In Bremen geboren, aber durch seine Tätigkeit in Hamburg berühmt geworden: der Architekt Fritz Schumacher.
Quelle: DPA

Am 4. November vor 150 Jahren in Bremen geboren: Der Architekt, Städtebauer und Autor Fritz Schumacher

Unter den Architekten, die am Beginn der 20. Jahrhunderts gegen die Vorherrschaft eines zur Dekoration verkommenen Historismus aufbegehrten und mit einer „Reformarchitektur“ nach neuem, zeitgerechten Ausdruck strebten, war der in Bremen geborene Fritz Schumacher einer der einflussreichsten. Unter seinen Generationsgenossen stach er durch seine schöpferische Vielseitigkeit hervor und durch seine umfassende Bildung, die er als glänzender Redner, Initiator von Kulturinitiativen und Autor kultur- und architekturtheoretischer sowie literarischer Schriften einzusetzen verstand. Ein wenig wirkte er wie ein im 20. Jahrhundert gelandeter uomo universale aus der Epoche der Renaissance. Bezeichnenderweise befasste sich Schumacher in einem seiner ersten Bücher mit dem Renaissance-Architekten und Architekturtheoretiker Leon Battista Alberti.

Der am 4. November 1869 als Friedrich Wilhelm Schumacher Geborene war Spross einer Bremer Patrizierfamilie, deren Wurzeln sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen ließen. Seine Heimatstadt sah er in seinen ersten zwölf Lebensjahren kaum, denn der Vater zog als konsularischer Vertreter des Deutschen Reichs 1872 mit der Familie nach Bogota und später nach New York. Erst ab 1882 lebten Fritz Schumacher und sein älterer Bruder Hermann in Bremen bei einer Tante, um hier am Gymnasium an der Dechanatstraße das Abitur zu machen. Schumachers jüngerer Schulkamerad, der spätere Bremer Bürgermeister Theodor Spitta, erinnerte sich, dass die beiden Brüder in der wissenschaftlichen Schülervereinigung „Prima-Verein“ engagiert waren und dass Fritz Schumacher  später noch als Student und angestellter Architekt dort über seine neu erworbenen Erfahrungen berichtet habe.

Zum Studium zog es ihn nach München und Berlin. Seine ersten praktischen Erfahrungen machte er in dem kleinen und exklusiven Büro des Münchner Architekten Gabriel von Seidl, dem späteren Baumeister der Neuen Rathauses in Bremen. Ab 1895 arbeitete er am Leipziger Stadtbauamt, wo er die Pläne für das neue Rathaus entworfen hatte, an dessen Ausführung er beteiligt war. Nebenbei machte er sich – beeinflusst von der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung – einen Namen als Verfasser architekturtheoretischer Schriften, gezeichneter Architekturphantasien und eines satirischen Bühnenstücks.

Längst vom Erdboden verschwunden: Das Franzius-Denkmal an der Großen Weserbrücke war eines der wenigen Werke, die Fritz Schumacher in Bremen schuf.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur (b.zb)

Diese Vielseitigkeit machte den jungen Architekten so interessant, dass ihm mit kaum 30 Jahren eine Professur an der Technischen Hochschule in Dresden angeboten wurde. Es begann eine zehnjährige hochproduktive Schaffensphase mit zahlreichen öffentlichen und privaten Bauprojekten – auch in Bremen, wovon noch zu berichten ist. Zu den Glanzlichtern der Dresdner Jahre gehören 1903 die „Erste Deutsche Städteausstellung“ und 1906 die „Dritte Deutsche Kunstgewerbeausstellung“, die Schumacher in Dresden organisierte, sowie die Gründung des Deutschen Werkbundes, dessen Gründungsrede er 1907 in München hielt. Schumacher erhielt nun vermehrt attraktive Berufungsangebote von anderen Hochschulen oder als Stadtbaumeister. Er lehnte alle ab. Doch „da forderte mich Hamburg zum Leiter seines verworrenen Bauwesens an“, schrieb er rückblickend.

Schumacher entschied sich für die Aufgabe in Hamburg – gerade aufgrund der enormen Herausforderung, die dort auf ihn wartete. Die Hansestadt war damals ein schlauchartiges Stadtgebilde, eng mit den drei selbstständigen Nachbarstädten Altona, Harburg und Wandsbek zu einer Agglomeration verwachsen. Schumacher bat sich ein Jahr Vorbereitungszeit aus, und als er 1909 mit 40 Jahren die Stelle als „Leiter des Hochbauwesens“ antrat, brachte er fertige Pläne für wichtige städtische Gebäude und Anlagen wie der Kunstgewerbeschule am Lerchenfeld oder dem Stadtpark mit seinen zahlreichen Gebäuden mit. Schumacher blieb 24 Jahre für die Gestalt und Entwicklung Hamburgs verantwortlich – unterbrochen nur durch ein dreijähriges Zwischenspiel als Beigeordneter der Stadt Köln Anfang der 1920er-Jahre, wo es unter Oberbürgermeister Konrad Adenauer um die Neugestaltung der von ihren Festungsgürteln befreiten Stadt ging. Bei seiner Rückkehr nach Hamburg wurde er zum Oberbaudirektor befördert.

Direkt an der Weser gelegen: Lageplan des Franzius-Denkmals aus einer Buchveröffentlichung von 1950.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur (b.zb)

Wie kaum einem anderen Architekten oder Städtebauer ist es gelungen, das Bild einer Stadt so entscheidend zu prägen, wie ihm das in Hamburg gelang. Trotz der enormen Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs ist diese Prägung auch heute noch gegenwärtig. Etwas vereinfachend spricht man vom „roten Hamburg“, das Schumacher geschaffen habe. Das ist keineswegs politisch gemeint, sondern bezieht sich auf das von ihm bevorzugte Baumaterial: „Mein architektonisches Ziel war eine Neubelebung des norddeutschen Backsteinbaus in einer freien, historisch nicht gebundenen Form.“ Vor allem den hartgebrannten Klinker im dunkelroten, braunen und violetten Farbspiel bevorzugte er für das raue norddeutsche Klima. Dieses Farbspiel korrespondiert mit der monumentalen Sachlichkeit seiner Baukörper, die häufig durch sparsame expressionistische Zierformen geschmückt sind.

Skeptisch gegenüber Gropius

Gegen Ende der 1920er-Jahre näherte er sich in Siedlungs- und Schulbauten der Formensprache des Neuen Bauens an, gegen deren Hauptprotagonisten wie Walter Gropius er aber skeptisch blieb. Als Oberbaudirektor war zudem die landesplanerische Einleitung eines Zusammenschlusses der vier Unterelbestädte zu Groß-Hamburg, die 1938 vollzogen wurde, sein großes Verdienst, das er aber nicht mehr im Amt erlebte.

Wie viele bürgerliche Intellektuelle seiner Generation betrachtete sich Schumacher als „unpolitisch“. Gleichwohl wurde er nach dem Machtwechsel 1933 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Schumacher galt den neuen Machthabern im Senat offensichtlich als unsicherer Kandidat. In einem Aufsatz „Der ‚unpolitische‘ Baudirektor und die Politik“ reflektierte er: Es „zeigte sich, daß ein Posten wie meiner, der in unzählige andere Interessensphären eingreift, in fruchtbarer Weise nur dann arbeiten kann, wenn sein Inhaber das unbedingte Vertrauen der maßgeblichen Stellen genießt“. Die Tragik, die sich hinter dieser Ausbootung des „unpolitischen“ Baudirektors auftut, besteht darin, „dass er gegen die eigenen Absichten den Planern im Nationalsozialismus als Kronzeuge für ihre Machtansprüche dienen konnte“, wie es Werner Durth in seinem Buch „Deutsche Architekten – Biografische Verflechtungen 1900 – 1970“ dargestellt hat. Es waren Schumachers junge Mitarbeiter aus den späten 1920er-Jahren Konstanty Gutschow und Wilhelm Wortmann, die in der NS-Zeit leitende Positionen im Planungsgeschehen Hamburgs und Bremens einnahmen und sich gern auf ihren Meister beriefen.

Mit seiner Geburtsstadt Bremen war Schumacher zeitlebens eng verbunden. Sein deutlich jüngerer Halbcousin und (Fast-)Namensvetter Friedrich Schumacher (1905-1993), selbst Architekt in Bremen (u.a. Martin-Luther-Kirche in Findorff) und später Dombaumeister, erinnerte sich an zahlreiche Besuche und gemeinsame Sommeraufenthalte in dem umgebauten Bauernhaus der Familie im Bremer Umland. In seiner Dresdner Zeit erhielt Fritz Schumacher erste private Bauaufträge in Bremen und Umgebung, bei denen der Einfluss der Arts-and-Crafts-Bewegung und das Bemühen um eine aus der lokalen Tradition entwickelten Formensprache deutlich werden. In der heutigen Richard-Dehmel-Straße sind zwei Wohnhäuser Schumachers aus dem Jahr 1907 erhalten geblieben und stehen inzwischen unter Denkmalschutz. In einem der beiden wohnt die Künstlerin und Autorin Dagmar Löbert, die 1999 ein lesenswertes Buch über das Werk des Architekten und seine geistesgeschichtlichen Hintergründe verfasst hat, das sich vor allem auf der Werkphase gleich nach der Jahrhundertwende konzentriert.

Das Franzius-Denkmal von der anderen Weserseite gesehen, links daneben das burgartige Kapff-Haus.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur (b.zb)

Franzius-Denkmal unter keinem guten Stern

Weniger glücklich verlief die Geschichte von Schumachers bedeutendsten öffentlichem Bauprojekt in seiner Geburtsstadt, dem Franzius-Denkmal von 1909. Das dem für die Weserkorrektion bekannt gewordenen Oberbaudirektors Ludwig Franzius gewidmete Denkmal wurde auf einem kleinen dreieckigen Platz am nordwestlichen Brückenkopf der Großen Weserbrücke errichtet. Schumacher platzierte die auf einer Stele stehende überlebensgroße Bronzebüste des Bildhauers Georg Roemer nicht in der Platzmitte, sondern in einer halbkreisförmigen Einfriedung, die über die Ufermauer ausgreifend einen Ausblick auf den Fluss gewährte. Dahinter führte eine Freitreppe, unterbrochen durch einen auskragenden Balkon, hinunter zu einem kleinen Anlieger, der bei Flut wasserüberspült war.

Damals gab es den durchgehenden Verbindungsweg der Unteren Schlachte noch nicht, und so war dies die einzige Stelle in der Altstadt, an der man direkt an den Fluss gelangen konnte. Die Anlage blieb im Krieg unzerstört. Auf einem Luftfoto aus dem Jahr 1958 sieht man den beginnenden Brückenneubau der heutigen Wilhelm-Kaisen-Brücke und die noch erhaltene Denkmalanlage. Sie musste schließlich dem Kühne-Neubau von Cäsar Pinnau weichen. Auf die Idee, dass man die Anlage zum Brückenkopf der neuen Brücke versetzen könne, kam damals offenbar niemand. Und so wurde auch dieses Bauwerk wie manch andere erhaltenswerte Gebäude Opfer einer zweiten Zerstörungswelle, die oft verkehrsplanerischen Maßnahmen geschuldet war.

Große Pläne: Fritz Schumacher wollte die Hauptverkehrswege neu regeln, hier ein Ausschnitt aus seiner Planung von 1930.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur (b.zb)

Ironischerweise war Schumacher nicht ganz unbeteiligt an solchen Straßenprojekten. Als gegen Ende der zwanziger Jahre ein Generalsiedlungsplan für Bremen erarbeitet wurde, war er gutachterlich beteiligt. In seinem Beitrag „Ziele des Generalsiedlungsplans“ geht er ausführlich auf die seiner Meinung nach notwendigen Maßnahmen der Verkehrsentwicklung ein und kommt zu dem Gedanken: „Denkmalpflege ist in erste Linie eine Verkehrsfrage geworden.“ Soll heißen: Um den seinerzeit noch komplett durch das historische Zentrum fließenden Durchgangsverkehr neu zu regeln und die zentralen Monumente zu schützen, müssten neue Straßen und Brücken entstehen. Die spätere Mozarttrasse ist in den Plänen ebenso angelegt, wie ein neuer Straßendurchbruch an der Bischofsnadel zwischen Domsheide und Rembertistraße oder eine Ost-West-Durchfahrt entlang der Schlachte. Dass dadurch auch historisch Wertvolles und Stadtbildprägendes verschwinden würde, empfand er als notwendiges Opfer.

Knapp zehn Jahre später legte Gerd Offenberg, damals Leiter des „Amtes für Stadtbauwesen“ seine „große Planung“ für Bremen vor, das in der NS-Zeit zur „Aufbaustadt“ grundlegend umgestaltet werden sollte. Dabei orientierte er sich am Verkehrskonzept der Generalsiedlungsplans und erhielt von Schumacher, der um eine Stellungnahme gebeten wurde, anerkennende Worte. Kurioserweise lobte später Schumacher aber auch einen Gegenentwurf zu diesem Plan. Dieser stammte von Wilhelm Wortmann, der Offenbergs Planung als „unbremisch“ ablehnte.

Und so verstrickte sich der „unpolitische“ Oberbaudirektor a. D. am Ende ein wenig in eine bremische Intrige, in der Macht- und Sachfragen nicht mehr klar zu trennen waren. Ein letztes Mal war Schumacher, schon von einem schweren Leiden gezeichnet, in Januar 1947 gutachterlich für seine Vaterstadt tätig. Er kommentierte, vermutlich auf Vermittlung Wortmanns, der zwar 1945 aufgrund seiner Parteizugehörigkeit aus dem Amt des Baudirektors entlassen wurde, aber als Berater der Wiederaufbaugemeinschaft (später Aufbaugemeinschaft) über Jahrzehnte noch in Bremen eine gewichtige Rolle spielte, den Aufbauplan für die Sögestraße des Architekten Kurt Haering. Schumacher lobte die Planung, die schon damals die Umwandlung der Straße in eine Fußgängerstraße vorsah. Am 5. November 1947 starb er im Alter von 78 Jahren.

Ringsum eine Trümmerlandschaft, nur das Franzius-Denkmal von Fritz Schumacher überstand den Bombenkrieg unbeschadet – wurde dann aber doch abgetragen.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur (b.zb)

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