Vor 50 Jahren

Die Straßenbahnlinie 4 soll zum Beginn des Sommerfahrplans am 7. Mai eingestellt werden, teilte der Technische Direktor der Bremer Straßenbahn AG, Dieter Mohnhaupt, am Donnerstag in einer Beiratssitzung in Horn mit. Wie Mohnhaupt betonte, verkehrt diese Linie ohnehin nur noch in den Verkehrsspitzenzeiten und sei selbst dann lediglich schwach besetzt. (WESER-KURIER, 19./20. Februar 1972)

 

Hintergrund

Ein Quantensprung: die Elektrifizierung der Bahn 1892.
Quelle: Freunde der Bremer Straßenbahn

So ganz unerwartet kam das Aus für die altehrwürdige Linie 4 nicht, schon seit Jahren war sie nur noch zur Hauptverkehrszeit zwischen Horn und Domshof unterwegs gewesen. Dennoch gab es unter Anwohnern einigen Unmut bei Bekanntwerden des BSAG-Vorhabens. Die Klagen richteten sich vor allem gegen die 30er-Busse, die den Dienst der Linie 4 übernommen hatten – oft kämen sie schon voll in Horn an.

Mit der Linie 4 verabschiedete sich nicht irgendeine Linie aus dem Verkehrsgeschehen. Vielmehr hatte die neue Bremer Pferdebahn am 4. Juni 1876 auf dieser Strecke den Betrieb aufgenommen, zwischen Herdentor und Vahrster Brücke (heute Bürgermeister-Spitta-Allee) ging es damals im Halbstunden-Takt hin und her. Bereits 1877 wurde die Strecke bis zur Horner Brücke in Höhe Berckstraße verlängert, um Ausflüge ins damals noch dörfliche Horn mit seinen Restaurationen zu ermöglichen.

Ein echter Quantensprung war 1892 die Einführung des elektrischen Betriebs zwischen der Börse am Marktplatz und Horn. Schon im Vorjahr hatte sich die Pferdebahn in Bremer Straßenbahn umbenannt und damit begonnen, sämtliche Strecken zu elektrifizieren. Natürlich stieß das nicht überall auf Beifall, es gab Kritik an den „hässlichen Drähten“ und Bedenken wegen der quietschenden Geräusche der Elektrischen.

Zu ihrer Nummer kam die Linie 4 erst 1908, als alle Linien zur besseren Orientierung eine Ziffer erhielten. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte 1914 zur nächsten Neuerung: Die Linie 4 übernahm die Strecke der Linie 5, dadurch verlängerte sich ihr Radius über die Weser hinaus bis zum Arsterdamm. „So spart man Fahrer und Schaffner“, schrieb Lokalredakteur Ernst Grunwald mit Blick auf das eingerückte Straßenbahnpersonal.

Auch bei Nacht und Nebel präsent: ein BSAG-Bediensteter 1957 vor einem Wagen der Linie 4.
Foto. Archiv

Aus einer Verlängerung der Linie bis nach Oberneuland und Borgfeld wurde nichts, ab Mitte der 1920er-Jahre befuhren Busse diese Strecken. Dazu kam die passende Infrastruktur: 1928 die Wendeschleife um die St. Pauli-Restauration (heute Lestra), 1938 die Omnibushalle an der Berckstraße. „Die günstige Verkehrsanbindung förderte die Entwicklung des Stadtteils erheblich“, schreibt Michael Koppel in seinem Horn-Lehe-Lexikon. In ganz Horn und Lehe hätten sich BSAG-Beschäftigte niedergelassen.

Die Zerstörung der Weserbrücken gegen Ende des Zweiten Weltkriegs teilte die Strecke der Linie 4. Bis zur Wiederherstellung der Großen Weserbrücke im November 1947 gab es eine Linie 4 A für den Altstadt- und eine Linie 4 N für den Neustadt-Bereich. 1956 wurden die ersten Gelenkzüge eingesetzt.

Das Ende der alten Linie 4 zeichnete sich 1967 ab, als die neue Linie 1 die Strecke zwischen Arsterdamm und Blockdiek übernahm. Damit reduzierte sich die Strecke der Linie 4 auf die Länge, die sie bis 1914 bedient hatte. Außerhalb der Stoßzeiten pendelten Busse auf der alten Stammstrecke. Bereits 1969 wurde der Betriebshof in Horn abgerissen, am 1. Mai 1972 der Betrieb der Linie 4 eingestellt. Im Sande verlief die vage Idee, analog zur Lokomotive der „Jan Reiners“ in Findorff einen Wagen der Linie 4 irgendwo in Horn auf einen Sockel zu stellen.

Ihr Comeback erlebte die Linie 4 im Mai 1998 zunächst auf der Strecke Kirchbachstraße-Horn-Lehe, im Dezember 1998 kam auch der Südabschnitt bis nach Arsten wieder hinzu. Im Dezember 2002 erfüllte sich der alte Traum einer Linie bis nach Borgfeld, im August 2014 stieß die BSAG mit der nicht unumstrittenen Verlängerung nach Lilienthal und Falkenberg erstmals ins niedersächsische Umland vor.

Heute ist die Linie 4 mit 49 Haltestellen und einer Länge von 23 Kilometern die Nummer 1 im Straßenbahnnetz der BSAG.

Nur bis 1967 kreuzte die Linie 4 die Weser, in ihren letzten Jahren bis 1972 war sie reduziert auf die alte Stammstrecke zwischen Innenstadt und Horn.
Foto: Archiv

 

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