Zum 200. Geburtstag von Friedrich Engels – von 1838 bis 1841 zur Lehre in Bremen
Friedrich Engels und Bremen. Friedrich Engels – ein Sohn unserer Stadt? Übertrieben? Ja, zumal er schreibt, „dass man in dieser Stadt nichts anderes tun kann als fechten, essen, trinken, schlafen und ochsen. Ich danke Gott, dass ich nun auch dieses langweilige Nest verlasse“, so Engels im März 1841. Aber diese Äußerungen von Engels über Bremen geben bei weitem nicht das wieder, was er an positiven Erfahrungen in der Hansestadt erlebt hat. Davon zeugen zahlreiche Briefe an seine Schwester Marie.
Doch der Reihe nach.
Am 28. November 1820 wurde Friedrich Engels in Wuppertal-Barmen geboren. Er wuchs in einer religiös pietistischen Familie auf. Sein Vater war Besitzer eines der größten Textilunternehmen in der Umgebung. Als ältester Sohn sollte Friedrich Junior die Fabrik später übernehmen. Doch dieser interessierte sich als sprachbegabter Schüler für die Literatur des Vormärz. Börne, Freiligrath und Heine waren seine Favoriten. Dies ging dem Vater zu weit, und er nahm seinen Sohn von der Schule, damit er eine Kaufmannslehre im elterlichen Betrieb aufnahm.
Doch es funktionierte nicht so recht zwischen Vater und Sohn. Und so kam es, dass der junge Friedrich im August 1838 – drei Monate vor seinem 18. Geburtstag – in die Lehre nach Bremen zum Exportkaufmann Heinrich Leupold geschickt wurde. Untergebracht war er bei der Pastorenfamilie Treviranus direkt gegenüber in der Martinistraße. Engels hat sich meistens positiv über seine „Aufsichtsfamilien“ geäußert. Allerdings füllte ihn die Kaufmannslehre kaum aus.
So konnte er seinen anderen Begabungen nachgehen. In seiner Bremer Zeit verfasste er unter dem Pseudonym Friedrich Oswald zahlreiche Essays, Gedichte und Buchbesprechungen. Zeichnungen und Karikaturen sind auch darunter. Zeit für den einen oder anderen Becher Wein im Ratskeller blieb dennoch. Die Briefe an seine Schwester Marie und seine Freunde geben ein eindrucks- und humorvolles Bild über das Leben in der Hansestadt wieder. Gute Kontakte unterhielt er zur Buchhandlung Schünemann. Wunderbar nachzulesen ist dies in „Friedrich Engels – Die Bremer Jahre“ von Johann-Günther König.
Vier Jahre nachdem er Bremen verlassen hatte, erscheint 1845 eines der bedeutendsten Werke von Engels: „Die Lage der arbeitenden Klasse in England.“ Er wusste, wovon er sprach. In Manchester hatte er die Methoden der frühkapitalistischen Produktionsweise kennengelernt. Engels kann als Pionier der empirischen Sozialforschung angesehen werden. Er durchleuchtete das moderne Fabriksystem, in dem Kinderarbeit weit verbreitet war und Berufskrankheiten und Sterblichkeitsraten in enger Verbindung standen. Über die elenden Wohnverhältnisse der arbeitenden Menschen schrieb und sprach er ebenfalls. Viele seiner Kenntnisse gingen auf seine Lebensgefährtin Mary Burns zurück, eine irischen Arbeiterin, die er später heiratete. Wenn heute über das Thema Armut und Reichtum diskutiert wird, sind die Ausarbeitungen von Engels von grundlegender Aktualität.
Schon sehr früh und noch vor Marx, der sich in dieser Zeit vor allem mit philosophischen Fragen befasste, beschäftigte sich Engels mit Problemen der politischen Ökonomie. Gleichzeitig kritisierte er schon damals eine Produktionsweise, die auf einen dauerhaften Raubbau an der Natur hinausläuft. Ebenfalls hochaktuell. Ihn allerdings zum Urheber und weitsichtigen Kenner der ökologischen Frage zu erheben, scheint mir etwas übertrieben. Genauso übertrieben, nein, falsch war es, die Freunde Marx und Engels im Namen des Marxismus-Leninismus zu einer Art von heiliger Zweifaltigkeit zu machen. Es wäre besser gewesen und wissenschaftlich redlicher, auf diese Heiligenlegende zu verzichten.
Engels selbst bezeichnete sich gegenüber Marx als zweite Violine. Zu unrecht, das war zu viel Bescheidenheit. Neuere Forschungen zeigen: Da begegnen sich zwei außergewöhnliche Wissenschaftler, Journalisten und politische Akteure auf Augenhöhe. Hinzu kommt etwas anderes. Ohne Engels wären die drei Bände des Kapitals nie fertig geworden. Er hatte erkannt, welch bahnbrechende Wissenschaft in den Bänden des Kapitals verborgen lag.
Engels hat neun lange Jahre darauf verwandt, den zweiten und dritten Band nicht nur fertig zu stellen, sondern auch etwas lesbarer zu machen. Er konnte dies tun, weil er in seinen späten Jahren für sich und für viele andere, die ihm nahestanden, vorgesorgt hatte. Er konnte von seinem Wohlstand abgeben. Davon hat nicht nur die Familie Marx profitiert, die zeitweilig in Armut leben musste. Engels war Wissenschaftler, obwohl er nie studiert hatte, zugleich war er erfolgreicher Akteur an der Börse und Unternehmer. So konnte er als Manager nicht nur auf Englisch und Französisch korrespondieren, sondern sich in zwölf Sprachen verständigen.
Nach dem Tod von Marx im Jahr 1883 wurde Engels zum Mentor der europäischen Arbeiterbewegung. Er pflegte in seinen letzten Jahren einen persönlichen und politischen Austausch mit dem SPD-Vorsitzenden August Bebel.