Mit der Kunst-Krypta sorgte Peter Hagenah für eine neue Sehenswürdigkeit / Umgebauter Erdbunker in den Wallanlagen

Eigentlich wollte der erst 21-jährige Peter Hagenah in dem angemieteten Erdbunker Bilder ausstellen. Doch daraus wurde nichts, in den früheren Bunkerräumen war es zu feucht. Deshalb verlegte er sich auf Keramik. Mit Erfolg: Fünf Jahre nach der Eröffnung sorgte die Kunst-Krypta 1954 auch international für Aufsehen. Nur die Bremer Behörden machten Ärger: Mit der Umgestaltung des Eingangsbereichs konnte sich das Bauamt nicht anfreunden.  

Den Weg durch die Bischofsnadel an der „Kunst-Krypta“ vorbei in Richtung Schwachhausen bin ich als Kind und Jugendlicher mehr als oft gegangen. Selbstverständlich machte ich stets einen kleiner Schwenker zu den Ausstellungsfenstern, in denen man so ganz besondere Keramik ausstellte. Die Treppe nach unten, wo sich die Verkaufsräume befanden, war steil, eng und dunkel. Da wagte ich mich nur bei guter Beleuchtung bis zur Türe hinunter. Wie ich mich erinnere, suchte ich 1961 nach einem Geschenk und war damals einmal kurz in den Ausstellungsräumen. Die Räume, mit Tonnengewölben, waren nur spärlich beleuchtet. An den Wänden befanden sich Holzregale mit keramischen Gefäßen. Da die Preise der dort ausgestellten Kunstkeramik jedoch mein Taschengeld-Budget um ein Dutzendfaches überschritten, schlich ich mich bald wieder hinaus.

Natürlich wusste ich nicht, dass die „Kunst-Krypta“ ein umgebauter Erdbunker war. Ich bewunderte mehr die geschwungene, fließende Form des Einganges, dessen Schönheit in mir eine gewisse Lebensfreude auslöste. Insgeheim überlegte ich mir immer wieder, wie man so etwas wohl herstellen könne.

Viele Erdbunker in Bremen

Dass es in Bremen eine große Anzahl Erdbunker gegeben hat und auch immer noch gibt, das habe ich bis vor kurzem nur geahnt. Als ich 2010/11 für mein Buch „350 Objekte in der Bremer Neustadt“ recherchierte,  bin ich auch dem Thema Erdbunker näher gekommen. Als Bremen am 18. Mai 1940 den ersten Luftangriff (von insgesamt 173 bis zum 24. April 1945) erlebte, begann man verstärkt Luftschutzanlagen für die Zivilbevölkerung zu bauen.

Als einfachste Maßnahme stützte man die Decken von Kellerräumen ab und funktionierte sie so zu Luftschutzkellern um. Doch auch außerhalb der Wohnhäuser entstanden auf öffentlichen Plätzen, Parks, Schulhöfen usw. in den Erdboden eingelassene kleinere Bunker. Diese „Sonderbauten“, wie man das Programm nannte, hatten meist nur dünne Wände und Decken und schützten nur gegen Splitter. Ein direkter Bombentreffer zerstörte sie meist und es waren oft viele Todesopfer zu beklagen. Deshalb startete man im Herbst 1940 mit der Errichtung von Hochbunkern, die bombensicherer sein sollten.

Auch in Bremens Wallanlagen baute man zahlreiche Erdbunker hinein. Da seinerzeit alles unter größter Geheimhaltung vor sich ging, wurden gegen Kriegsende 1945 fast alle Unterlagen vernichtet oder werden womöglich in mir unbekannten Archiven gelagert. Auch die Anzahl, Lage und Größe der Anlagen ist nicht bekannt. So soll es in den Wallanlagen vom Osterdeich bis zum Herdentor sechs Erdbunker geben oder gegeben haben.

Einer davon lag rechts neben dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Stadttheater (heute Theaterberg), rechts gegenüber der Bischofsnadel. Der Bunkereingang befand sich oben auf der Straße am Wall und eine Treppe führte nach unten in die 120 Quadratmeter großen Bunkerräume. Den Bunker riss man 1968 komplett ab.

Zu viel Feuchtigkeit für Bilder

Aber der Reihe nach. 1949 mietet sich der erst 21 Jahre alte Kunsthändler Peter Hagenah eben diesen Bunker mit der Absicht, dort eine Kunsthandlung zu eröffnen. Doch den ersten probeweise aufgehängten Bilder bekommt das feuchte Klima der unterirdischen Höhle überhaupt nicht. Da beschließt er, sich auf Keramiken zu konzentrieren. Um ansprechende Verkaufsräume zu schaffen, mussten erst dicke Wände durchbrochen, Nischen aus dem Mauerwerk herausgeschlagen werden, Installationen gelegt werden. Doch mit Hilfe von Freunden und einem Maurergesellen gestaltet er die Räume nach seinen Vorstellungen um. Auch ein Name ist bald gefunden: „Kunst-Krypta“ (Krypta=das Verborgene).

Aber welche Keramiken sollte er ausstellen und verkaufen? Auf Messen und Fachgeschäften war der Verkauf von „Töpferwaren“ üblich. Doch es gab auch Künstler, die zeitgemäße keramische Unikate herstellten. Da befällt ihn der „Bacillus Ceramicus“, wie er von sich selbst sagt. Bis zur Schließung der Kunst-Krypta im Jahre 1962 wird er Keramiken von 112 Künstlern ausgestellt haben. Zur Eröffnung einer neuen Ausstellung lockte er Interessierte mit dem Motto: “Peter HAGENAH lädt ein.“

Erster Bauantrag nicht genehmigt

War nun auch schon das Innere des Erdbunkers umgestaltet, musste der Eingang noch einladender werden. Dazu reichte er im Sommer 1951 einen Bauantrag mit dem Entwurf des Architekten Julius Jäckel ein und bekam ihn mit dem Vermerk „Nicht genehmigt“ zurück.

Nun beginnt eine verkehrte Welt: Ungefragt bereitet der damalige Parkdirektor die Baustelle vor und lässt eine Reihe Rhododendronbüsche umsetzen. Der Senator für Schulen und Erziehung, Kunst und Wissenschaft sowie andere Stellen dulden den Umbau im Stillen. Mit dieser Rückendeckung lässt Peter Hagenah den Umbau am 1. Oktober 1951 anlaufen.

Doch der Bausenator lehnt das Vorhaben weiter vehement ab. Peter Hagenah erhält Strafandrohungen, einstweilige Verfügungen, der Bau wird durch Polizisten abgesperrt, es folgen Gerichtsverhandlungen, Androhung von vier Wochen Haft bei Weiterbau, Aufforderung zum sofortigen Abriss. Doch er baut mit großem Einsatz weiter. Am 4. Dezember 1951 ist der Bau fertig und alle Welt ist begeistert. Es sei ein Werk geschaffen, das einem Antoni Gaudi nichts nachstehe, heißt es. Die Glückwünsche kommen von allen Seiten. Es ist eine Bremer Sehenswürdigkeit entstanden. Darüber berichtet sogar das Magazin Life im Mai 1954.

Erdbunker 1968 abgerissen

1962 gab Peter Hagenah seine Kunst-Krypta auf. Anschließend stand der unterirdische Keller leer. Nur das Schaufenster nutzte das Jugendheim Alt-Aumund eine Zeit lang, um künstlerische Arbeiten seiner Gruppen auszustellen. Aber aus Sicht des Bauamtes bleibt das Ganze ein Schwarzbau. 1968 wird der Abriss des gesamten Erdbunkers samt Eingang verfügt. Auch wenn bei Wikipedia steht: Es hätte dagegen Proteste gegeben. Es ist im Weser-Kurier der Jahre 1962 bis 1969 kein entsprechender redaktioneller Artikel oder Leserbrief zu finden.

1966 siedeln Peter Hagenah (geboren 1927) und Frau Lisa von Bremen nach Otterndorf um. Von 1966 bis 1983 tritt er als Berater und Vermittler beruflicher Rehabilitation auf. Von 1967 bis 1983 laufen unter seiner Verantwortung Keramikausstellungen in Syke und von 1975 bis 2007 veranstaltet er Keramikausstellungen in Otterndorf. 1996 erhält er aus der Hand des amtierenden Bundespräsidenten die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland wegen seiner Verdienste um die keramische Kunst der Gegenwart.

Seine letzte Ausstellung gestaltet er 2007 in Otterndorf. Damit hat ihn der „Bacillus Ceramicus“, den übrigens auch seine Frau Lisa befallen hat, über 50 Jahre begleitet.

von Peter Strotmann

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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