Viel Liebe fürs Detail: Innenansicht des Kaufhauses Max Baron auf der Werbe-Postkarte von 1897. Quelle: Peter Strotmann

Viel Liebe fürs Detail: Innenansicht des Kaufhauses Max Baron
auf der Werbe-Postkarte von 1897.
Quelle: Peter Strotmann

Zum 9. November: Erst Kaufhaus Max Baron, dann Heymann & Neumann und Defaka, heute Karstadt – die Geschichte eines „arisierten“ Kaufhauses   

Solch eine schöne Postkarte von 1897 hat es selten gegeben. Das wäre ein Bonbon für die Leser von Bremen History. So dachte ich es mir. Das Kaufhaus von Max Baron an der Obernstraße gleicht beinahe einem Puppenhaus. Und je länger man durch die Scheiben hineinschaut, desto mehr Details erkennt man.

Aber es kam ganz anders.

Schon fünf Jahre nach seiner Eröffnung wird das Kaufhaus ein Raub der Flammen. Daraufhin zerbricht die 1899 geschlossene Ehe, Max Baron verkauft das Warenhaus an Heymann & Neumann und verlässt Bremen. 1921 heiratet er zum zweiten Mal.

Alle genannten Personen sind Juden. Seine seine erste und auch die zweite Frau ebenso wie Samuel Heymann werden in den 1940ern in einem KZ ermordet. Unter Druck der Nazis gibt Leo Neumann sein Geschäft auf. Bei einem Luftangriff im Jahre 1944 wird das Haus zerstört und Anfang der 1950er für das Kaufhaus Defaka wieder aufgebaut. 1972 schließt Defaka und das angrenzende Kaufhaus Karstadt dehnt sich in den Bau aus.

Das Kaufhaus Max Baron

Eine gute Adresse: das Kaufhaus Max Baron an der Obernstraße, Ausschnitt der Werbe-Postkarte von 1897. Quelle: Peter Strotmann

Eine gute Adresse: das Kaufhaus Max Baron an der Obernstraße, Ausschnitt der Werbe-Postkarte von 1897.
Quelle: Peter Strotmann

Doch wie hat alles angefangen?

1896 lässt sich der in Fürstenberg bei Guben geborene Kaufmann Max Baron in Bremen nieder. Auf dem Grundstück Obernstraße 10 wird in seinem Auftrag das vorhandene Haus zum Kaufhaus umgebaut. Im Erdgeschoss und in der ersten Etage sind die Verkaufsräume, die zweite Etage soll seine Privatwohnung werden.

Der Eintrag im Bremer Adressbuch von 1898 lautet: Baron, Max & Co., Kurz, Weiß- und Galanteriewaren, etc. Geschäftstüchtig wie er ist, verkauft er auch „Zubehör“ wie Kinderwagen, aber auch Schokolade. Mit großen Anzeigen annonciert er regelmäßig in den Bremer Nachrichten. Das Geschäft wird von den Bremern gut angenommen.

Jetzt endlich ist er wer und kann ans Heiraten denken. Im Januar 1899 ehelicht er die 1874 geborene Henriette Hirschhahn, die wie er jüdischen Glaubens ist. Henriette wohnt bei ihren Eltern in der Pelzerstraße 21. Mit der Heirat zieht das Paar in die gemeinsame Wohnung Obernstraße 10 ein.

Das Schicksal schlägt zu

Doch das Schicksal meint es nicht gut mit Max Baron. Am 24. Januar 1903 bricht kurz vor Feierabend in seinem Kaufhaus an der Obernstraße 10 ein Brand aus. Die vermutete Ursache ist ein elektrischer Defekt im rechten Schaufenster.

Etwa zehn Minuten nach Brandausbruch geht die Meldung „Baron brennt“ in der Hauptfeuerwehrwache am Wandrahm ein. Nach 45 Sekunden startet das erste Feuerwehrauto, nach vier Minuten ist die 1050 Meter lange Strecke zur Brandstelle geschafft. Dank eines eingebauten Wassertanks kann sofort mit den Löscharbeiten begonnen werden. Eine Minute später sind insgesamt zehn Feuerwehrwagen an der Brandstelle. Doch das Feuer hat bereits den gesamten Warenbestand ergriffen, im ganzen Haus brennt es, die Schaufensterscheiben sind gesprungen und in Scherben auf den Bürgersteig gestürzt. Die Feuerwehr besetzt alle Hydranten mit Schläuchen und baut auch die Dampfpumpen zur Wasserentnahme aus der Weser auf.

Der Neubau: Links steht der 1911/12 von Heymann & Neumann errichtete Neubau, in Richtung Rathaus schließen sich mehrere Gebäude an, die 1930 für den Neubau des Karstadt-Kaufhauses abgerissen wurden. Quelle: Peter Strotmann

Der Neubau: Links steht der 1911/12 von Heymann & Neumann errichtete Neubau, in
Richtung Rathaus schließen sich mehrere Gebäude an, die 1930 für den Neubau des Karstadt-Kaufhauses abgerissen wurden.
Quelle: Peter Strotmann

Die Angestellten, meist junge Mädchen, die Kunden und Kundinnen, entkommen durch einen Hinterausgang in die Kreyenstraße. Max, Baron, der Geschäftsinhaber, rettet seine Frau, die gerade erst entbunden hat, aus den oberen Etagen und trägt sie zu ihren Eltern in die Pelzerstraße. Das Kindermädchen kümmert sich um das neugeborene Kind und trägt es ebenfalls zur Pelzerstraße. Danach geht sie nochmals ins brennende Haus, um weitere Habseligkeiten außer Haus schaffen. Aber keiner sieht sie mehr herauskommen. Doch später am Abend taucht sie ganz verstört, doch lebend, wieder auf. Damit sind keine Menschenleben zu beklagen.

Das Haus, eine Eisenträgerkonstruktion, nimmt wenig Schaden. Insbesondere, da die Feuerwehr die eisernen Stützen mit Wasser kühlte. Somit bleibt der Schaden auf das Haus beschränkt. Der Schaden soll über drei Versicherungen von gesamt 310.000 Mark gedeckt sein.

Max Baron gibt auf und verlässt Bremen

Wir wissen nicht, warum Max Baron sein ausgebranntes Kaufhaus nicht wieder aufbaut und weiter betreibt. Tatsache ist, dass die Ehe mit Henriette Hirschhahn zum Jahresende 1903 geschieden wird und sie wieder ihren Mädchenamen Hirschhahn annimmt. 1907 heiratet sie in zweiter Ehe Joseph Bach (1840 München bis 1942 München). Henriette wird Anfang der 1940er im KZ Auschwitz ermordet.

Bereits am 28. Oktober 1903 übergibt Max Baron sein Geschäft an die Firma Heymann & Neumann, Samuel Heymann und Leo Neumann sind beide Juden.

Diese bauen das Geschäft wieder auf und lassen im Jahre 1910/11 ein großes, stattliches Gebäude an der Obernstraße 15 errichten. (Neue Hausnummern ab 1904, da nicht mehr fortlaufend nummeriert wird, sondern mit geraden und ungeraden Hausseiten).

Imposant: das Warenhaus Heymann & Neumann auf einer Ansichtskarte aus den frühen 1930er Jahren. Quelle: Privat

Imposant: das Warenhaus Heymann & Neumann auf einer Ansichtskarte aus den frühen 1930er Jahren.
Quelle: Privat

Max Baron heiratet 1921 in zweiter Ehe die 1882 geborene Tochter eines Kaufmanns, Isabella Koppel, in Zutphen bei Apeldoorn/Niederlande. Am 14. Mai 1943 wird Isabella im KZ Sobibor ermordet. Für sie ist in Zutphen ein Stolperstein verlegt.

Über das Leben von Max Baron ist nichts weiter bekannt.

Karstadt nimmt Einfluss auf Heymann & Neumann

Karstadt kam 1902 nach Bremen und befand sich an der Ecke Sögestraße/Pelzerstraße. Erst 1930/31 wurde das jetzige Kaufhausgebäude an der Ecke Sögestraße/Obernstraße errichtet. Gleich daneben lag das Kaufhaus von Heymann & Neumann. Die Karstadt AG hatte sich nach 1933 selbst arisiert. Das bedeutet, dass alle jüdischen Mitarbeiter entlassen wurden. Da war ein jüdischer Betrieb in unmittelbarer Nachbarschaft vom Bremer Kaufhaus natürlich nicht tragbar.

Durch Boykottmaßnahmen nach der Machtübernahme 1933 gehen die Umsätze erheblich zurück, sodass Leo Neumann die Firma Anfang 1934 abwickeln lässt. Leo Neumann geht in die Schweiz. Das Berliner Textilkaufhaus „Gustav Cords“ übernimmt Heymann & Neumann, darf aber kein Vollsortiment-Kaufhaus betreiben um Karstadt keine Konkurrenz zu machen.

Leo Neumann bleibt Eigentümer der Immobilie Obernstraße 15. In den Folgejahren wird deshalb mit allen Mitteln versucht, ihn zum Verkauf zu bewegen. Als ihm ein zwangsweiser Verkauf angedroht wird, willigt er in einen Vertrag mit der Salamander AG ein und verkauft das Grundstück unter Wert. Sein ehemaliger Teilhaber Samuel Heymann, geboren 1853, wird 1942 im KZ Treblinka ermordet.

Das ehemalige Kaufhaus von Heymann & Neumann wird am 6. Oktober 1944 zum großen Teil zerstört. Nach dem Wiederaufbau Anfang der 1950er betreibt der Horten-Konzern dort das Kaufhaus Defaka. Nachdem Horten auf dem Grundstück des ehemaligen Lloydgebäudes ein eigenes Warenhaus in Bremen eröffnet hat, wird das Defaka-Haus aufgegeben. 1972 übernimmt Karstadt das Gebäude und kann somit seine bestehende Verkaufsfläche wesentlich erweitern.

Das ist die Geschichte, die mit einer so schönen Werbe-Postkarte begann.

von Peter Strotmann

Eine Ansichtskarte, die tief blicken lässt: das Kaufhaus Max Baron an der Obernstraße 10. Quelle: Peter Strotmann

Eine Ansichtskarte, die tief blicken lässt: das Kaufhaus Max Baron
an der Obernstraße 10.
Quelle: Peter Strotmann

120 Jahre Kleinbahn Jan Reiners

120 Jahre „Jan Reiners“

Eine Kleinbahn schreibt Geschichte

Mehr als 50 Jahre fuhr die Schmalspurbahn „Jan ­Reiners“ von Bremen nach Tarmstedt. Der erste Zug starte im Oktober 1900 vom Parkbahnhof, endgültig stillgelegt wurde die Linie 1956. Gehen Sie mit uns auf Zeitreise. Die vierte Ausgabe des ­Magazins WK | Geschichte bietet spannende Reportagen, beeindruckende Bilder und viele Informationen rund um die legendäre Bahn.

Jetzt bestellen