Birgt manch ein Geheimnis: der Bremer Dom, hier im Jahr 1532. Foto: Jürgen Howaldt

Birgt manch ein Geheimnis: der Bremer Dom, hier im Jahr 1532.
Foto: Jürgen Howaldt

Schnitzwerk im Dom illustriert Kriegsszene aus dem Alten Testament

Hat man eine Führung gebucht, sei es durch ein Werk, historische Stätte, Museum oder Stadt, befindet man sich oftmals in einem Pulk von Menschen. Dann läuft der oder die „Allwissende“ vorweg und spult das Programm ohne Gnade herunter. Da schalten leider viele Zuhörer auf Durchgang.

Gelegentlich hat man das Glück, eine Führung in einer kleinen Gruppe oder als Einzelperson zu erleben. Jetzt kommen Zwischenfragen auf und damit wird von den üblichen Erläuterungen abgewichen. Es wird aus dem Nähkästchen geplaudert, wie man so sagt. So ist es bei einer Einzelführung im Bremer Dom geschehen.

Auf die Frage: „ Welche kleinen Geheimnisse gibt es hier im Dom?“ tat sich doch so einiges auf. Von einer kuriosen Sache, nämlich dem „Elefant im Dom“, sei hier berichtet.

Eleazar tötet einen Kriegselefanten

Um die Bildtafel mit dem Elefanten zu sehen, muss man sich zum südlichen Seitenschiff begeben. Dort sind an den Wänden der dritten Kapelle von Westen gesehen einige Wangen des Chorgestühls aus dem 14. Jahrhundert (1360 bis 1370) angebracht. Diese aus Eiche gefertigten Holzteile weisen ein reiches Schnitzwerk auf. Um jedoch diese kleine Kuriosität zu sehen, muss man sich vor der achten Chorgestühlswange hinknien. Ganz unten stehen zwei Bilder übereinander. Es sind die sogenannten Makkabäerszenen, wurde mir mündlich erläutert.

In dem unterem Feld sehen wir einen Mann, der unter einem Tier liegt und ihm gerade ein Schwert in den Bauch stößt. Wikipedia schreibt dazu: Eleazar tötet den Kriegselefanten des Königs Antiochus. Kurz gesagt: Es ist eine Geschichte aus dem Alten Testament. Sie soll sich etwa ein Jahrhundert vor Christi Geburt in Palästina abgespielt haben. Weitere Information im Anhang.

Als es schon Anschauungsmaterial über Elefanten gab: Eleazar-Darstellung um 1730. Quelle: Wikicommons

Als es schon Anschauungsmaterial über Elefanten gab: Eleazar-Darstellung um 1730.
Quelle: Wikicommons

Der Elefant der eigentlich ein Pferd ist

Das soll ein Elefant sein? Das sieht doch aus wie ein Pferd… Der Grund für die unrealistische Darstellung ist ganz einfach: Keiner dieser Künstler hat jemals einen lebendigen Elefanten gesehen! Dies hat dazu geführt, dass das fremdländische Tier den eigenen Vorstellungen angenähert wurde und die Holzschnitzer Merkmale anderer Tiere übernommen haben.

Der zeitgenössische Dialog könnte so geklungen haben: „Meister, wie sieht ein Elefant aus?“, fragte der Holzschnitzer. „Ein Elefant, ja, der ist etwas kräftiger als ein Pferd, hat längere Ohren als ein Pferd und an der Nase einen Rüssel“, antwortete der Meister. Und genau so sieht der sogenannte Elefant im Dom auch aus. Damit wurde ein anatomisches Kuriosum geschaffen.

Dieses kleine Bremer Geheimnis ist damit auch gelüftet.

Anhang:

Die kurze Aussage „Eleazar tötet den Kriegselefanten des Königs Antiochus“ bedarf weitere Erklärungen.

Eleazar

Hierzu schrieb der Kulturhistoriker Karl-August Wirth im Jahre 1957:

Eleazar der Makkabäer, der den Beinamen Abaron (Awaran; griech. Αὐαράν, Εαυαράν = Durch-Stecher?) trägt, hat für die bildende Kunst die meiste Bedeutung. Er war ein Bruder des Judas Makkabäus (1. Makk. 2, 5) und dessen Begleiter im Kampf gegen das Heer des Königs Antiochus Eupator. Als es zur Feldschlacht kam, entdeckte Eleazar, einer der Verteidiger Jerusalems, einen besonders großen und besser ausgerüsteten Kriegselefanten mit einem hölzernen Turm, der kunstvoll angegürtet war. Er hielt ihn für den des Königs und tötete das Tier, indem er es in den Leib stach. Das zusammenbrechende Tier erschlug den Makkabäer (1. Makk. 6, 43–46); durch diese Aufopferung konnte Eleazar jedoch nicht verhindern, daß die Juden der Übermacht wichen.

Ein Pferd als Elefant: Nur der Rüssel weist auf einen Dickhäuter hin. Foto: Peter Strotmann

Ein Pferd als Elefant: Nur der Rüssel weist auf einen Dickhäuter hin.
Foto: Peter Strotmann

Kriegselefanten

Kriegselefanten waren eine starke, wenn auch nicht weit verbreitete Waffe in der Militärgeschichte. Es handelte sich in erster Linie um asiatische Elefanten, seltener um afrikanische Elefanten (Altes Ägypten, Karthago), die zu Kriegszwecken bemannt und gerüstet wurden. Dabei wurden fast ausschließlich männliche Tiere verwendet, da diese schneller und aggressiver als die weiblichen Tiere sind.

1 Makk = 1. Buch der Makkabäer

Das erste Buch der Makkabäer (abgekürzt 1 Makk) ist ein deuterokanonisches Buch des katholischen und orthodoxen Alten Testaments (nicht aber des jüdischen Tanach), das kurz vor 104 v. Chr. von einem national gesinnten, gesetzestreuen und mit den Makkabäern sympathisierenden Juden in Palästina wahrscheinlich auf Hebräisch verfasst wurde.

In der Einheitsübersetzung der Bibel liest sich das erste Buch der Makkabäer, Kapitel 6 wie folgt:

1 Makk 6,43: Eleazar Awaran sah einen Elefanten, dessen Panzer königlichen Schmuck trug und der alle anderen Tiere überragte. Da er glaubte, darauf sitze der König,

1 Makk 6,44: opferte er sich, um sein Volk zu retten und sich ewigen Ruhm zu erwerben.

1 Makk 6,45: Er lief mutig auf ihn zu, mitten in die feindliche Schlachtreihe hinein, teilte nach links und rechts tödliche Hiebe aus und schlug sich eine Bresche durch die Reihen.

1 Makk 6,46: So drang er bis zu dem Elefanten vor, stellte sich unter ihn und durchbohrte ihn. Das Tier brach zusammen und fiel auf ihn, sodass er erdrückt wurde.

von Peter Strotmann

Jung, aber mit viel Geschichte

50 Jahre
Universität Bremen

50 Jahre sind seit der Gründung der Universität Bremen vergangen. Auf dem Weg von der vermeintlichen roten Kaderschmiede zur Exzellenzuniversität ist viel passiert: Wir haben den ersten sowie den aktuellen Rektor interviewt und mit Absolventen gesprochen – zu denen auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte gehört. Zudem hat uns ein Architekt über den Campus begleitet. Das Magazin der Reihe WK | Geschichte gibt es ab 18. September in den ­Kundenzentren des WESER-­KURIER, im Buch- und Zeitschriftenhandel, online unter www.weser-kurier.de/shop und unter 0421 / 36 71 66 16.

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