Zum Abbruch des ehemaligen Gemeindehauses Unser Lieben Frauen
In einer Stadt wird hier und dort mal ein Gebäude abgerissen. Es soll Platz geschaffen werden für etwas Neues, Größeres, Anderes, ja vielleicht auch Schöneres. Für einige Leute ist es egal, wenn ein Gebäude dem Erdboden gleichgemacht wird. Es gibt auch andere, die keine Veränderung mögen und alles bewahrt haben möchten. Eine Gruppe hat jedoch noch lange viele Erinnerungen, wie es früher einmal war. Wenn ein Gemeindehaus abgerissen wird, dann sind es viele Kinder-, Jugend- und Erwachsenengruppen, die mit dem Abbruch einen Ort der Erinnerung verlieren. Denn da wurde gelehrt und gelernt, gebetet und gesungen, gelacht und geweint, gefeiert und getrauert, gegessen und getrunken und noch so vieles mehr. Das alles passierte hinter den Mauern des Gemeindehauses Unser Lieben Frauen am Schwachhauser Ring 61.
Warum das Gemeindehaus Unser Lieben Frauen nach Schwachhausen kam
Die alte, ehrwürdige Liebfrauenkirche, die 1220 in Unser Lieben Frauen-Kirche umbenannt wurde, war seit 1229 eine der vier städtischen Pfarren. Als dann die Stadt über ihre Altstadtgrenze hinauswuchs, kam ein Teil vom heutigen Stadtteil Schwachhausen hinzu. Mit der stetigen Bebauung des Gebietes, verstärkt nach 1900, sowie mit der Planung für Neu-Schwachhausen wurde nach 1945 unbedingt ein Gemeindehaus mit Kapelle nötig. Das wurde von 1953/55 auf dem Grundstück Schwachhauser Heerstraße 61 errichtet.
Es hatte im Erdgeschoss eine Kapelle mit circa 200 Sitzplätzen sowie dazugehörige Nebenräume. In der ersten Etage befand sich eine Anzahl Gruppenräume. In der zweiten Etage gab es einen Veranstaltungsraum, den Kaminsaal, Arbeitsräume für die Pastoren und Pastorinnen, Bibliothek, Küche. Im Dachgeschoss lag eine Wohnung für den Hausmeister. Außerdem gab es ein Treppenhaus, Fahrstuhl, Toiletten auf allen Etagen sowie eine Kohlenheizung (später Gasheizung) im Keller.
Warum das Gemeindehaus aufgegeben und abgebrochen wurde
Um es kurz zu machen: Das Gemeindehaus wurde nur noch wenig genutzt und war nicht behindertengerecht. Um es weiter zu betreiben, hätte man es umbauen müssen.
An der H. H. Meier-Allee 40a, also gleich um die Ecke, besaß die Gemeinde auch noch einen Kindergarten. Da beschloss die Gemeinde, ein neues Gemeindezentrum an der H. H. Meier-Allee zu bauen. Dieses wird eine Kindertagesstätte und ein Gemeindehaus unter einem Dach vereinen. Dazu wurde der Kindergarten ausgelagert und das Gebäude abgebrochen. Das Gemeindehaus am Schwachhauser Ring 61 wurde an einen Investor auf Abbruch verkauft. Der Verkaufserlös dient zur Finanzierung des neuen Gemeindezentrums. Dieses ist nahezu fertig und wird am Samstag, 26. August 2017, um 12 Uhr offiziell eröffnet.
Warum ein Abbruch interessante Einblicke freigibt
Wie in der fotografischen Ansicht vom 7. Juli 2017 zu sehen ist, hat der alte Ziegelsteinbau wirklich starke Außenmauern. Die Abbruchexperten sind trotz ihrer niederreißenden Tätigkeit so vorgegangen, als sollte der verbleibende Gebäuderest noch wieder verwendet werden. Wer dachte, er würde das Gemeindehaus in- und auswendig gekannt haben, fragt sich: Welche Räume mögen das wohl gewesen sein? Von der Mitte aus links sehen wir über drei Etagen so eine Art kleine Fenster. Das waren Türen der Aufzugsanlage vom Erdgeschoss in die zentralen Küche der zweiten Etage. In der Küche wurde das Geschirr, Kaffee und Kuchen und so weiter für die beiden unteren Etagen bereitgestellt. In der zweiten Etage hängt ganz links noch ein Warmwasser-Speicher an der Wand.
So ein Gebäude in der Wirklichkeit statt auf einer Zeichnung zu sehen ist ein seltenes Erlebnis. Wie mag es hinter der offensichtlich erst nachträglich aufgemauerten Wand aussehen? Im Dachgeschoss war die Hausmeisterwohnung. Die Tür führte vom Flur ins Badezimmer. Hier befand sich eine kleine Holztreppe zum Aufgang in den Spitzboden.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Geschichte bei Bremen History wird auch das letzte Stück vom ehemaligen Gemeindehaus abgebrochen und abgefahren sein.
Wir sind alle sehr gespannt, wie der Neubau aussehen wird. Auflösung folgt!
Warum es sich für den Investor rechnet
Die Firma Kathmann besorgt sowohl den Abbruch des Bestandsgebäudes als auch den Neubau eines voll unterkellerten Mehrfamilienhauses mit 15 Wohneinheiten. Die voraussichtliche Fertigstellung soll Ende 2018 erfolgen.
Der Autor meint: Der geplante Neubau ist ein sehr gelungenes Beispiel, wie man im Bestand bauen sollte.
*Nachtrag: Was noch gerettet wurde
Es wäre zu schade gewesen, wenn wirklich alles in den Müll gewandert wäre. Es war zu hören, dass
- ein Teil der Kaminkacheln sauber abgestemmt werden konnte und an interessierte Gemeindemitglieder gegeben wurde,
- die Orgel der Kapelle in der Kapelle des Gemeindezentrums wieder aufgebaut wurde,
- die Bestuhlung auch im neuen Gemeindezentrum Verwendung findet,
- das Relief, das über dem Eingang zur Kapelle ins Mauerwerk eingelassen war, jetzt den Eingang zum Gemeindezentrum ziert.
von Peter Strotmann