Der „Schlachtepark“ – eine vergessene Flaniermeile

Vor 30 Jahren begann mit dem ersten Kajenmarkt die Wiederbelebung der Schlachte in Tradition des früheren „Schlachteparks“ / Teil 5 der Schlachte-Serie

In den 1970er Jahren galt die Schlachte als Sorgenkind. Direkt an der Weser befand sich ein Parkplatz, als Durchgangsstraße war die Schlachte alles andere als attraktiv. Erst vor 30 Jahren zog mit dem Kajenmarkt neues Leben in das alte Hafenareal ein. Eine spürbare Aufwertung, die sich sukzessive fortsetzte. Heute ist die Schlachte eine beliebte Flaniermeile. Und knüpft damit an längst vergessene Zeiten zu Beginn des vorigen Jahrhunderts an, als der „Schlachtepark“ schon einmal zahlreiche Spaziergänger anlockte.      

Bei den verheerenden Überschwemmungen von 1880/81 stand fast das gesamte Stadt- und Landgebiet unter Wasser. Auch die Schlachte war davon betroffen, monatelang war der Schiffs-und Hafenbetrieb gestört. Durch die Wassermassen kam es zu Schäden an der Ufermauer und zu Unterspülungen. Eine Spätfolge davon war der Zusammenbruch der Ufermauer am Kran Nummer 2 im Jahre 1886.

Die an der Bremer Altstadt gelegene Schlachte war schon lange kein Seehafen mehr. Lediglich kleine Binnenschiffe konnten noch Bremen erreichen. Die Weser war versandet und hatte im Stadtbereich nur noch einen Tidenhub von 20 Zentimetern. Deshalb beauftragte man 1875 den Wasserbauingenieur Ludwig Franzius (1842 bis 1903), die Weserkorrektion zu planen. Damit sollte der einträchtige Handel und der Seeverkehr mit Hochseeschiffen wieder in den Stadtbereich geholt werden.

Nach fast zwölfjähriger Planung konnten die Arbeiten 1887 endlich in Bremen beginnen. Bremerhaven war 1895 erreicht (Kosten: 40 Millionen Mark und nochmals 40 Millionen Mark für den Abschnitt von Bremerhaven bis in die offene See). Allerdings baute man von 1885 bis 1888 auch den Freihafen I, den Europahafen (Kosten: 25 Millionen Mark). Dieser flussabwärts vom alten Stadtkern gelegene Hafen war erfolgreich und so plante und baute man weitere Häfen. Zuletzt 1906 den Freihafen II, den Überseehafen.

Schon besser: die Schlachte mit Blick auf die St. Martini-Kirche 1906. Der Promenaden-Park ist jetzt angelegt.
Quelle: Peter Strotmann

Eine Promenadenanlage entsteht

Mit dem Bau der Häfen war man schon 1892 drauf und dran, die Schlachte „dichtzumachen“. Die Anwohner wollten 15.000 Mark für die Umwandlung zu einer Promenadenanlage beisteuern. Doch die Bremer Bürgerschaft lehnte die Vorlage des Senats ab. Denn die Schlachte war bereits seit jeher in ihrer gesamten Ausdehnung mit Bäumen bepflanzt, wodurch sie eigentlich einen ganz freundlichen und anheimelnden Charakter hatte.

Die Bürgerschaft sah vor allem den hohen Finanzbedarf für die Weserkorrektion und den Hafenbau. Viel hatte beides schon gekostet und würde noch mehr kosten. So hatte Bremen in den Jahren 1901/02 bei einem Staatshaushalt von etwa 24 Millionen Mark an Einnahmen bereits eine Staatsschuld von 194 Millionen (Meyers Großes Konversations-Lexikon, 1905).

Erst 1898, als die Anwohner 30.000 Mark bereitstellen wollten, sagte auch die Bürgerschaft zu. Aber es ging offensichtlich immer noch zögerlich voran.

Im Buch „Bremen und seine Bauten 1900“ ist zu lesen: „Jetzt ist nur noch eine kurze Strecke dieser ältesten, ersten Lösch- und Ladestelle in Benutzung, der etwa 70 Meter lange Teil unterhalb der Kaiserbrücke. Es sind hier an der letzten Schlachtpforte Treppen zum Löschen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und eine Anlagestelle für Dampfschiffe. Der obere alte Teil der Schlachte mit Krananlagen zum Ent- und Beladen von  Schiffen und Wagen ist in diesem Jahr zu einer Promenadenanlage umgewandelt worden.“

Der „Schlachtepark“ ließ einige Jahre auf sich warten

Doch es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis man wirklich von einer Promenadenanlage „Schlachtepark“ sprechen konnte. Auf einer Ansichtskarte von 1906 macht sie im ersten Teilbereich schon einen guten Eindruck. Nach einer weiteren Ansichtskarte von 1925 zu urteilen ist sie von der Kaiserbrücke bis zur Ersten Schlachtpforte angelegt.

Die Bomben des Zweiten Weltkrieges zerstörten dann einen Großteil der Gebäude. Der Wiederaufbau erfolgte in den 1950ern. Die ehemalige Promenadenanlage verfiel.

Viele von uns werden die obere Schlachte noch in Erinnerung haben, wie sie bis Mitte der 1990er ausgesehen hat: Durchgangstraße, Parkplätze, ungepflegte Reste des ehemaligen Schlachteparks. Kein schöner Anblick.

In einem zeitgenössischen Bericht des Jahres 1976 lesen wir: Bremen ist dreckig. Und wenn wir es so lassen, wird die Stadt schön langsam und sinnig verdrecken. An der Schlachte ekeln wir uns vor: tierischen und menschlichen Exkrementen, Urin-Rückständen, Erbrochenem, Auswurf …

Reizvolle Perspektive: Blick auf die Obere Schlachte 1925. Die Promenadenanlage ist fertiggestellt.
Quelle: Peter Strotmann

Eine neue Blüte nach jahrelangem Verfall

Erst in 1980er Jahren erkannte man, welch Kleinod die Schlachte eigentlich ist: eine vielfältig zu nutzender, direkt an der Weser gelegener Uferstreifen. Mit dem Slogan „Stadt am Fluss“ kam es nun zum Aufbruch. Aber auch jetzt kostete es wieder viel Geld, um der Schlachte ein neues Gesicht zu geben. In der  Chronologie sieht es so aus:

1986 

kam der Kajenmarkt, der vom Frühjahr bis zum Herbst veranstaltet wird.

1993

Mit der Teerhofbrücke wurde eine fußläufige Wegeverbindung zwischen Altstadt und Neustadt über den Teerhof fertiggestellt.

1995

Eine Terrasse aus Granitsteinen wird angelegt.

ab 1998

erfolgt die Entwicklung zur Freiluftgastronomie „Schlachtemeile“ von der Heimlichenstraße bis zur Bürgermeister-Smidt-Brücke.

1999

Schiffe kommen an den Anleger. Die untere Schlachtepromenade ist verbreitert und gepflastert.

2000

Die Umgestaltung der Schlachte zur „Flaniermeile“ ist abgeschlossen. Kosten: etwa 60 Millionen Mark (etwa 30,6 Millionen Euro).

2004

Erstmalig wird der Schlachte-Zauber veranstaltet, ein historisch-winterlicher und maritimer Weihnachtsmarkt.

2007/2008

wird auch der westliche Teil der Schlachte (untere Schlachte) umgestaltet.

2009

Die Weserpromenade von der Schlachte bis zur Überseestadt wird eröffnet.

Die Situation heute: obere und untere Schlachte.
Fotos: Peter Strotmann

Und bei aller Feierlaune darf man nicht vergessen, dass die historische Schlachtemauer auch einer Sturmflut und einem Hochwasser standhalten muss. Da über den Bau der Mauer keine Pläne mehr vorliegen, man aber weiß, dass sie auf – inzwischen sicherlich vermoderten – Holzpfählen, Sand und Schutt ruht, hat man 2004 vorsichtshalber einen 170 Tonnen-Belastungstest durchgeführt. Das Ergebnis: Die über 400 Jahre Sandsteinmauer wird bei geringfügiger Erhöhung der Oberkante auch bei höheren Sturmflutwasserständen ausreichend stabil sein.

Na dann, auf zur Schlachtemeile!

von Peter Strotmann

Ganz schön grün: der „Schlachtepark“ um 1907, eine Flaniermeile mit geschlängelten Spazierwegen. Das markante Gebäude ist die ehemalige Reisbörse in ihrer ursprünglichen, historistischen Erscheinungsform.
Quelle: Peter Strotmann

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