Fußball auf der Bürgerweide: Ab 1920 spielte der Bremer SV auf einem Platz beim Lloyd-Bahnhof / 1934 verfügte der NS-Senat das Aus
Fast anderthalb Jahrzehnte pilgerten die Anhänger des Bremer SV zum Fußball auf die Bürgerweide. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Lloyd-Bahnhof trug der Verein aus dem Bremer Westen seit 1920 seine Heimspiele auf dem legendären Bürgerpark-Sportplatz aus. Ein heute weithin vergessenes Kapitel Bremer Sportgeschichte.
Was sich hier wie ein dummer Jungenstreich oder ein verspäteter Aprilscherz anhört, wurde am 1. August 1920 Wirklichkeit: Der Bremer Sport-Verein von 1906 e.V. hatte endlich einen eigenen und ordentlichen Fußballplatz. Und zwar auf der Bürgerweide!
Heutzutage können wir uns das nicht mehr vorstellen. Aber die Bürgerweide glich damals eher einem Industriegebiet als einer freien, vielfältig zu nutzenden Fläche. Vom Bahnhof aus gesehen war links in den Jahren 1879/82 der Schlachthof entstanden. Auf der rechten Seite stand schon seit 1854 das Gaswerk (Erzeugung von Brenngas aus Kohle) an der späteren Schlachthofstraße in der Nähe der heutigen Gustav-Deetjen-Allee (früher: Bei der Gasanstalt). Auf der Bürgerweide waren die Gleisanlagen und der Kohlelagerplatz für die Gasanstalt. Im hinteren Bereich, dort wo heute die Stadthalle und Ausstellungshallen stehen, befand sich von 1874 bis 1889 der Hamburg-Venloer Bahnhof. Ab 1900 eröffnete die Kleinbahn nach Tarmstedt den Betrieb und baute dafür eine Station, den sogenannten Parkbahnhof.
Die große Entlastung für die Bürgerweide ergab sich, als 1898 ein neues Gaswerk in Woltmershausen gebaut wurde. Damit konnte das alte Werk an der Schlachthofstraße (heute Theodor-Heuss-Allee) stillgelegt werden. Auf dem eigentlichen Gelände der Gasanstalt errichtete der Norddeutsche Lloyd 1913/14 zwei Gebäude: die Gepäckabfertigung und den Lloyd-Bahnhof (heute Courtyard Hotel).
Die Vereinsmitglieder richteten die neue Sportstätte mühsam her
Damit war der Weg frei, die rechte Seite der Bürgerweide mit dem Kohlelagerplatz anders zu nutzen. 1919 musste der Bremer Sport-Verein bei den Behörden viel Überzeugungsarbeit leisten, bis das Grundstück auf der Bürgerweide endlich zur Anlage eines Fußballplatzes freigegeben wurde.
Aber bis zum Eröffnungsspiel am 1. August 1920 musste die Spielstätte erst aufwendig hergerichtet werden. Das machten die Vereinsmitglieder selbst. Sie ebneten das Gelände, säten Rasen, zogen Zäune und bauten ein bescheidenes Häuschen zum Umkleiden der Mannschaften.
Aber mit solchen Arbeiten hatte der Verein Erfahrung. Schon vor der Vereinsgründung spielte man als „wilde Mannschaft“ auf einem Gelände im Holzhafen. 1906 stellte ein Bauer eine Viehweide im Grambker Moor zum Fußballspielen zur Verfügung. 1911 bekam der Verein einen Platz hinter dem Schützenhof in Gröpelingen. Auch hier waren viele fleißige Hände nötig, um die Spielstätte herzurichten. Im Ersten Weltkrieg war die Spieltätigkeit stark eingeschränkt und zudem wurde dem Verein der Platz in Gröpelingen gekündigt. Nun war man heimatlos und bei Heimspielen auf andere Vereine angewiesen.
1934 kam aus „Aus“ für den Bürgerpark-Sportplatz
Unter dem ungarischen Trainer Gyula Feldmann, der später in Italien so berühmte Mannschaften wie den AC Florenz und AC Turin coachte, feierte der Bremer SV Mitte der 1920er Jahre auf dem Bürgerpark-Sportplatz seine sportlich erfolgreichste Zeit. Zweimal in Folge holte die Feldmann-Elf im Finale den Titel in der damals höchsten Spielklasse, der Bezirksliga Weser/Jade, 1926 durch einen 6:1-Kantersieg gegen den SV Werder Bremen. Beide Male scheiterte der BSV dann aber in den Qualifikationsspielen zur Endrunde um die Deutsche Meisterschaft.
1934 musste die Spielstätte auf Anweisung der nationalsozialistischen Regierung aufgegeben werden, es entstand ein Aufmarschgelände für Parteiveranstaltungen. Auch der Freimarkt fand 1934 zum ersten Mal auf der Bürgerweide statt.
Es ergab sich weiter, dass sich der Verein dem „Allgemeinen Turnverein der westlichen Vorstadt“ anzuschließen hatte. Damit bekam der BSV den Fußballplatz an der Dedesdorfer Straße und ein bestens eingerichtetes Vereinsheim dazu. Insofern war es keine Verschlechterung. Dann kam der Zweite Weltkrieg. Danach war der Fußballplatz ein Kraterfeld, das Vereinsheim zerstört.
Aber es ging wieder aufwärts, denn 1946 genehmigte die amerikanische Militärregierung die Weiterführung des Vereins unter dem alten Namen. Seit 1963 trägt der Bremer SV seine Heimspiele am Panzenberg aus. An dieser Spielstätte entstand 1967 eine überdachte Tribüne mit Klub- und Umkleideräumen.
Am Tage vor der Platzeinweihung, also am 31.Juli 1920, legte der Verein seinen bisherigen Namen „Bremer Ballspielverein Sport e.V.“ ab. Um auch andere Sportarten als Fußball angemessen zu berücksichtigen, wurde der Vereinsname in „Bremer Sportverein von 1906 e.V.“ umgeändert. Das Eröffnungsspiel ging zwar mit mit 0:1 gegen den ABTS (heute: Bremen 1860) verloren. Aber dafür hatten die Mitglieder sich eine vorbildliche Anlage geschaffen.
Nachwort
Der Bremer Freimarkt hat sein Ursprung im Jahre 1035. Er fand zunächst auf dem Liebfrauenkirchhof und später auf dem heutigen Marktplatz statt. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts auch dem Domshof, seit 1851 wieder auf dem Liebfrauenkirchhof und auch auf anderen Plätzen. 1919 wurde er auf Plätze der Neustadt verlegt. Seit 1934 findet der Bremer Freimarkt auf der Bürgerweide statt.
von Peter Strotmann