120 Jahre „Jan Reiners“
Eine Kleinbahn schreibt Geschichte
Mehr als 50 Jahre fuhr die Schmalspurbahn „Jan Reiners“ von Bremen nach Tarmstedt. Der erste Zug starte im Oktober 1900 vom Parkbahnhof, endgültig stillgelegt wurde die Linie 1956. Gehen Sie mit uns auf Zeitreise. Die vierte Ausgabe des Magazins WK | Geschichte bietet spannende Reportagen, beeindruckende Bilder und viele Informationen rund um die legendäre Bahn.
Vor 50 Jahren
Der Wetterumschwung vom Donnerstag kam vielleicht gerade noch rechtzeitig, bevor das Schlimmste eintreten konnte. Für die ackerbautreibenden Landwirte im Süden und Osten der Hansestadt, in Farge und Rekum lag das Schlimmste buchstäblich in der Luft: nämlich in jener von Feuchtigkeit gesättigten Atmosphäre der Tage davor, die das kümmerlich gewachsene und von anhaltenden schweren Regengüssen niedergewalzte Getreide durch Auswuchs gänzlich zu verderben drohte. Die Strohausbeute verspricht hier ohnehin so dürftig auszufallen, dass sich nach Auskunft der Landwirtschaftskammer Bremen die Rindviehhalter bemühen müssen, aus den Getreidebaugebieten zusätzliche Stallstreu heranzuschaffen. (WESER-KURIER, 1./2. August 1970)
Hintergrund
„Am Wetter war dieses Mal nahezu alles verkehrt“, titelte der WESER-KURIER Anfang August 1970. Das Frühjahr und der Sommer 1970 hatten die Bauern im Land Bremen vor erhebliche Probleme gestellt. Erst regnete es zu viel, dann viel zu wenig. Im Frühjahr gab es im Vergleich zum Durchschnitt der vorherigen Jahre 20 Regentage mehr. Der Mai, Juni und August waren dann mit insgesamt 17 Regentagen zu wenig viel zu trocken. Daran änderten auch die drei Wochen mit Dauerregen im Juli nichts.
Die Folge: Die Preise für die Getreideprodukte schossen in die Höhe. Wie das Bundesministerium im November 1970 mitteilte, überschritten die Marktpreise das Interventionsniveau, also den Mindestpreis für diese Produkte, in einem bis dato nicht üblichen Maß. Die Erlöse bei Roggen stiegen um 6 DM, bei Weizen um 8 DM und bei Braugerste sogar um 40 DM pro Tonne. „Grund für diese Entwicklung seien unter anderem die kleineren Anfangsbestände an Getreide, auch wirkte sich die kleinere Ernte aus“, hieß es deshalb am 20. November 1970 im WESER-KURIER.
Auch heute stellen Extremwetterlagen noch eine erhebliche Bedrohung für die Landwirtschaft dar. Regnet es über einen langen Zeitraum zu viel oder zu wenig, sei die Ernte nicht zu retten, sagt Christian Kluge, Geschäftsführer des Bremer Bauernverbandes, und fügt an. „Aber die Schlagkraft ist heute eine ganz andere.“ Früher seien die Bauern mit Pferdewägen über die Felder gelaufen, vieles sei Handarbeit gewesen. „Heute haben wir große Mähdrescher. Da können wir gute Wetterphasen schneller ausnutzen“, sagt Kluge.
Im Jahr 1970 trieb die Bauern in Bremen jedoch noch eine andere Sorge um. Am 11. November 1970 vermeldete der WESER-KURIER, dass die Bauern mit ihrem Einkommen unzufrieden und Preiserhöhungen für die Produkte nötig seien, um die Erlöse um mindestens zehn Prozent aufbessern zu können. Der Hintergrund: Gegenüber dem Jahr 1960 hatten die Bauern ihre Nahrungsmittelproduktion je Arbeitskraft mehr als verdoppelt, lagen mit dem Einkommen aber deutlich unter dem Durchschnittseinkommen der übrigen Wirtschaft. Es sollte noch ein halbes Jahr dauern, doch am 6. April 1971 titelte der WESER-KURIER: „Bauern erhalten Finanzhilfe“. Die Bundesregierung stellte ihnen 480 Millionen Mark zur Verbesserung der finanziellen Lage zur Verfügung.
Dennoch mussten viele kleinere Landwirtschaftsbetriebe in den letzten 50 Jahren aufgeben. Gab es im Jahr 1970 noch rund 700 Betriebe im Land Bremen, sind es heute nur noch 145. Für Christian Kluge hat das ganz einfache Gründe: „Einige Familienbetriebe haben keine Nachfolger gefunden, andere hatten nicht die Größe, um die gestiegenen Anforderungen zu stemmen.“ Das bestätigt ein Blick auf die Größe der einzelnen Betriebe: War im Jahr 1970 ein durchschnittlicher Betrieb noch 20 Hektar groß, sind es heute fast 60 Hektar. „Es ist heutzutage mehr Fläche nötig, um am Markt bestehen zu können”, sagt Kluge.
Trotz des deutlichen Rückgangs in der Anzahl der Betriebe sieht der Geschäftsführer des Bremer Bauernverbandes in der Landwirtschaft noch eine große Bedeutung für das Land Bremen. „Die Landwirtschaft hat nach wie vor einen hohen Stellenwert für die Nahrungsmittelproduktion, gerade bei regionalen Produkten, und die Pflege der Kulturlandschaft in Bremen. Gerade die von den Bremern so geliebten Naherholungsgebiete sind so schön, weil es dort noch Landwirtschaft gibt“, sagt Christian Kluge.
Wenn die Ernte wetterbedingt schlecht ausfällt, fängt in der Landwirtschaft das Bangen an. Die Aufnahme zeigt die Ernte in Grohn im Spätsommer 1959.
Quelle: WK-Archiv