Zur Gedenkveranstaltung am Antikolonialdenkmal – Bremen und die Schlacht am Waterberg

Sechs Tage nach dem blutigen Aufeinandertreffen brachten die Bremer Nachrichten die Neuigkeiten aus Afrika. „Auf dem Kriegsschauplatz ist es zur Entscheidungsschlacht gekommen“, meldete das Blatt am 17. August 1904. Der Oberbefehlshaber der deutschen Schutztruppe, Lothar von Trotha, habe die Herero umzingelt und angegriffen. Seine Verlautbarung druckten die Bremer Nachrichten in voller Länge ab, damals nichts Ungewöhnliches. Gleich im ersten Satz erklärte Trotha, der Angriff am 11. August sei „mit vollem Erfolge begonnen“ worden.

Sollte in Südwest für Ordnung sorgen: der neue Oberbefehlshaber Lothar von Trotha.
Quelle: Wikimedia Commons

Diese Wendung nährte die Hoffnung auf einen vollständigen Sieg über die aufständischen Herero. Doch nur einen Tag später relativierte Trotha seine Erfolgsmeldung. Plötzlich hieß es, der Feind sei „in völlig panikartiger Flucht“ nach Osten ausgewichen. Aus deutscher Perspektive keine schlechte Nachricht, aber doch erstaunlich angesichts der zuvor vermeldeten Einkreisung.

Spätestens jetzt dämmerte den Bremer Nachrichten, dass der Aufstand in Deutsch-Südwestafrika noch lange nicht vorbei war. „Nach diesem Bericht scheint die Schlacht am Waterberg doch nicht so ganz erfolgreich gewesen zu sein“, hieß es kleinlaut zur aktuellen Lage. „Von einer Vernichtung des Feindes, sodaß das Ende des Feldzugs da wäre, kann danach keine Rede sein.“

Zum Zeitpunkt der Schlacht am Waterberg – oder der Schlacht von Ohamakari, wie es im heutigen Namibia heißt – befanden sich die Herero (korrekt: Ovaherero) schon acht Monate im offenen Aufruhr gegen die deutsche Kolonialherrschaft. Am 12. Januar 1904 hatte ihr Führer Samuel Maharero die Feindseligkeiten eröffnet. Die Deutschen wurden davon völlig überrascht. Aus der Hauptstadt Windhuk meldete der Bezirksrichter an das Auswärtige Amt, in der Umgebung seien „einzeln wohnende Weiße“ ermordet worden, die Lage sei „sehr ernst“.

Zunächst hatten die Herero im Einvernehmen mit den deutschen Kolonialherren gelebt. Zur Absicherung seiner Herrschaft war Maharero zur Kooperation mit den Eindringlingen bereit. Doch die Zusammenarbeit bröckelte, als deutsche Siedler immer rücksichtsloser gegen das viehzüchtende Nomadenvolk der Herero vorgingen. Der Ausbruch einer Rinderpest 1897 dezimierte ihren Viehbestand, willkürliche Landnahme führte zur sozialen Deklassierung – aus Viehzüchtern wurden Lohnarbeiter auf deutschen Farmen. Kaum weniger schwer wogen Misshandlungen und Demütigungen, die sich die Herero gefallen lassen mussten.

Nur anfangs waren die Aufständischen im Vorteil. Eilends schickten die Deutschen Verstärkung in die Kriegsregion, bereits am 18. Januar 1904 stach der Lloyddampfer „Darmstadt“ als Truppentransporter von Bremerhaven aus in See. Einige Monate später löste der als brutal geltende Trotha seinen Vorgänger Theodor Leutwein ab, in Berlin erhoffte man sich durch härteres Durchgreifen einen schnelleren Sieg. Tatsächlich entsprach Trotha den Erwartungen, auch wenn die Schlacht nicht ganz nach Plan verlief.

Schauplatz der Schlacht: der Waterberg, hier auf einer kolorierten Aufnahme um 1910.
Quelle: Wikimedia Commons

Am Waterberg hatten sich nicht nur Krieger, sondern auch Frauen und Kinder mitsamt den Rinderherden versammelt, von bis zu 60.000 Menschen ist die Rede. Nach den blutigen Gefechten am 11. und 12. August 1904 drängten die deutschen Soldaten ihre Widersacher immer tiefer in die Omaheke-Wüste, wo die meisten von ihnen jämmerlich verdursteten. Als Trotha am 2. Oktober 1904 seinen berüchtigten Vernichtungsbefehl herausgab, hatte sich die Tragödie längst vollzogen. Seine Drohung, jeden Herero „mit oder ohne Gewehr“ zu erschießen, galt jenen Herero, die ihre Heimat nicht verlassen wollten.

Mit der Niederlage der Herero war der Kolonialkrieg aber keineswegs beendet. Erhoben sich doch nun die Nama, die bei der Schlacht am Waterberg noch auf deutscher Seite gekämpft hatten, unter ihrem Anführer Hendrik Witbooi gegen die Kolonialherren. Anders als die Herero bevorzugten die Nama – abschätzig auch als „Hottentotten“ bezeichnet – den Guerillakrieg, noch bis März 1907 dauerten die Kämpfe an und sorgten auch in Deutschland für reichlich Zündstoff.

Trothas Widersacher: Herero-Führer Samuel Maharero um 1900.
Quelle: Bundesarchiv Koblenz/Wikimedia Commons
Südwest-Afrika

Zu tun hatte das nicht zuletzt damit, dass die „Reste des Hererovolkes“ in Konzentrationslager eingepfercht wurden. Bis zu ihrer Schließung am 27. Januar 1908 – dem Geburtstag des Kaisers – kostete der Kolonialkrieg Zehntausenden Herero und Nama das Leben. Nach namibischer Schätzung fielen etwa 66.000 Angehörige beider Ethnien dem Krieg zum Opfer. Von einem Völkermord sprach erstmals im August 2004 die damalige Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) bei einer Gedenkfeier vor Ort zum 100. Jahrestag der Schlacht am Waterberg. Die offizielle Anerkennung des Genozids ist Bestandteil einer noch nicht unterzeichneten Gemeinsamen Erklärung, die deutsche und namibische Unterhändler im Mai 2021 vorgelegt haben.

Ganz offen bekannte sich bereits Trotha zum Konzept eines Rassen- und Vernichtungskriegs. Das blieb nicht unwidersprochen, die Zentrumspartei und die SPD kritisierten das erbarmungslose Vorgehen in Südwestafrika. Gegen die „hiesigen Hereroanwälte“ hatten die Bremer Nachrichten bereits kurz nach Schlacht am Waterberg gewettert, eine Spitze gegen den angeblich schlecht informierten SPD-Vorsitzenden August Bebel. Wobei der Parteichef nicht den Kolonialismus an sich verurteilte, sondern nur eine verfehlte Kolonialpolitik. Als „Hottentottenwahl“ ging die vorgezogene Reichstagswahl vom 25. Januar 1907 in die Geschichte ein.

Die militärische Intervention lässt sich durchaus als Bankrotterklärung der deutschen Kolonialpolitik verstehen, zumal es auch in Deutsch-Ostafrika lichterloh brannte. Dass dringender Reformbedarf bestand, lag auf der Hand: 1907 wurde als neues Ministerium das Reichskolonialamt aus der Taufe gehoben, vorher kümmerte sich nur eine Abteilung des Auswärtiges Amts um koloniale Belange. Freilich stand damals schon der Erste Weltkrieg vor der Tür, nach der Niederlage gehörte die deutsche Kolonialherrschaft nur wenige Jahre später der Vergangenheit an.

Erste Meldung von der „Entscheidungsschlacht“ in der Ausgabe der Bremer Nachrichten vom 17. August 1904.
Quelle: Bremer Nachrichten/Staatsarchiv Bremen

Gleichwohl wollten sich nicht alle Deutschen mit dem Verlust der Kolonien abfinden. Bereits zuzeiten der Weimarer Republik bildete sich in Bremen eine lautstarke Koloniallobby heraus. Als ihr Aushängeschild fungierte General Paul von Lettow-Vorbeck, der „Löwe von Deutsch-Ostafrika“, den vermögende Kaufmannskreise 1923 an die Weser gelotst hatten. Sein Domizil in Schwachhausen avancierte zu einem Treffpunkt des Kolonialrevisionismus (mehr dazu hier).

In diesen Kontext reiht sich das 1932 eingeweihte „Reichskolonialehrenmal“ an der Gustav-Deetjen-Allee ein. Wie der Name belegt, hatte das Mahnmal einen nationalen Geltungsanspruch. Kurz nach der Unabhängigkeit Namibias wurde es 1990 in Antikolonialdenkmal umbenannt, seit 2009 gibt es aus Steinen der Omaheke-Wüste in unmittelbarer Nähe einen Erinnerungsort für die Opfer des Kolonialkrieges.

Im „Dritten Reich“ betrieb Bremen erheblichen Aufwand, um sich vor allem in Konkurrenz zu Hamburg als „Stadt der Kolonien“ zu profilieren. Nicht zufällig erhielt das heutige Überseemuseum 1935 den Namen „Deutsches Kolonial- und Übersee-Museum“ (mehr dazu hier). Ein weiterer Baustein Bremer Kolonialambitionen: die mehrtägige Reichskolonialtagung im Mai 1938 (mehr dazu hier). Wäre es nach dem Regierenden Bürgermeister Heinrich Böhmcker gegangen, hätte sie nur noch in Bremen stattgefunden. Eine Kolonialschule für die Ausbildung von Nachwuchskräften kam nicht zustande.

Nüchtern und geschäftsmäßig: der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz.
Quelle: Wikimedia Commons

Dass Bremen so ausgeprägten kolonialen Ehrgeiz entwickelte, hängt ganz wesentlich mit dem Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz zusammen, der sich 1883 erstes Land im heutigen Namibia angeeignet hatte. Auf ihn vor allem berief man sich, seine Vita diente zur Legitimation Bremer Kolonialpläne (mehr dazu hier). Als „Bahnbrecher und Blutzeuge der gesamten deutschen Kolonialpolitik“ bezeichnete ihn im September 1940 eine im Auftrag Böhmckers erstellte Denkschrift.

Damals erreichte die Kolonialeuphorie ihren Höhepunkt, nach dem Sieg über Frankreich im Juni 1940 schien die Wiederherstellung eines deutschen Kolonialreichs in Afrika in greifbarer Nähe. Doch bekanntlich wurde daraus nichts, nach der Niederlage von Stalingrad und dem Ende des deutschen Afrikakorps wurden 1943 alle Kolonialplanungen ad acta gelegt.

Immer vorne dabei, wenn es um die Kolonien ging: der in Bremen ansässige General Paul von Lettow-Vorbeck.
Quelle: Bildbestand der Deutschen Kolonialgesellschaft in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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