Hochhaus-Serie (1): Der Bauhof sollte Bremens Technisches Rathaus und neues Wahrzeichen werden
Die Stimmung war euphorisch, als am 20. März 1971 das Ergebnis einer Architektenkonkurrenz zu einem der seinerzeit wichtigsten Bremer Bauprojekte, dem Bauhof-Hochhaus am Rembertikreisel, bekanntgegeben wurde. Vier Architektengruppen, davon zwei mit bremischer Beteiligung, waren im Januar aufgefordert worden, auf der Grundlage eines Vorentwurfs des Hochbauamtes eine architektonisch und städtebaulich anspruchsvolle Lösung für einen Baukomplex zu entwickeln, der den rund 1400 Beschäftigten der Baubehörde eine neue Bleibe geben sollte.
Die Verfasser des besten der vier Entwürfe waren keine Unbekannten: Das Düsseldorfer Büro Hentrich, Petschnigg und Partner hatte 1960 mit dem Thyssenhaus in der Rheinmetropole Furore gemacht. Das so genannte Drei-Scheiben-Haus, ein 95 Meter hohes elegantes Bauwerk, galt Experten als „Markenzeichen des Wirtschaftswunders“. In Bremen wurden aus den drei Scheiben drei Flügel. Damit nahm der Entwurf eine Vorgabe des Hochbauamtes auf, einen Y-förmigen Grundriss. Von einem zentralen Erschließungskern aus sollten sich drei Gebäudeflügel in gleichem Abstand in unterschiedliche Richtungen spreizen.
Nur variierten die Architekten dieses Grundprinzip, indem sie die Flügel nach einer kurzen Strecke verschwenkten und sie in unterschiedlichen Höhen von 18 bis 24 Stockwerken hochstaffelten. Verstärkt durch die bugförmig ausgebildeten Stirnseiten erhielt das Gebäude so einen dynamischen Zug. „Wir mussten alles Starre aus den Baumassen herausnehmen, um die Höhe vertreten zu könnten“, erklärten die Architekten. Mit den deutlich überhöhten Erschließungs- und Techniktürmen im Zentrum ragte der Bauhof annähernd 100 Meter auf – wie die Domtürme.
Auch die eher kritischen Vertreter unter den Gutachtern stimmten dem Gesamteindruck zu, dass hier ein „großer Wurf“ gelungen sei. Gelobt wurde ebenfalls das städtebauliche Gesamtkonzept, zu dem Nebengebäude wie eine Wohnanlage am Fedelhören, eine Parkgarage am Kreisel und ein Komplex mit Gaststätten, Läden und Veranstaltungsräumen gehörten. Wie mit der Böttcherstraße in der Altstadt könne sich hier ein „Kristallisationskern“ herausbilden, hieß es.
Das Projekt hatte eine längere Vorgeschichte. Bauhof nannte sich der Sitz der Baubehörde, seit 1922 in dem ehemaligen Armenhaus an der Herrlichkeit zwischen Großer und Kleiner Weser untergebracht, der 1944 bei einem Luftangriff zerstört worden war. Nach dem Krieg verteilten sich die verschiedenen Abteilungen der durch die Aufbauarbeiten rasch wachsenden Behörde auf zahlreiche Einzelstandorte, was die interne Kommunikation extrem erschwerte. Auch eine Bündelung mehrerer Abteilungen in dem ehemaligen Lloydgebäude ab 1954 änderte nichts an dem Wunsch nach einem neuen Bauhof, für den 1958 erste Überlegungen am alten Standort getroffen wurden.
Der Wunsch wuchs zu einem drängenden Problem, als Mitte der 1960er-Jahre bekannt wurde, dass das Lloydgebäude für das geplante Horten-Kaufhaus abgerissen werden sollte. Aufgrund des gewachsenen Raumbedarfs war der alte Standort nicht mehr geeignet. Stattdessen rückte das Grundstück im Rembertiviertel in den Fokus, das aufgrund der geplanten und zum Teil in Bau befindlichen Verkehrstrassen in diesem Bereich weitgehend leergeräumt war. Im Januar 1968 wurden erste Pläne für den Bauhof an diesem Ort vorgestellt. Aus einem zweigeschossigen Sockel sollten sich drei Bürotürme, der höchste mit 22 Stockwerken, erheben. Mit dem 41,2 Millionen Mark teuren Bauprojekt könne sofort begonnen werden, versicherte der als Bauträger vorgesehene gewerkschaftseigene Baukonzern Neue Heimat.
Doch an dem Vorhaben wurde umgehend Kritik laut. Die Opposition beklagte die hohen Kosten, Architektenverbände forderten einen städtebaulichen Ideenwettbewerb. Die Regierungskoalition reagierte mit der Aussage, für das Projekt erst einmal eine bessere Finanzlage abzuwarten. Zunächst zog die Behörde aus dem Lloydgebäude aus und verteilte sich auf fast 40 Standorte. Doch die Finanzlage schien sich schon 1969 verbessert zu haben. 25 Millionen Mark standen nun zur Verfügung, und das Hochbauamt arbeite an neuen Plänen. Doch aus der optimistischen Prognose, 1971 könnte ein Neubau bezogen werden, wurde nichts.
Stattdessen in diesem Jahr die Architektenkonkurrenz – gewissermaßen ein Entgegenkommen an die Architektenforderungen. Allerdings waren für das Prestigeprojekt nun mehr als 60 Millionen Mark veranschlagt, und der angekündigte Baubeginn noch im selben Jahr erwies sich als illusorisch. Erst Ende März 1974 schien das Projekt gesichert. Die Finanzdeputation hatte 88,5 Millionen Mark für den Bau bewilligt. Die Neue Heimat als Bauträger verpflichtete sich, den Bauhof in vier Jahren fertigzustellen. In den Planungen des Konzerns war das Gebäude inzwischen um ein paar Stockwerke auf rund 130 Meter gewachsen. Im Schatten des Bauwerks wollte zudem die Landeszentralbank an der Ecke Kohlhöker-/Meinkenstraße einen zehngeschossigen Verwaltungssitz bauen.
Gewandelte Situation
Doch die Lage hatte sich grundsätzlich geändert. Im Dezember 1973 war das Mozarttrassen-Projekt ad acta gelegt worden und die Trassengegner, durch den „Trassenkampf“ bestens strategisch gerüstet, machten nun auch gegen dieses Großprojekt mobil, das inzwischen in den Medien eher abwertend als „Mammutprojekt“ oder „Behördensilo“ bezeichnet wurde. Aufgrund des Stopps der Mozarttrasse plädierte sogar die Handelskammer gegen den Standort am Rembertikreisel, weil durch die 1400 Bediensteten zu viel Verkehr entstehe. Sie schlug einen neuen Standort in besserer Verkehrslage, beispielsweise am Stadtrand vor.
Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich die Neue Heimat mit einer Mehrkostenforderung von 15 Millionen Mark. Der Vertrag mit dem Konzern wurde im Oktober 1984 gekündigt. Kleinere Lösungen in Eigenregie sollten gesucht werden, ließen sich aber nicht umsetzen. Die Baubehörde blieb über viele Standorte verteilt. Auf dem Grundstück am Rembertikreisel entstand in den 1980er-Jahren Wohnungsbau.
Nur die Landeszentralbank konnte ihr Projekt, in kleinerem Maßstab und an neue städtebauliche Leitbilder angepasst, 1983 realisieren. Der 1971 als zweitbester bewertete Bauhof-Entwurf des Braunschweiger Architekten Walter Henn fand 1975 eine fast identische „Zweitverwertung“ als Mehrzweckhochhaus an der Universität. Auch die Düsseldorfer Architekten kamen im Bremen noch zum Zug. Ihr 1977 fertiggestelltes Verwaltungsgebäude für die Klöckner-Werke, das mit einem BDA-Preis ausgezeichnet wurde, wird seit Jahren nicht mehr genutzt.