Vor 40 Jahren wurde der Wettbewerb zur Umgestaltung des Domshofs entschieden
Aktuell ist er wieder in der Diskussion, Bremens größter Platz in der Innenstadt, der Domshof. Zu langweilig sei er, zu wenig belebt und zu spärlich begrünt. Ein bekannter Landschaftsarchitekt wurde von ansässigen Unternehmen mit einem Gutachten beauftragt. Wasserspiele auf der nachmittags recht leeren Marktfläche, mehr Sitzplätze zum Verweilen an den Rändern und rund um den Neptunbrunnen eine dichte Baumgruppe, so stellen sich die Gestalter einen belebteren Domshof vor.
Da trifft es sich gut daran zu erinnern, dass vor 40 Jahren schon einmal eine lebhafte Diskussion um den Domshof begann. Am 8. Oktober 1977 wurden die Ergebnisse eines Ideenwettbewerbs zur Neugestaltung des Platzes bekannt gegeben, an dem Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner aus den norddeutschen Bundesländern und Berlin teilnehmen durften. Die Initiative zu dem Wettbewerb ging von Eberhard Kulenkampff aus, seit 1974 Senatsdirektor im Bauressort. Er hatte sich unter anderem das Ziel gesetzt, die Innenstadt wieder aufzuwerten, nachdem sie in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten fast nur im Sinne einer „autogerechten Stadt“ umgebaut worden war.
Der Domshof beispielsweise, der ohnehin über enorme Ausmaße für einen innerstädtischen Platz verfügte, wurde noch mal um etwa zehn Meter im Norden verlängert, um Fläche für eine innere Ringstraße zu schaffen. (Abb. 1) Dieser Plan war zwar in den sechziger Jahren wieder passé, doch da war schon das spätbarocke „Caesarsche Haus“ für die Verkehrsmaßnahme abgerissen. Und wozu diente der vor allem von Banken umstellte Platz? Vormittags fand in der leicht abgesenkten Mitte der zentrale Wochenmarkt statt (Abb. 2), und nachdem die Händler eingepackt hatten, wurde nachmittags hier geparkt. Außerdem tangierten sämtliche Straßenbahnen und Busse, die zwischen Domsheide und Hauptbahnhof verkehrten, die Seiten des Platzes. (Abb. 3)
Diese starke verkehrliche Nutzung sollte möglichst bald ein Ende haben. Das nachmittägliche Parken an dem zentralen Ort war vielen ein Dorn im Auge. Nur die Handelskammer warnte im Weser-Kurier: „Wir können den Individualverkehr nicht weiter beschneiden.“ Und auch über eine Umleitung des öffentlichen Personennahverkehrs durch die Violenstraße wurde bereits nachgedacht. Der Bausenator erwartete vom Ideenwettbewerb keine Patentlösungen. Gefragt war vielmehr nach prinzipiellen Gestaltungsansätzen, die als Leitbilder für einen langwierigen Umgestaltungsprozess zu gebrauchen wären. Fünf Preise wurden vergeben. Im Rahmen von Gutachten sollten die Preisträger ihre Gestaltungsvorschläge weiter ausarbeiten.
Wie manchmal in solchen Verfahren spitzte sich die Debatte jedoch schon bald auf die Alternative zwischen zwei Entwürfen zu. In diesem Fall ging es um die Entscheidung zwischen einem schlichten, soliden, pragmatischen Vorschlag und einem künstlerisch exaltierten, auf dem ersten Blick abwegig wirkenden Vorschlag.
Solide versus exaltiert
Solche Extrempunkte boten der erste und der vierte Preisträger. Der Siegerentwurf von den Hamburger Landschaftsarchitekten Wehberg, Lange und Partner sah vor, die nördliche Hälfte des Platzes durch eine dichte Bepflanzung mit Platanen in acht Quer- und fünf Längsreihen optisch aufzufüllen. (Abb. 4) Die ungünstige Proportion des überlangen Platzes sollte durch diese Maßnahme korrigiert werden. Die Jury lobte zudem den kostengünstigen Ansatz des Entwurfs. Dass die Bäume auf der Decke eines 1940/41 angelegten Tiefbunkers stehen sollten, schien der Begeisterung für den Entwurf keinen Abbruch zu tun. Der Schutzraum diente inzwischen als Garage, zu der eine Rampe an der Nordseite führte, die die Nutzbarkeit des Platzes zusätzlich einschränkte.
Die extreme Gegenposition bot der vierte Preis. Die Berliner Architekten Arno Bonanni, Klaus Lattermann und Knut Stützel schlugen vor, den zum Dom hin ohnehin ansteigenden Platz mittels einer „tektonischen Woge“ künstlich zu überhöhen. In Diagonalrichtung auf die Gebäudekante des Neuen Rathauses ausgerichtet, sollte der Platz bis zu sechs Meter über sein bisheriges Niveau ansteigen, um dann abrupt abzufallen. Die Straßenbahn wäre an dieser Seite durch ein kurzes Tunnelstück gefahren. (Abb. 5)
„Die Realisierung erscheint fraglich, da das Projekt keine Abstriche und keine Annäherung in Stufe verdient“, urteilte die Jury. Gleichwohl wurden die Berliner, wie die anderen Preisträger, zu einem Überarbeitungsgutachten aufgefordert. Während die Gestalter weiter an ihren Entwürfen feilten, konnten 1978 eine Ausstellung in der Unteren Rathaushalle und 1979 eine Publikation des Staatsarchivs ausführlich die Geschichte des ungewöhnlichen Platzes beleuchten.
Vor allem das Buch von Archivdirektor Wilhelm Lührs ist bis heute die profundeste Aufarbeitung der Geschichte dieses Ortes. Auf den zahlreichen historischen Abbildungen wird eines deutlich: dass der Platz zu den verschiedenen Phasen allenfalls spärlich, meistens aber gar nicht mit Bäumen bepflanzt war. Sicherlich wird es nicht (nur) an dieser Erkenntnis gelegen haben, dass sich die Jury nach Vorlage der Überarbeitungen zu einem Richtungswechsel entschloss.
Zwar waren es nun ebenfalls wieder nur die beiden schon erwähnten Entwürfe, die für die Preisrichter ernsthaft in Betracht kamen, nun aber in umgekehrter Reihenfolge. Die Hamburger Landschaftsarchitekten hatten wohl eingesehen, dass Platanen mit der Statik des Garagendachs nicht zu vereinbaren seien und ersetzten sie durch kleine Linden, die in Pflanztrögen stehen sollten. Diese Art von Topfbäumen überzeugte die Jury nicht besonders, umso mehr jedoch die Überarbeitung der tektonischen Woge.
Als überrascht, im ersten Augenblick gar erschrocken, erklärte sich Bausenator Bernd Meyer, als er die Entscheidung der Öffentlichkeit vorstellte. Aber, so Meyer: „Je länger ich nachdenke, um so schlüssiger erscheint mir das Konzept.“
Die tektonische Woge aus rotem Sandstein stieg nun nicht mehr so extrem wie in der ersten Fassung an und lief in Richtung Rathaus und Dom in Sitzstufen aus. Der Rücken der Woge, die Nordseite des Platzes, war durch ein organisch ausschwingendes Streifenmuster in Granit gekennzeichnet. Auf dem bis auf eine dünne Baumreihe kahlen Platz bot allein ein verkanteter gläserner Würfel das optische Gegengewicht zur Woge. Er sollte ein Café aufnehmen. Nach einer weiteren Überarbeitung durch die Berliner Gestalter wurde der Entwurf im Januar 1981 für ausführungsreif erklärt. (Abb. 6)
Doch es sollte anders kommen.
Totes Meer oder Affenfelsen
Die Reaktion auf die tektonische Woge war nämlich eine Woge der Entrüstung. Von „Roter Woge“ war die Rede und vom „Affenfelsen“, aber auch – in Anspielung auf die Kahlheit des Platzes und die wellenförmige Pflasterung – vom „Toten Meer“. Und auch die Beschuldigung, Senatsdirektor Kulenkampff wolle sich hier ein Denkmal setzen, machte die Runde. Der Dom werde „in seiner geistigen Bedeutung durch diesen Entwurf (…) disqualifiziert“, argumentierte Domprediger Günter Abramzik. Gegen den öffentlichen Druck, der sich in zahlreichen Leserbriefen und Protesten von Bürgern und Institutionen niederschlug, war eine Umgestaltung im Sinne der Berliner Architekten nicht mehr durchsetzbar.
Der Baubehörde übernahm schließlich nach einem Entwurf des Mitarbeiters Ernst Wilhelm Meyer-Lohse die Neugestaltung des Platzes in Eigenregie – mit Reihen kleinwüchsiger Bäume an den Seiten und einer Lindengruppe vor der Bremer Bank. (Abb. 7) Drei geschwungene Stufen auf der ansonsten sanft ansteigenden Fläche ließen sich als letzte Reminiszenz an die Woge interpretieren. Durch den Neptun-Brunnen des Worpsweder Bildhauers Waldemar Otto bekam der Platz 1992 einen zusätzlichen Akzent. Die immer noch unbefriedigende Gestaltung seiner Nordseite wurde mit einem weiteren Wettbewerb in den neunziger Jahren angegangen. Aus ihm ging das 2000 fertiggestellte Domshof-Forum mit dem Café Alex hervor, für das man die störende Rampe an der Nordseite endgültig schloss.
Ob der in einem so langwierigen Prozess entstandene heutige Domshof nun langweilig ist oder ob nicht vielmehr der erneute Überarbeitungsvorschlag eine überflüssige Überinszenierung darstellt, darüber mag man streiten. (Abb. 8) Wichtiger für das Funktionieren des Platzes ist, dass mit der Domshofpassage, dem Alex und der Belebung der Erdgeschosszonen in der nördlichen und östlichen Randbebauung neue Nutzungen und eine größere Publikumsfrequenz entstanden sind, die auch den Platz beleben.
Man wird sehen, wie es weitergeht.
von Prof. Dr. Eberhard Syring
Bremer Wettbewerb (und was daraus wurde)
Immer wieder faszinieren Wettbewerbe für Gebäude oder Stadträume nicht nur die Fachwelt, sondern auch eine breite Öffentlichkeit. Und nicht selten lösten sie erhebliche Diskussionen aus – wie etwa der Wettbewerb für das Haus der Bürgerschaft. Bremen History stellt in lockerer Folge einige der interessantesten Bremer Wettbewerbe vor und zeigt auf, was daraus wurde (oft etwas ganz anderes, als ursprünglich geplant, und manchmal auch gar nichts), und erläutert wie es dazu kam.