Edikt von 1768 gegen Auswanderung – William Penn warb für Siedlungsprojekt an der Weser
Bremen war mit Bremerhaven einer der wichtigsten Auswandererhäfen bis in die 1960er-Jahre. Von hier verließen mehr als sieben Millionen Menschen den alten Kontinent, um in Amerika ihr Glück zu suchen. In manchen Jahren, wie 1907 oder 1913, standen mehr als 250.000 Menschen an der Columbuskaje in Bremerhaven, um in eine bessere Zukunft aufzubrechen. Das waren mehr als 680 pro Tag.
Doch die Bremer Auswanderergeschichte begann schon viel früher. Bereits 1677 besuchte der englische Quäker William Penn Bremen, um für sein Siedlungsprojekt in der Neuen Welt zu werben. Seit einiger Zeit schon war er Besitzer großer Ländereien in New Jersey und wurde bald vom englischen König mit dem Privileg ausgestattet, die Kolonie Pennsylvania zu besiedeln.
Bremische Ratsherren und Kaufleute wurden Mitglieder der zu diesem Zwecke gegründeten Pennsylvanischen Compangnie, unter ihnen Johann Lebrun und der spätere Ratssyndikus Gerhard von Mastricht, den die Allgemeine Deutsche Biographie von 1884 mit den Worten würdigte, er habe „seinen Eifer für das Beste dieser Stadt durch gewissenhafte und geschickte Ausführung verschiedener ihm ertheilter Aufträge, die ihn an auswärtige Höfe führten“, bewiesen.
Da nach dem Dreißigjährigen Krieg ab 1648 nur noch Anhänger der katholischen, lutherischen und reformierten Bekenntnisse ihre Religion frei ausüben konnten, bot William Penn religiösen Minderheiten und christlichen Dissidenten eine neue Heimstatt in Amerika.
Der Name Bremen steht so schon in Verbindung mit der ersten größeren Ansiedlung von Deutschen in Amerika, Germantown bei Philadelphia, der Hauptstadt Pennsylvanias. 1683 ließen sich dort 13 Familien unter Führung von Franz Daniel Pastorius nieder. Sie waren allesamt Mennoniten, eine evangelische Freikirche, die ihren Glauben und ihre Lebensgestaltung sehr stark an der Bibel ausrichtete. William Penn hatte für dieses Siedlungsprojekt auch in Bremen geworben. In Folgejahren machten sich weitere Familien nach Pennsylvania auf, etliche bestiegen die Auswandererschiffe in Bremen.
So ganz unkompliziert war es mit der Auswanderung aus Deutschland aber nicht. „Ihro Römisch-Kayserliche Majestät“, der deutsche Kaiser Joseph II., erließ 1768 ein Edikt „wider das Auswanderen der teutschen Unterthanen“ in andere Länder. Verkehrte Welt: Heute bemühen sich fast alle Staaten, das Einwandern zu regulieren, damals wollte man das Auswandern unterbinden.
Die Verordnung gegen die Auswanderung richtete sich besonders an die Reichsstädte Lübeck, Bremen und Hamburg, „wo der Gemeinschädliche Unfug sothaner Werbungen, am häufigsten getrieben werde“ und forderte, solche Anreize zur Auswanderung bei scharfer Strafe gänzlich zu unterlassen.
Hinter solchen Erlassen und Dekreten stand die Furcht der Obrigkeit, der Fürsten und der Kirche, dass zu viele Menschen ihre angestammten Länder verlassen könnten. Den absolutistischen Herrschern galt eine große Bevölkerungszahl als Quelle wirtschaftlichen Wohlstands, bedeutete sie doch hohe Steuereinnahmen und viele Soldaten. Für die kritisierten Städte, vor allem auch Bremen, stellte das Edikt eine Bedrohung von Wirtschaft und Handel dar, denn Auswanderung und der Warenaustausch mit den englischen Kolonien in Amerika hatte für die Hansestadt bereits eine gewisse Bedeutung.
Aufsehen erregten 1776 12.000 Soldaten, die durch Bremen marschierten, um auf Seiten der Briten im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu kämpfen. Friedrich Schiller setzte ihnen in seinem Drama „Kabale und Liebe“ ein literarisches Denkmal, als er beschrieb, wie die württembergischen zwangsrekrutierten Soldaten „Juchhe, nach Amerika!“ brüllen mussten, als ihre Kameraden erschossen wurden, weil sie gefragt hatten, „wie teuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe“?
Fast 30.000 Söldner stellten die deutschen Fürsten dem britischen König George III. zur Verfügung. Das größte Kontingent, fast 17.000, kam aus Hessen-Kassel. Der Großteil von diesen hatte sich zu Fuß und per Schiff weserabwärts nach Bremen begeben und wurde am Geeste-Ufer in Lehe, heute ein Stadtteil von Bremerhaven, damals zum Kurfürstentum Hannover gehörig, auf englischen Seglern nach Nordamerika eingeschifft. Von den Hessen blieben 6500 in Nordamerika, insgesamt kehrten rund 17.000 der zwangsrekrutierten Soldaten nach Deutschland zurück.
Nach Ende des Unabhängigkeitskrieges 1783 setzte recht schnell der direkte Schiffs- und Handelsverkehr zwischen Bremen und den jungen USA ein. Und auch Auswanderer machten sich alsbald auf den Weg nach Amerika, kaiserliches Verbot hin oder her.
Ein Bremer Glasfabrikant sucht sein Glück
Eines der bekanntesten Beispiele ist der Glasfabrikant Johann Friedrich Amelung, 1741 oder 1742 in Bremen geboren, der 1784 mit 68 in Thüringen, Sachsen und Böhmen angeworbenen Glasbläserfamilien über Bremen nach Baltimore auswanderte und dort in der Nähe die New Bremen Glass Manufactory gründete. Eine Gruppe bremischer Bankiers hatte 10.000 britische Pfund investiert, das Schiff “Fame” gechartert, das neben den Auswanderern auch die maschinelle Ausstattung für drei Glasöfen transportierte.
Amelung hatte ungefähr fünf Hektar Land in der Nähe der Sugarloaf Monuntains in Frederick County gekauft, später vergrößerte er das Anwesen auf das dreifache. Führende Protagonisten der amerikanischen Unabhängigkeit wie George Washington, Thomas Jefferson oder Benjamin Franklin setzten sich für sein Projekt ein.
Die lokale Erzählung schildert, wie Amelung nach Mount Vernon, dem Sitz Washingtons, reiste, um Unterstützung für seine Glasmanufaktur einzuholen. Bis 1790 liefen die Geschäfte gut, dann hieß es, nachdem ihm neue Kredite verweigert wurden: „A bargain! A bargain! The subscribers offer for sale, the New Bremen Glass Works, and 2000 acres of Land.” Die New Bremen Glas Manufaktur plus rund acht Hektar Land standen als Schnäppchen zum Verkauf. Das war das Ende der Amelungschen Glasmanufaktur in New Bremen, Maryland. Er selber starb 1798.