Die Heimat des Lloyd: Auszug aus dem Adressbuch von 1865.
Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Ein Blick in die Geschichte (133): die Papenstraße in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts

Mehr als einmal war letzthin auf Bremen History vom Lloydgebäude die Rede. Auf alten Ansichten sind die gewaltigen Ausmaße des Bauwerks an der Papenstraße gut zu erkennen, der markante Turm avancierte schnell zu einem der Bremer Wahrzeichen. Bis heute hat der Monumentalbau zahlreiche Verehrer, viele Menschen bedauern den Abriss im Jahre 1969 – zumal das Gebäude einem Kaufhaus weichen musste, dessen Fassade nicht gerade als Meisterstück gelten kann.

Doch was war eigentlich vorher? Wie sah es am Standort des Lloydgebäudes aus, bevor es in mehreren Etappen zwischen 1901 und 1910 hochgezogen wurde?

Diese undatierte Aufnahme vermittelt einen guten Eindruck der Verhältnisse an der Papenstraße in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts, ganz hinten mündet sie in der Straße Wegesende. Der Schriftzug „Norddeutscher Lloyd“ auf dem eher schlichten Gebäude in der Bildmitte darf freilich nicht zu dem Trugschluss verleiten, dieses Haus sei das einzige Vorgängergebäude des späteren Monumentalbaus gewesen. Schon damals war der Norddeutsche Lloyd ein beachtliches Unternehmen, als Firmensitz hätte das bescheidene Häuschen niemals ausgereicht.

Schon damals ansehnlicher Grundbesitz: Stadtplan mit Lloyd-Immobilien von 1865.
Quelle: Wikimedia Commons

Tatsächlich verfügte die Reederei zu diesem Zeitpunkt bereits über beträchtlichen Immobilienbesitz nicht nur an der Papenstraße, sondern auch an der Großen Hundestraße und an der Pelzerstraße. Also genau dort, wo wenige Jahre später das Lloydgebäude aus dem Boden gestampft wurde.

Im Haus eines anderen Reeders

In diesem Altstadtquartier ganz in der Nähe der Ansgarii-Kirche war der 1857 gegründete Norddeutsche Lloyd fast von Anfang an beheimatet. Nur im ersten Jahr seiner Existenz befand sich der Firmensitz woanders, nämlich an der Martinistraße unweit der längst aufgehobenen Kirchenstraße. Doch bereits im Folgejahr bezog die aufstrebende Reederei ein angemietetes Haus an der Papenstraße 5b, vormals Wohnsitz des im Januar 1858 verstorbenen Senators Diedrich Heinrich Wätjen. Damit setzte der Norddeutsche Lloyd die maritime Tradition des Hauses fort, war Wätjen doch selbst ein bekannter Reeder gewesen. Zum Gebäude gehörte auch ein rückwärtig gelegenes Packhaus am Packhof, einer Sackgasse, die von der Großen Hundestraße abging. „Die darin enthaltenen Räume entsprachen vorerst den Bedürfnissen des Lloyd“, schreibt Firmenchronist W. Ehlers.

Schon prominent platziert: Im Adressbuch von 1860 wird dem Norddeutschen lloyd schon viel Raum zugestanden.
Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Allerdings nichts sonderlich lange. Denn nach anfänglichen Schwierigkeiten florierte das Geschäft und es zeichnete sich ein weiterer Aufschwung ab, als der amerikanische Bürgerkrieg sich im Frühjahr 1865 seinem Ende zuneigte. Die Verschiffung der Auswanderer versprach eine glänzende Zukunft, da genügte das kümmerliche Gebäude nicht mehr. Weil der Vorstand seinem Chronisten zufolge das Mietverhältnis als „höchst störend“ empfand, kaufte der Lloyd im Mai 1865 kurzerhand das Wätjen-Haus und mit ihm zugleich auch die Nachbarhäuser an der Papenstraße 5a und 6, dazu noch die Häuser an der Großen Hundestraße 29 und 30 sowie am Packhof die beiden Packhäuser Nr. 5 und 6.

Klassizistisch: die Lloyd-Zentrale an der Papenstraße 5/6/ Ecke Große Hundestraße 30.
Quelle: Das Verwaltungsgebäude des Norddeutschen Lloyd in Bremen, Bremen 1912

Schon bald ergab sich Eigenbedarf

Das war der Kernbestand der Lloyd-Immobilien. Vorerst benötigte man noch nicht einmal sämtliche Gebäude und vermietete nun selbst einige davon. Freilich ergab sich schon bald Eigenbedarf und bald auch der Wunsch nach ein etwas repräsentativeren Fassade. Dabei wurde das Äußere des Wätjen-Hauses an der Papenstraße 5 dem klassizistischen Erscheinungsbild des Nachbarhauses Nr. 6 angeglichen – und damit aus zwei Häusern ein Haus mit der Nr. 5/6.

Damit nicht genug, verpassten die neuen Besitzer auch dem Eckhaus Große Hundestraße 30 die gleiche Fassade, sodass kaum noch zu erkennen war, dass es sich in Wahrheit um drei Gebäude handelte. Doch auch die vergrößerte Fläche reichte schon bald nicht mehr aus, über die Jahre kaufte die Reederei noch weitere Grundstücke und Gebäude in unmittelbarer Umgebung hinzu. So 1898 auch die beiden Häuser Papenstraße 7 und 8, wobei das Gebäude mit dem charakteristischen Lloyd-Schriftzug die Nr. 8 ist.

Zu diesem Zeitpunkt war die Entscheidung für den Bau eines wirklich monumentalen Verwaltungsgebäudes schon gefallen. Man kann im Ankauf der Nr. 8 also getrost einen Schritt zur Arrondierung des bereits vorhandenen Bestands sehen, ab 1899 kaufte die Reederei dann nach und nach sämtliche Grundstücke in der Nachbarschaft auf. Bis ihr zuletzt der gesamte Häuserblock zwischen Großer Hundestraße, Papenstraße und Pelzerstraße gehörte – die Grundfläche für das Lloydgebäude, dessen Bau 1901 nach Plänen des Architekten Johann Georg Poppe begann.

von Frank Hethey

Das Lloydgebäude mal anders: Kurz nach Entstehung dieser Aufnahme wurde das Haus an der Papenstraße für den monumentalen Firmenneubau abgerissen, heute befindet sich an diesem Standort Galeria Kaufhof.
Quelle: Bestand Herbert Fuß

Titel Verbrechen Magazin

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