Ein Blick in die Geschichte (209): Foto von 1875 zeigt Dom und Neue Börse

Gerade einmal elf Jahre alt war das mächtige Gebäude der Neuen Börse, als diese Aufnahme 1875 entstand. Fast noch mehr als das neugotische Börsengebäude fällt allerdings der Dom ins Auge, der damals einen durchaus beklagenswerten Eindruck machte. Von der Herrlichkeit des mittelalterlichen Sakralbaus war im 19. Jahrhundert nicht viel geblieben. Der Südturm war bereits 1638 eingestürzt, nur ein Stumpf überdauerte die Zeitläufte.

Kaum besser erging es dem Nordturm , der nach einem Blitzeinschlag 1656 ausbrannte. Zuerst ersetzte ein flaches Pyramidendach das Spitzdach. 1767 erhielt der Nordturm eine sogenannte Welsche Haube, die auch auf dem Foto gut zu erkennen ist. Mit „welsch“ ist eine fremde, romanische Herkunft gemeint. Allerdings konnten sich die Bremer nie so recht mit der neuen Turmbedeckung anfreunden. Das heutige Erscheinungsbild des Doms ist der umfassenden Sanierung von 1888 bis 1901 zu verdanken. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Südturm wiederaufgebaut.

Schon vor dem Dom war der Börsenneubau zum Zuge gekommen. Für den monumentalen Prachtbau des renommierten Architekten Heinrich Müller mussten an der Ostseite des Marktplatzes insgesamt 17 Giebelhäuser weichen. In späteren Zeiten wurde diese radikale Abrissmaßnahme lebhaft bedauert. Bei den Planungen für den Neubau des Bürgerschaftsgebäudes machte sich die Lüder von Bentheim-Gesellschaft dafür stark, die alten Giebelhäuser wieder aufzubauen und damit den Zustand von 1860 wiederherzustellen.

Was einmal war, sollte wieder werden: Für den Bau der Neuen Börse mussten zwischen 1860 und 1863 insgesamt 17 alte Gebäude weichen. Einen solchen Zustand wollten die Gegner des Bürgerschaftsgebäudes wiederherstellen.
Quelle: FR

Doch damals fand man nichts dabei, die teils uralten Häuser mitsamt der dahinter befindlichen Wilhadikapelle kurzerhand abzubrechen. Wie später in den Nachkriegsjahren, so herrschte auch zu jenen Zeiten eine Mentalität vor, die wenig gab auf die Errungenschaften verflossener Epochen. Die Bauherren meinten sogar, mit der östlichen Marktplatzseite einen optimalen Standort gewählt zu haben. In „Bremen und seine Bauten“ (1900) heißt es im Brustton der Überzeugung, für die Neue Börse sei ein Platz gewählt worden, „wie er kaum günstiger gedacht werden kann“.

Nach dreijähriger Bauzeit wurde die Neue Börse am 5. November 1864 als Ersatz für die Alte Börse auf dem heutigen Liebfrauenkirchhof feierlich eingeweiht. Die Wahl des neugotischen Stils erklärt der Architekt Sinkel nicht etwa mit ästhetischen Erwägungen, sondern mit „Sparsamkeitsrücksichten“, da ein Renaissancebau wesentlich kostspieliger gewesen wäre.

Zu Lebzeiten ihres Schöpfers Heinrich Müller galt die Neue Börse noch als Meisterwerk, nach dem Ersten Weltkrieg konnte man den historistischen Monumentalbauten allerdings nicht mehr viel abgewinnen. Schon in den 1930er-Jahren gab es Überlegungen, die Neue Börse verschwinden zu lassen. Im Zweiten Weltkrieg übernahmen alliierte Bomber das Zerstörungswerk, im Dezember 1943 ging das Gebäude in Flammen auf. Nach dem Krieg gab es keinerlei Bestrebungen, die Neue Börse wiederaufzubauen. Die Ruine wurde in den 1950er-Jahren abgetragen.

Wenig imposant: der Dom im Jahre 1875. Weitaus beeindruckender: die Neue Börse.
Quelle: Bestand Brandes

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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