Bremer NS-Presse lobte 1933 noch die Comedian Harmonists – ein Jahr später durften sie nicht mehr auftreten

Sie wurden bekannt mit Liedern wie „Mein kleiner, grüner Kaktus“, „Wochenend’ und Sonnenschein“ oder „Veronika, der Lenz ist da“, füllten Konzerthallen in ganz Europa: die „Comedian Harmonists“. Auch in Bremen und Bremerhaven wurden sie bei ihren Konzerten im April 1931 frenetisch gefeiert. Allerdings reagierte die Theater- und Konzertwelt zunächst verhalten auf die sechs jungen Männer im Frack. Das weltberühmte Astoria-Varieté ließ eine Auftrittsanfrage unbeantwortet, auch andere lokale Konzertveranstalter reagierten zugeknöpft, als das Vokalensemble anklopfte. Ein Konzert dieser Art brächte in der Hansestadt schlichtweg keinen Erfolg, hieß es.

Die Comedian Harmonists ante portas: Anzeige für das Konzert am 7. Februar 1934 in Bremerhaven.
Quelle: Comedian Harmonists Archiv

Weit gefehlt, wie sich bald zeigen sollte. Als sich eine Agentur doch noch bereit fand, ein Konzert auf die Beine zu stellen, wurde schon beim Vorverkauf klar, dass das Bremer Publikum den „Comedian Harmonists“ alles andere als reserviert gegenüberstand. Über den Auftritt am 24. April 1931 im Veranstaltungshaus des kaufmännischen Vereins „Union“ an der Wachtstraße/Ecke Tiefer schrieben die „Bremer Nachrichten“: „Der voll besetzte große Saal der Union spendete diesen humoristischen Sängern einen von Lied zu Lied steigenden Beifall, der schließlich einen seltenen Grad der Begeisterung entfachte.“

Gegründet wurde das Ensemble zur Jahreswende 1927/28 in Berlin auf Betreiben von Harry Frommermann, der eine Besetzung für seine Idee eines Vokalensembles in Anlehnung an die amerikanischen „Revelers“ suchte. Er fand sie schließlich in Robert Biberti, Erich Collin, Roman Cycowski, Ari Leschnikoff und dem Pianisten Erwin Bootz. Dass Frommermann, Collin und Cycowski jüdischer Herkunft waren, sollte dem Erfolgsensemble zum Verhängnis werden.

Parallel zum kometenhaften Aufstieg der Sänger mit mehr als 100 Konzerten pro Jahr stieg die NSDAP auf. Kurz nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 begannen Angriffe auf das jüdische Leben in Deutschland. Diese fanden schließlich im „Judenboykott“ vom 1. bis zum 4. April ihren Höhepunkt. Im ganzen Reich plünderten SA-Trupps jüdische Geschäfte, misshandelten und verschleppten deren Inhaber oder ermordeten sie gar.

Am 31. März 1933, von den Vorkommnissen im Land alarmiert und selbst massiv bedroht, sagten die „Comedian Harmonists“ „auf Grund von politischer Lage“ sämtliche Konzerte der folgenden 14 Tage ab. Dies betraf auch die Veranstaltungen in Bremen am 7. April sowie in Bremerhaven am 9. April. Nur auf Drängen und nach Versicherung der lokalen Agentur, dass es keinerlei Störungen durch die neue Staatsgewalt geben werde, trat das Ensemble schließlich doch in den ausverkauften Centralhallen auf.

Selbst die „Bremer Nationalsozialistische Zeitung“ konstatierte begeistert: „Wie wundervoll, wie echt empfunden, wie schlicht und fein perlen die Töne dieser uralten Weisen an unser Ohr!“ und schien dabei vollkommen auszublenden, dass die Gesangsgruppe drei „nicht-arische“, jüdische Mitglieder in ihren Reihen hatte. Die Angebote der regionalen Konzertagenturen überschlugen sich in den nächsten Wochen. Doch es sollte fast ein Jahr dauern, bis die „Comedian Harmonists“ in den Norden zurückkehrten.

Silvestergrüße 1929/30 mit gezogenem Hut: (v. l.) Robert Biberti, Erich Collin, Roman Cycowski, Erwin Bootz, Ari Leschnikoff und Harry Frommermann.
Quelle: Comedian Harmonists Archiv

Bis dahin hatte sich die Situation der deutschen Juden weiter verschlechtert. Für jüdische Künstler gab es durch die Vorschriften der Reichsmusikkammer keine Arbeits- und Lebensgrundlage mehr. Die Mitgliedschaft in dieser Institution war für die künstlerische Berufsausübung verpflichtend, wurde aber nur an „Arier“ vergeben. Zwar standen die „Comedian Harmonists“ aufgrund ihrer Bekanntheit zunächst noch unter einem gewissen Schutz, gerieten aber im Frühjahr 1934 ebenfalls in den Fokus. Zu diesem Zeitpunkt waren sie die letzte prominente Künstlergruppe mit jüdischen Mitgliedern, die noch in Deutschland auftrat. Bereits seit Ende des Vorjahres hatten sich Anfragen von Konzertveranstaltern nach der „arischen Abstammung“ der Gruppe gehäuft, waren Bitten nach einem „den Zeitverhältnissen angepasstem Programm“ mit möglichst vielen deutschen Volksliedern laut geworden, wurde von einer öffentlichen Namensnennung der Ensemblemitglieder abgeraten.

Tatsächlich drohte für das Konzert in der Bremerhavener Stadthalle am 7. Februar 1934 erstmals ein Auftrittsverbot. Doch es konnte mithilfe des Veranstalters abgewendet werden. Die „Wesermünder Neueste Nachrichten“ mischten sich in die Diskussion um den wenig deutsch klingenden Ensemble-Namen ein und konstatierten: „Also lassen wir schon den anglisierten Namen und denken wir zugleich daran, dass ihre Träger waschechte deutsche Sänger und Musiker sind, die, wie man es sich zuflüstert, allesamt aus Stettin stammen sollen. Wie sie mit bürgerlichem Namen heißen, spielt absolut keine Rolle, denn diese sechs Menschen sind eine Einheit, wie man sie in dieser Form und dieser Vollendung noch auf keiner Konzertbühne sah.“

Bremerhaven als Wendepunkt

Auch der Bericht der „Weser-Zeitung“ über das am nächsten Tag in der „Union“ angesetzte Konzert in Bremen stellte klar: „Die Bezeichnung, die sich die unzertrennlichen Sechs beigelegt haben, deutet darauf hin, dass sie international sind; dennoch sind sie gute Deutsche, die sich berufen und getrieben fühlen von deutschem Wesen und deutscher Art auch im Ausland zu singen, Künder deutschen Volkstums, die mit ihrem Singen in allen großen Weltstädten an die Seele des Volkes rühren, auch wenn sie ihre Lieder und Schlager in deutscher Sprache vortragen.“

Doch Bremerhaven bildete den Auftakt zu weiteren Verboten und Störungen der „Comedian Harmonists“-Konzerte. Offiziell wurden unter Vorbehalt nur noch alle Verbindlichkeiten bis zum 30. April 1934 genehmigt und eine Entscheidung über den Fortbestand des Ensembles hinausgezögert. Zwar brandeten ihnen nie dagewesene Begeisterungsstürme und Sympathiebekundungen des Publikums entgegen. Doch schon wenige Wochen nach Bremerhaven, am 25. März 1934 in Hannover, fand das letzte Konzert der „Comedian Harmonists“ auf deutschem Boden statt.

Einmal Luft holen in einer Konzertpause: Harry Frommermann, Roman Cycowski, Erich Collin, Ari Leschnikoff, oben links Robert Biberti, oben rechts Erwin Bootz.
Quelle: Comedian Harmonists Archiv

Da eine Tätigkeit in Deutschland jetzt ausgeschlossen war, einigten sich die Mitglieder darauf, nur noch im Ausland aufzutreten. Nach kurzen Gastspielen in Dänemark und Norwegen fuhren sie Anfang Mai mit der „Europa“, einem Schwesterschiff des Schnelldampfers „Bremen“, von Bremerhaven nach New York. Doch trotz der außerordentlich guten Voraussetzungen für einen Neustart in Übersee konnte sich das Ensemble nicht auf einen Verbleib in den USA einigen und kehrte Ende Juni nach Deutschland zurück. Es folgten Konzerte in Paris, eine Tournee durch Italien und Auftritte in den Niederlanden, Dänemark und Norwegen. Das allerletzte Konzert der „Comedian Harmonists“ fand am 23. Januar 1935 im norwegischen Fredrikstad statt.

Denn am 22. Februar 1935 erhielten alle Mitglieder einen Brief der Reichskulturkammer. Die „Arier“ des Ensembles wurden in selbige aufgenommen, den drei „Nicht-Ariern“ das Recht auf Berufsausübung endgültig entzogen: das „offizielle“ Ende der „Comedian Harmonists“. Allerdings hatte sich bereits Monate vorher im Ensemble schleichend ein Bruch in zwei Lager vollzogen. Das Kalkül der Nationalsozialisten war aufgegangen. Obwohl überall gefeiert, regte sich gegen die Zerschlagung des weltberühmten Vokalensembles keinerlei Protest in Deutschland.

„Nicht-Arier“ emigrierten nach Österreich

Die „Nicht-Arier“ Collin, Cycowski und Frommermann emigrierten zunächst nach Österreich, gründeten die „Comedy Harmonists“ und feierten weltweit große Erfolge, bis sich die Formation 1940 in Amerika auflöste. Biberti, Bootz und Leschnikoff versuchten mit ihrer Nachfolgegruppe, „Das Meistersextett“, an die alten Erfolge anzuknüpfen und gastierten auch noch einige Male in Bremen und Bremerhaven. Doch interne Zerwürfnisse und das Auftrittsverbot durch die Reichsmusikkammer bedeuteten 1941 auch ihr Aus. Zwar überlebten alle sechs ehemaligen Ensemble-Mitglieder der „Comedian Harmonists“ den Zweiten Weltkrieg, traten aber nie wieder gemeinsam auf.

Ihre letzte große Renaissance mit breitem öffentlichen Interesse hatte das Ensemble in den 1990er-Jahren. Es gab Buch- und CD-Veröffentlichungen, sogar einen Kinofilm und Theaterstücke. So auch in Bremen, wo die „Shakespeare Company“ eine viel umjubelte Inszenierung auf die Bühne brachte. Postum erhielten 1998 alle sechs Ensemble-Mitglieder den Musikpreis „Echo“ für ihr Lebenswerk.

Doch auch heute bleiben ihre Lieder und ihr einzigartiger Stimmklang unvergessen, leben die „Comedian Harmonists“ weiter. Ihr Gründer Harry Frommermann lebte seit 1962 in Bremen. Er starb 1975 und wurde auf dem Riensberger Friedhof beigesetzt.

Die Comedian Harmonists, hier im Mai 1934 auf der „Europa“ auf dem Weg nach New York, feierten auch in Bremen Erfolge (von links): Robert Biberti, Ari Leschnikoff, Erich Collin, Roman Cycowski, Harry Frommermann und Erwin Bootz.
Quelle: Comedian Harmonists Archiv

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