Mit Peter Strotmann auf Entdeckungstour: Die Hochwasser-Marken von 1880/81 in Horn und Oberneuland

Wer die Augen offen hält, entdeckt so ziemlich überall Spuren der Geschichte. Oft nur unscheinbare Hinweise, die nicht immer selbsterklärend sind. Das gilt auch für Inschriften an alten Häusern. Denn was kann man ohne sachkundige Erläuterung heute schon mit der kryptischen Zahlenfolge „1880/28“ anfangen? Einer, der sich damit auskennt, ist Bremen History-Autor Peter Strotmann. Folgen Sie ihm auf seiner Entdeckungstour durch Horn und Oberneuland.

Die geschnitzte Holztafel ist auf der Deichkrone vor dem Niederblocklander See aufgestellt.
Foto: Peter Strotmann

Beim Wümme-Deichbruch vom 29. Dezember 1880 wurde die mehr als 30 Quadratkilometer große Fläche des Blocklandes unter Wasser gesetzt. Auch die niedrig gelegenen Teile von Findorff, Schwachhausen und Lilienthal waren überschwemmt. Beim Hochwasser vom 13. März 1881 waren Teile der Bremer Altstadt, die Neustadt, aber auch die bereits vom Hochwasser vom 29. Dezember 1880 in Mitleidenschaft gezogenen Gebiete betroffen.

Das Ausmaß dieser über Monate dauernden Hochwasserkatastrophe muss die Bevölkerung sehr beeindruckt haben. Zur Erinnerung wurden an Häusern und sonstigen markanten Stellen Hochwassermarken angebracht. Wahrscheinlich sind viele dieser Marken im Laufe dieser Zeit verloren gegangen. Im Nachhinein sei festgestellt, dass kein anderes Hochwasser je die Höhe von 1880/81 erreicht hat.

Auch hier stand das Wasser: Herrenhaus des Gutes Holdheim.
Foto: Peter Strotmann

Erinnerungstafeln Teil 1: Blockland, Oberneuland, Horn

01 Blockland: Niederblockland 14/15

Der Wümmedeich brach am 29. Dezember 1880 zwischen den Häusern Niederblockland 14 und 15. Man kann wirklich von Glück sprechen, dass weder ein Haus beschädigt wurde noch der Verlust von Menschenleben zu beklagen war.

Beim Deichbruch schoss das aufgestaute Wümmewasser mit einer enormen Wucht ins Blockand hinein. Direkt am Deich spülte es ein acht Meter tiefes Loch aus. Das ist heute noch an der Binnenböschung vorhanden und trägt den Namen Niederblocklander See. Dort, wo der Deich brach, wurde vor einigen Jahren auf der Deichkrone eine geschnitzte Holztafel aufgestellt. Sie zeigt ein Bild des Deichbruchs und die Inschrift: „Erinnerung an den letzten Wümme-Deichbruch vom 29. Dez. 1880.“

 

02 Oberneuland: Apfelallee 30, Gut Holdheim

Auch an den Rändern von Oberneuland war das Hochwasser 1880/81 eingedrungen. 2006 entdeckte und fotografierte der Oberneulander Heimatforscher Thomas Rosema die Hochwassermarke „13. März 1881“ am Herrenhaus des Gutes Holdheim. Dort war es vermutlich von der Familie des bereits 1877 verstorbenen Besitzers, des Arztes und Naturforschers Gustav Woldemar Focke (1810 bis 1877), angebracht worden.

Die Hochwassermarke „Wasserstand 1881“ ist an der Rückseite des Hauses angebracht. Der Höhenunterschied zur Straße Achterdiek, geschätzt um 1,8 Meter Foto: Peter Strotmann

Die Hochwassermarke „Wasserstand 1881“ ist an der Rückseite des Hauses angebracht. Der Höhenunterschied zur Straße Achterdiek, geschätzt um 1,8 Meter
Foto: Peter Strotmann

Das in Oberneuland gelegene Herrenhaus des Gutes Holdheim (Apfelallee 30) ist ein einstöckiges klassizistisches Bauwerk aus dem Jahre 1809, es steht heute unter Denkmalschutz und ist Teil einer Eigentumswohnanlage.

Es sei noch gesagt, dass eine identische gusseiserne Hochwassermarke in der St. Martini-Kirche vorhanden ist. Vermutlich ist die Marke mehrfach hergestellt und an etlichen Häusern und sonstigen markanten Stellen angebracht worden.

 

03 Horn: Achterdiek 71

Dieses Schild „Wasserstand 1881“ befindet sich an dem Haus Achterdieck 71 in Horn. Es ist von einem Schlosser „handgemacht“. Das Haus liegt auf einer Wurt.

Bis hierhin und nicht weiter: Hochwassermarke rechts neben der Haustür. Foto: Peter Strotmann

Bis hierhin und nicht weiter: Hochwassermarke rechts neben der Haustür.
Foto: Peter Strotmann

Das Schild ist etwa einen Meter über dem Wurtniveau angebracht. Da kann man sich vorstellen, dass das Wasser im Haus etliche zehn Zentimeter hoch gestanden hat. Auch der Blick aufs Haus zeigt, dass das Wasser möglicherweise ein Meter achtzig bis zwei Meter über dem Straßenniveau aufgelaufen war.

 

04 Horn: Klattendiek 1

Am Eckhaus Klattendiek 1/ Horner Heerstraße ist ebenfalls ein „handgemachtes“ Schild angebracht.

Hier ist das Datum „29. Dez. 1881“ in den Putz eingeritzt und mit einem Rahmen umgeben. Durch mehrmaliges Überstreichen war die eingeritzte Inschrift nicht mehr exakt erkennbar. Da hat der Maler die „29“ mit einer „28“ ausgemalt und den Dez. überhaupt nicht. Das ließe sich sicher noch ändern bzw. nachholen.

Hochwassermarke am Haus Klattendiek 1.
Foto: Peter Strotmann

Es folgen noch:

 

Teil 2

05 Schwachhausen: Bürgerpark, Gräfin-Emma-Bank

06 Schwachhausen: Bürgerpark, Polizeiwache Parkallee

 

Teil 3

07 Mitte: Tiefer, Wilhelm-Kaisen-Brücke

08 Mitte: Hinter der Holzpforte 2, Concordenhaus

09 Mitte: Martinikirchhof 3, St. Martini-Kirche

10 Neustadt: Buntentorsteinweg, Deichschart

von Peter Strotmann

In einer früheren Version war fälschlicherweise von „Klattenweg“ statt „Klattendiek“ die Rede. Dieser Fehler ist dank eines Leserhinweises korrigiert.

Titel Verbrechen Magazin

Verbechen in Bremen und der Region

Giftmischer, Bombenleger, Messerstecher

16 Kriminalfälle vom Pferderipper über den Bunkermord, Adelina und die immer noch vermisste Jutta Fuchs bis zu einem mysteriösen Vergiftungsfall sind in unserem neuen Magazin WK|Geschichte-Extra „Verbrechen in Bremen und der Region“ aufgearbeitet. Außerdem kommen eine Bremer Krimibuchautorin und ein Phantomzeichner zu Wort.

Jetzt bestellen