Vom Esighaus zum Essighaus, Teil 1: Die Geschichte des Hauses an der Langenstraße 13 (heute 21) von 1618 bis 1945

Anlehnungsbedürftig: die gerade einmal 7,14 breite Vorderfront des Essighauses, hier auf einer Ansichtskarte um 1910. Quelle: Werbung Essighaus/Peter Strotmann

Anlehnungsbedürftig: die gerade einmal 7,14 breite Vorderfront des Essighauses, hier auf einer Ansichtskarte um 1910. Quelle: Werbung Essighaus/Peter Strotmann

In den letzten Wochen und Monaten bin ich von verschiedenen Seiten auf das sogenannte Essighaus, Langenstraße 21*, angesprochen worden. Die einen finden es bedauerlich, dass nach 1945 nur noch die Fassade des Erdgeschosses wieder aufgebaut wurde, andere wollen sich für die Wiederherstellung der kompletten Fassade einsetzen. Somit wird das Essighaus Thema bei Bremen History.

Als Lüder von Bentheim 1613 starb, hatte er 1612 noch die Fassade der Rathauses neu gestalten können. 1618 begann der Dreißigjährige Krieg. Es war das Jahr, als auch Bau des Essighauses vollendet wurde. Es hatte eine Fassade ganz aus Sandstein im Stil der Weserrenaissance, aber mit vielen Elementen des Barock. Man vermutet, dass von Bentheim auch diese Fassade entworfen habe. Das Haus war nur 7,14 Meter breit und hatte fünf  Vollgeschosse. In den unteren Etagen standen zwei rechteckige Utluchten vor. Das Portal war zentral mit einem ovalem Oberlicht angeordnet. Außer der Datierung 1618 befand sich über den Utluchten diese Inschrift:

    HAS●NEIT●ABGUNST●IST●GAR●UMSONST

    WAS●GOT●BESCHERET●BLEIB●UNERWERET

Maritimer Flair: der hintere Teil der Diele des Essighauses. Quelle: Werbung Essighaus/Peter Strotmann

Maritimer Flair: der hintere Teil der Diele des Essighauses. Quelle: Werbung Essighaus/Peter Strotmann

Das ist jedenfalls das Ergebnis meiner Recherche. Aber dazu werde ich noch in einem Essighaus-Spezial berichten.

Um den Leser nicht mit allzu viel Text zu langweilen, ist hier die Geschichte des Essighauses von 1618 bis 1945 chronologisch aufgezeichnet.

*In die 1960ern wurde die Langenstraße neu durchnummeriert. Bis dahin hatte das Essighaus die Hausnummer 13.

1618

Das lange, schmale, aber prächtige Giebelhaus im Stil der Weserrenaissance wird erbaut. Es ist das Eigentum von Kaufleuten, die dort auch ihre Kontore hatten. Bauherr war der Ratsherr Harmen Esich. Über zwei Jahrhunderte ist es das „Esighaus“.

1824

Conrad Büchner richtet in dem Haus Langenstraße 13 eine Brauerei für Weiß- Braun- und Schiffsbier ein. Von 1850 bis 1855 wird nur noch Weinessig hergestellt. Der Volksmund nennt das Haus „Essighaus“. Es ist eine „Verklitterung“ von Esig zu Essig.

1859

Nachfolger Heinrich Rasch betreibt nur noch eine Essigfabrik.

1896

Auch ein Bestandteil des Essighauses: das Barockzimmer. Quelle: Werbung Essighaus/Peter Strotmann

Auch ein Bestandteil des Essighauses: das Barockzimmer. Quelle: Werbung Essighaus/Peter Strotmann

Heinrich Rasch verlegt seinen Betrieb zur Osterstraße 22. Das Haus Langenstraße 13 steht leer und verwahrlost. Es kommt das Gerücht auf, dass das South Kensington Museum in London die Fassade erwerben wolle.

1897

Die Weinhandelsfirma Reidemeister & Ulrichs wird Eigentümer und der Architekt Albert Dunkel baut das Haus in ihrem Auftrage in eine Gastwirtschaft um, das „Alt-Bremer-Haus“.

Die Gasträume waren gediegen eingerichtet, u.a. gab es eine Diele, Wohnstube, Galerie, Küche, Ess-, Barock-, und  Rokokozimmer und Patriziersaal.

Das Essighaus wird für seine Gastlichkeit gerühmt. Der Wirt schreibt auf seine Werbepostkarten: „Die größte Sehenswürdigkeit Bremens“.

Das Ende: das zerstörte Essighaus nach dem Bombenangriff vom 16. Dezember 1943. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Das Ende: das zerstörte Essighaus nach dem Bombenangriff vom 16. Dezember 1943.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

1942

Beim 102. Luftangriff am 5. September 1942 kann das Haus gerettet werden. Georg Schmidt schreibt in seinem Buch Bremen nach der Stunde null: „Beim Löschen der Brandbomben wurde zunächst der Soletank im Eismaschinenraum gelehrt. Als diese Menge erschöpft war, griff man kurzerhand zu den Bouillontöpfen, mit deren Inhalt es tatsächlich gelang, der Brandherde Herr zu werden. Noch viele Jahre danach war der Notschrei von Frau Krause in aller Ohren: ‚Löschen! Löschen! Und wenn’s mit Rotwein ist!’“

1943

Beim 121. Luftangriff am 16. Dezember 1943 wird das Essighaus total zerstört, das Nebenhaus schwer beschädigt.

von Peter Strotmann

Der zweite Teil folgt in Kürze

Das Essighaus als „größte Sehenswürdigkeit Bremens“: die Betreiber der Gastronomie im Essighaus rührten auf eigens hergestellten Ansichtskarten kräftig die Werbetrommel. Quelle: Werbung Essighaus/Peter Strotmann

Das Essighaus als „größte Sehenswürdigkeit Bremens“: die Betreiber der Gastronomie im Essighaus rührten auf eigens hergestellten Ansichtskarten kräftig die Werbetrommel. Quelle: Werbung Essighaus/Peter Strotmann

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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Im Magazin „Erst der Hafen, dann ist die Stadt“ über Bremen und seine Häfen gehen wir in vielen historischen Bildern auf Zeitreise durch die maritime Vergangenheit unserer Hansestadt. Wie entwickelten sich die Häfen in Bremen vom Mittelalter bis heute? Wie sah die Arbeit zwischen Ladeluke, Kaje und Schuppen aus? Was hatte es mit den Anbiethallen auf sich? Und wie veränderte die Containerschifffahrt die Häfen? Wir blicken auf die Gründung der Freihäfen um 1900 und den Strukturwandel rund 100 Jahre später. Wir erzählen von Schmugglern und Zöllnern, von Bremens großen Werften sowie Abenteuern, Sex und Alkohol an der Küste – dem Rotlichtviertel am Hafen.

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