Beim Einkaufen in Sebaldsbrück: die damals 25-jährige Grete Janssen 1931 im Schlosspark. Am Lenker hängt ein Einkaufs-Netzbeutel.
Quelle: Private Leihgabe

Leben und Tod des Dienstmädchens Grete Janssen 

Grete Janssen wurde in Ostpreußen geboren. Ihr Vater war der selbstständige Fleischermeister Gustav Janssen. Grete besuchte die Volksschule. Am Ende des Ersten Weltkrieges musste die Familie Ostpreußen verlassen. Als 15-Jährige kam sie nach Bremen. Dort nahm sie 1921 eine Stelle als Dienstmädchen beim Direktor Ferdinand Henckel der Bremer Silberwarenfabrik in Sebaldsbrück an.

In den ersten Jahren war noch ein zweites Mädchen im Hause. Grete wurde die Stütze des Hauses. Selbstverständlich gab es noch weiteres Dienstpersonal. Das kam jedoch nur nach Bedarf. Zu nennen sind die Putzfrau, der Gärtner, Wäscherin usw.

Grete verrichtete bei den „Herrschaften“ als Hauswirtschafterin ihre Pflichten und treue Dienste. Bei großen Anlassen und Empfängen schätzte man ihr Organisationstalent. Dann war auch noch Personal u.a. zum Servieren da.

In ihrem Nachlass hat sich ein Foto ihrer Arbeitgeber gefunden. Erhalten hat sie es 1935 aus Bad Brückenau, einem Kurstädtchen in Unterfranken. Der Text lautete: „Unserer lieben Grete zur freundlichen Erinnerung z. Zeit Bad Brückenau 1935.“ Grete war natürlich nicht mit nach Bad Brückenau gefahren, sondern musste das Wohnhaus der Henckels in Schuss halten.

Nach alter Tradition gehörte sie zu den „Angehörigen“. Deshalb findet man sie auch nicht in den Bremer Adressbüchern.

Im Jahre 1938 heiratete Grete Janssen. Die Bescheinigung der Eheschließung weist sie als „Hausgehilfin“ aus. Familie Henckel schickt zur Eheschließung ein Telegramm an das junge Paar und schreibt:

Dem jungen Paar viel frohe Jahr,

Glück und Segen auf allen Wegen

Außerdem erhalten die Eheleute ein Privatdarlehen über 5.000 Feingoldmark aus dem Vermögen des Ferdinand Henckel als Hypothek zum Bau eines Hauses in Osterholz. Das Darlehen muss mit 4 ½ Prozent jährlich verzinst werden.

Das Wohnhaus des Direktors Henckel befand sich auf dem Werksgelände an der Sebaldsbrücker Heerstraße 180. Dort wohnte Grete Janssen mit im Hause und hatte ein kleines Zimmer im Dachgeschoss (Pfeil).
Quelle: Private Leihgabe

Mit dieser Unterstützung kann sich das Paar ein kleines Haus in Osterholz bauen. Trotz ihrer Heirat blieb sie der Familie Henckel treu und war weiter als Haushälterin in Sebaldsbrück tätig.

Trotz Umzug der Henckels bleibt Grete der Herrschaft treu

1942 zogen Henckels von Sebaldsbrück nach Schwachhausen in die Georg-Gröning-Straße. Auch jetzt blieb Grete den Henckels treu. Als Ehefrau und Mutter gelang es ihr jetzt nur zweimal in der Woche, bei den Henckels zu sein. Die Belastung war für sie sehr groß, da sie mit dem Fahrrad neun Kilometer hin und neun Kilometer zurück fahren musste. Und das bei Wind und Wetter. Auch die Tochter Helga, geboren 1945, fuhr viele Male zusammen mit ihrer Mutter von Osterholz nach Schwachhausen.

Außerdem nahm sie die Wäsche der Herrschaften mit nach Hause, hinten auf dem Gepäckträger, sowie in Beuteln und Taschen. Das war immer eine große Belastung. In ihrer Waschküche wurde alles gewaschen. Mit einem Handkarren brachte man die nasse Wäsche in eine naheliegende Klinik, weil sich dort ein großer Trockenraum befand. Mit der sauber gewaschenen und gebügelten Wäsche radelte sie dann bei jedem Wetter tapfer ins „Nobelparadies*“ nach Schwachhausen. Das alles für ein paar Mark Zusatzverdienst.

* Ausdruck der Tochter, die als Kind staunend vor den Vitrinen mit den edlen Auslagen stand

Direktor Ferdinand Henckel mit Frau Frieda.
Die Rückseite ist eigenhändig beschriftet mit:
„Unserer lieben Grete zur freundlichen Erinnerung z. Zeit Bad Brückenau 1935“
Quelle: Private Leihgabe

Grete stirbt mit nur 56 Jahren und es folgt eine Überraschung

1960 erkrankt Grete und stirbt 1962, nach einem arbeitsreichen Leben, im Alter von nur 56 Jahren.

1967 stirbt Frieda, die Ehefrau von Ferdinand Henckel, im 87. Lebensjahr. Als das Testament am 19. Juli 1967 eröffnet wird, gibt es eine kleine Überraschung.

Als Vermächtnis setze ich aus:

Für die Tochter Helga meiner inzwischen verstorbenen treuen Hausangestellten, Frau Grete M. Geb. Janssen, den ihrer Mutter zugedachten Barbetrag von DM 5.000.– (in Worten: Deutsche Mark Fünftausend).

Damit hat das kurze Leben der Grete Janssen noch ein versöhnliches Ende gefunden.

Die Andenken an das Dienstmädchen Grete

 Die „Überbleibsel“ vom Dienstmädchen Grete werden von der Familie in einer Zigarrenkiste verwahrt:

Inhalt:

  • ihr Taufschein vom 8. Dezember 1906
  • Foto vom Wohnhaus des Direktors der Bremer Silberwarenfabrik
  • Foto von Grete, als sie 25 Jahre alt war
  • Foto des Direktors und seiner Ehefrau aus dem Jahre 1935
  • Briefumschlag mit Inhalt: ein 50-Mark-Schein

Ihr Ehemann schreibt: Dieses war das letzte Weihnachtsgeschenk, das Du liebe Grete mir gemacht hast. Weihnachten 1961 das wir zusammen erlebten.

Die Tochter erzählt: Das war ihr Lohn, den sie beim Direktor für ihre Arbeit erhalten hat. Den machte sie meinem Vater zum Geschenk.

Ebenfalls im Nachlass: ein kleines Mäppchen mit der Traueranzeige vom 21. Januar 1962:

         „Wer so gewirkt wie Du im Leben

wer so erfüllte seine Pflicht

          und stets sein Bestes hergegeben,

        der stirbt selbst im Tode nicht.“

von Peter Strotmann

Andenken in einer Zigarrenkiste: was Grete Janssen auf dieser Welt hinterließ.
Quelle: Private Leihgabe

Jung, aber mit viel Geschichte

50 Jahre
Universität Bremen

50 Jahre sind seit der Gründung der Universität Bremen vergangen. Auf dem Weg von der vermeintlichen roten Kaderschmiede zur Exzellenzuniversität ist viel passiert: Wir haben den ersten sowie den aktuellen Rektor interviewt und mit Absolventen gesprochen – zu denen auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte gehört. Zudem hat uns ein Architekt über den Campus begleitet. Das Magazin der Reihe WK | Geschichte gibt es ab 18. September in den ­Kundenzentren des WESER-­KURIER, im Buch- und Zeitschriftenhandel, online unter www.weser-kurier.de/shop und unter 0421 / 36 71 66 16.

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