statt der Werder-Raute prangte nun der Bremer Schlüssel auf der Brust, auf dem Rücken stand schlicht „Bremen“. Kritiker sprechen von einem „Kniefall“ vor potenten Geldgebern. Dennoch handelte es sich um einen geschickten Schachzug: Ab der Saison 1972/73 fiel die Transferobergrenze von 100.000 DM weg. Es war die letzte Gelegenheit, Topfußballer günstig einzukaufen.

Vor dem Saisonstart zählte Bayern-Trainer Udo Lattek die „Millionenelf“ zum erweiterten Favoritenkreis. Schon die ersten Spiele verliefen allerdings eher holprig, ein Lichtblick war einzig der dritte Platz am sechsten Spieltag.  Doch anschließend ging es bergab, Werder dümpelte im Niemandsland der Tabelle herum. Zum Saisonende belegte die Mannschaft einen ernüchternden elften Platz und schnitt damit sogar noch schlechter ab als in der Vorsaison ohne das Starensemble. Laumen berichtete später, die Chemie in der Mannschaft habe nicht gestimmt. Die Kluft zwischen alten Leistungsträgern und neuen Topverdienern sei immer größer geworden.

Zum Auswärtsspiel beim Tabellenführer Bayern reiste Werder ohne Illusionen an. Neben dem Dauerverletzten Dietrich fielen auch Abwehrrecke Horst Höttges und Flügelstürmer Werner Görts aus, zu allem Überfluss zog sich Stammkeeper Bernard noch eine Blessur am Fingergelenk zu. Trainer Sepp Piontek erwog deshalb den Einsatz von Altstar „Pico“ Schütz als Libero, ließ es dann aber doch. Für Bernard stand erstmals Peter Haak im Kasten. Der 24-Jährige war zu Saisonbeginn vom zweitklassigen Regionalligisten Bremerhaven 93 gekommen.

Sonderlich groß war das Zuschauerinteresse nicht, gerade einmal 15.000 Besucher verloren sich im Stadion an der Grünwalder Straße – im neuen Olympiastadion gab Bayern sein Debüt erst als Meister am letzten Spieltag. Wobei der schwache Besuch ein allgemeines Phänomen war, der Bundesliga-Skandal um manipulierte Spiele in der Saison 1970/71 zeigte Wirkung. Gegen den Tabellenführer hatte Werder von Anfang an keine Chance, am Ende siegte Bayern dank drei Müller-Treffern mit 6:2. Immerhin gingen nur die ersten beiden Tore auf Haaks Kappe, später konnte er sich noch mehrfach auszeichnen.

Das Trainerteam im Frühherbst 1971: Willi Multhaup (l.) und Sepp Piontek.
Foto: Imago

Vier Trainer im Einsatz

Vier Trainer standen in der Spielzeit 1971/72 bei Werder an der Seitenlinie, dieser hohe Verschleiss an Übungsleitern gilt als untrügliches Zeichen der Krise. Doch die Zahl täuscht, entlassen wurde nur Robert Gebhardt im September 1971. Ihm folgte Meistertrainer Willi Multhaup, der damals 68-Jährige sollte aber von Anfang an nur seinen designierten Nachfolger Piontek einarbeiten, nach kaum einem Monat verließ er die Kommandobrücke schon wieder.

Auch das zweite Engagement von Fritz Langner, dem Vizemeister von 1968, kurz vor Saisonende war von vornherein zeitlich befristet. Der 59-Jährige sollte nur einspringen, solange sein Breslauer Landsmann Piontek die Trainerausbildung an der Sporthochschule Köln absolvierte.

Piontek war ein Werder-Urgestein, er gehörte zur Meisterelf von 1965. In der Saison 1970/71 war er wegen einer schweren Knieverletzung allerdings kein einziges Mal zum Einsatz gekommen. Unter dem gefürchteten „Zuchtmeister“ Langner bestritt der damals 32-Jährige am 3. Juni 1972 beim 2:2 gegen Rot-Weiß Oberhausen sein letztes Spiel für Werder. Nach dem späten Ausgleich gegen den Tabellenfünfzehnten sollte der Abwehrspieler dabei helfen, das Remis in den letzten sechs Minuten über die Zeit zu bringen.

Langner hatte einen klaren Auftrag: Nach einer verkorksten Saison sollte er wenigstens noch den Pokal für Werder holen. Doch auch daraus wurde nichts, im Halbfinale schied die „Millionenelf“ gegen den 1. FC Kaiserslautern aus. Acht Jahre später wurde Langner nochmals als Trainer geholt, diesmal um den drohenden Abstieg zu verhindern (mehr dazu hier). Abermals ging die Sache nicht gut aus, am Ende der Saison 1979/80 stieg Werder erstmals aus dem Fußball-Oberhaus ab.

Ein Hoffnungsträger der „Millionenelf“: Willi Neuberger (links, hier gegen Hannover 96) im „Speckflaggen-Trikot“.
Foto: imago

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