Vor 50 Jahren
Nach monatelangen Verhandlungen konnte am Wochenende endlich der Schlußstrich gezogen werden: Junioren-Nationaltorhüter Dieter Burdenski wird in der nächsten Saison für Werder Bremen spielen. „Wir haben uns mit Arminia Bielefeld über die Ablösesumme geeinigt“, erklärte Geschäftsführer Wolff, über die Höhe des Betrages allerdings wurde von beiden Seiten Stillschweigen bewahrt. (WESER-KURIER, 5. Juni 1972)
Hintergrund
Sein Name sorgt noch immer für leuchtende Augen: Dieter Burdenski, auch bekannt als „Budde“. Die Torwart-Legende stand 16 Jahre lang beim SV Werder unter Vertrag. Als der damals 21-Jährige im Sommer 1972 zum Werder-Kader stieß, hatte er schon kräftig Bundesligaluft geschnuppert – in der Vorsaison als Stammtorhüter bei Arminia Bielefeld. Der Junioren-Nationaltorwart galt als großes Talent, der WESER-KURIER bezeichnete ihn als „einzigen Stareinkauf“ der neuen Spielzeit. Mit Burdenski wurde die Zukunft geholt, er sollte früher oder später den langjährigen Keeper Günter Bernard ersetzen.
Bei seiner Verpflichtung meldete der WESER-KURIER, erstmals könne Werder in der Bundesliga zwei starke Torhüter aufbieten. Einiges deutete auf eine Wachablösung bereits zum Saisonstart hin. Schon in der Vorbereitung ließ Burdenski aufhorchen. Da fiel es nicht weiter ins Gewicht, dass ihm eine Neigung zu Showeinlagen nachgesagt wurde. Nicht mehr unangefochten war Bernard, Torwart der Meisterelf von 1965, der sich in der enttäuschenden Saison 1971/72 (hier mehr zur „Millionenelf“) einige Patzer geleistet hatte. Gleichwohl wollte Bernard seinen Posten nicht kampflos räumen. „Der Bessere soll spielen“, sagte der 32-Jährige.
Mit seinem Gang zu Werder kehrte Burdenski an seinen Geburtsort zurück. Sein Vater Herbert, ebenfalls ein begnadeter Fußballspieler, war von 1949 bis 1954 für Werder aufgelaufen und bald darauf in seine Heimatstadt Gelsenkirchen zurückgekehrt. Wie sein alter Herr trug auch Burdenski das Trikot des FC Schalke 04, die Knappen waren von 1969 bis 1971 seine erste Profistation. Sein Bundesliga-Debüt feierte Burdenski kurz nach seinem 20. Geburtstag am 5. Dezember 1970 – im Heimspiel gegen den SV Werder, die Partie endete mit einem torlosen Unentschieden.
In der gleichen Saison kam „Budde“ bei Schalke noch zu zwei weiteren Einsätzen, beide im April 1971 als Ersatz für den verletzten Stammtorwart Norbert Nigbur. Besonders denkwürdig war die Partie vom 17. April 1971 gegen seinen späteren Verein Arminia Bielefeld, das erste verkaufte Spiel im Rahmen des Bundesliga-Skandals. Burdenski, der erst anderthalb Stunden vor Spielbeginn von seiner Aufstellung erfahren hatte, war nicht eingeweiht und hielt mit mehreren Glanzparaden sein Tor sauber. Natürlich sehr zum Verdruss seiner korrupten Mitspieler, unter ihnen der spätere Werder-Libero Klaus Fichtel. Einer rief irgendwann entnervt: „Mensch Budde, geh‘ zur Seite!“ Es dauerte denn auch bis zur 83. Minute, ehe das erlösende 1:0 für die abstiegsbedrohten Bielefelder fiel.
Der Skandal kam im Juni 1971 ans Licht, insgesamt acht Partien waren betroffen. Funktionäre von Bielefeld und Kickers Offenbach hatten im Abstiegskampf versucht, ihrem Glück mit Schmiergeldzahlungen auf die Sprünge zu helfen. Auch Burdenski nahm nach dem Bielefeld-Spiel 2300 DM an. „Die Summe war einfach enorm hoch, auch gemessen an unserem damaligen Verdienst“, erklärte er rückblickend. Im Mai 1972 legte der Keeper ein Geständnis ab. Als Kronzeuge von DFB-Chefankläger Hans Kindermann kam Burdenski mit einer dreieinhalbmonatigen Sperre und einer Geldstrafe in Höhe der Bestechungssumme davon.
Andere mussten wesentlich härter büßen, der frisch eingekaufte Werder-Spieler Jürgen Weber (vorher Hertha BSC) wurde für zwei Jahre gesperrt, nicht anders erging es Fichtel. Ebenfalls mit Sperren bedacht: der frühere Werder-Spieler Max Lorenz, damals bei Eintracht Braunschweig, und der ehemalige Werder-Trainer Günter Brocker als Coach von Rot-Weiß Oberhausen.
Damit war plötzlich Bernard wieder die erste Wahl. Und der in die Kritik geratene Meistertorwart nutzte seine Chance so gut, dass Burdenski auch nach seiner Genesung vorerst die Ersatzbank drücken musste. „Bernard ist im Augenblick am Zug, es gibt keinen Grund zur Änderung“, sagte Werder-Trainer Sepp Piontek. Danach verschwand „Budde“ sogar ganz aus der Aufstellung, weil im Februar 1973 seine Sperre einsetzte. Eine Woche vor ihrem Ablauf bewilligte der DFB ein Gnadengesuch des SV Werder, sodass Burdenski gegen Saisonende noch zu vier Einsätzen kam. „Reaktionsschnell auf der Linie, eindrucksvoll faustend“, urteilte der WESER-KURIER über sein erstes Spiel für den SV Werder bei Hannover 96 am 19. Mai 1973.
So richtig in Fahrt kam seine Karriere dann in der Folgesaison 1973/74. Der junge Schlussmann absolvierte sämtliche Spiele, seine Leistungen fanden allgemeine Anerkennung. „Burdenski – der Held des Tages“, jubelte der WESER-KURIER im September 1973 nach dem 2:2 beim amtierenden Meister FC Bayern München. Bernards Vertrag war noch mal um ein Jahr verlängert worden, zum Saisonende 1974 beendete er seine Profikarriere und spielte zwei weitere Jahre für den ambitionierten Amateurclub SV Atlas Delmenhorst. Burdenski absolvierte bis zu seinem Karriereende 1988 exakt 444 Bundesliga-Spiele für den SV Werder, insgesamt kam er im deutschen Fußball-Oberhaus auf 478 Einsätze. Zwölf Mal trug Burdenski von 1977 bis 1984 das Trikot der deutschen Nationalmannschaft, sein Traum von der Nominierung für die Heim-WM 1974 erfüllte sich nicht.
Noch zwei Kuriositäten: Auf frühen Fotos ist der Ehrenspielführer des SV Werder mit bloßen Händen im Kasten zu sehen. „Es war damals normal, ohne Torwarthandschuhe zu spielen“, sagt er. Die ersten drei Jahre seiner Profilaufbahn blieb es auch dabei. Das änderte sich erst ab 1973, als die Torwartkollegen Sepp Maier und der kürzlich verstorbene Wolfgang Fahrian die ersten serienmäßig produzierten Torwarthandschuhe in den Handel brachten. Einen gewissen Unterhaltungswert hat auch, dass Burdenski in seinem dritten Bundesligaspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern am 30. April 1971 ein Elfmetertor ausgerechnet von Otto Rehhagel hinnehmen musste, seinem späteren Trainer. „Den hätte ich gern gehalten“, erinnert sich Burdenski, „aber da war leider nichts zu machen.“