Freiherr von Hünefeld organisierte den Atlantikflug von 1928 / Als Pressesprecher des Norddeutschen Lloyd tätig
Am Rathaus erinnert eine Gedenktafel an ihn und seine beiden Mitstreiter, in der Böttcherstraße eine Figurentafel des Glockenspiels: der Ozeanflieger Freiherr von Hünefeld genießt großes Ansehen in Bremen. Doch warum eigentlich, was verbindet den gebürtigen Ostpreußen mit der alten Hansestadt? Die Antwort: Als Pressesprecher des Norddeutschen Lloyd hatte er in Bremen eine neue Heimat gefunden, seine exzellenten Verbindungen in die High Society verschafften ihm den finanziellen Rückhalt zur Verwirklichung seines großen Traums – der ersten Non-Stop-Überquerung des Atlantiks in Ost-West-Richtung.
Nur wenigen Touristen fällt sie auf. Das Interesse der meisten Menschen gilt den Stadtmusikanten oder dem Bremer Roland. Die kleine, von Rudolf Alexander Schröder entworfene Tafel an der dem Dom gegenüber liegenden Seite des Rathauses findet dagegen kaum Beachtung.
Erinnert wird damit an den am 1. Mai 1892 in Königsberg geborenen Offizierssohn Ehrenfried Günther Freiherr von Hünefeld. Eine Ergänzung findet der aufmerksame Beobachter in der Böttcherstraße, wenn dort am Haus des Glockenspiels regelmäßig um 12 und 15 Uhr das Spiel erklingt. Auf einer der von Bernhard Hoetger entworfenen Reliefs „Bezwinger des Atlantiks zu Wasser und zu Luft“ ist von Hünefeld gemeinsam mit dem Lufthansa-Piloten Hermann Köhl sowie dem irischen Militärpiloten James Christopher Fitzmaurice zu erkennen.
Vom 12. auf den 13. April 1928 gelang dem Trio innerhalb von 36 ½ Stunden, den Atlantik erstmals in Ost-West-Richtung zu überqueren.
Heute nahezu vergessen, genoss von Hünefeld wegen seines abenteuerlichen Lebens und nicht zuletzt der waghalsigen Überquerung des Atlantiks einst national hohes Ansehen.
Hünefeld wirkte nicht wie ein Abenteurer
Dabei waren die meisten, die ihn erstmals sahen, wohl eher enttäuscht. Denn sein Äußeres wollte nicht so recht passen zu dem Bild, das man gemeinhin von einem waghalsigen Abenteurer hat. Von schmächtiger, kränklich wirkender Statur, auf einem Auge blind, machte von Hünefeld alles andere als einen entschlossenen Eindruck. Wer ihn hingegen genauer kannte, der lernte einen Menschen von großer Willensstärke kennen, mit einer großen Leidenschat für Kunst und Kultur.
Zwei Seiten, als Teil seines elterlichen Erbes, bestimmten somit sein Wesen. Dominierte die väterliche Linie durch preußische Tugendenden wie Pflichterfüllung, Sachlichkeit, Zielstrebigkeit, so hatte er von seiner Mutter die Liebe zur Literatur, zur feingeistigen Kultur vererbt bekommen. Zwischen diesen beiden Polen bewegte sich von Hünfelds Leben. Und so unversöhnlich sie auf den ersten Blick auch scheinen, so ergänzten sie sich in seiner Biographie auf vorteilhafte Weise.
Sein labiler gesundheitlicher Zustand, der ihn sein Leben lang begleiten sollte, schloss einen regelmäßigen Schulbesuch aus. Gemeinsam mit der Mutter bemühte sich ein Hauslehrer die vorhandenen Bildungslücken soweit als möglich zu füllen. Und ebenso sporadisch waren auch später seine Studien an der Berliner Universität. Von Hünefeld berührte dies aber nicht sonderlich, denn zu Hause fühlte er sich da schon längst in der Welt der Berliner Bohéme, die sich im „Café Größenwahn“ zusammenfand. Wenn er gekonnt hätte, so wäre er wohl gerne auf Dauer ans Theater gegangen.
Und so war sein Kontakt zur Fliegerei letztlich auch einem Zufall geschuldet. Während seiner Tätigkeit als Dramaturg in Berlin beobachtete er wiederholt die Aktivitäten auf dem nahe gelegenen Flugplatz Johannisthal. Umgeben von einer Aura aus Romantik und Abenteuerlust, entsprach die Fliegerei so ganz seiner inneren Leidenschaft, weshalb er 1912 eine Flugausbildung begann.
Durch Splitter schwer verletzt
Berauscht von der Kriegseuphorie der ersten Wochen, die vor allem von der akademischen Jugend getragen wurde, meldete sich auch von Hünefeld freiwillig zum Kriegsdienst. Seine schlechte körperliche Verfassung ließ allerdings eine Verwendung bei der Truppe nicht zu. Um dennoch mit dabei sein zu können, wurde er Kraftfahrer beim Marinestab im belgischen Antwerpen. Schon bald holte ihn die grausame Wirklichkeit des Krieges ein. Im September 1914 wurde er während eines Einsatzes durch Splitter an den Beinen so schwer verletzt, dass er sich trotz einer einjährigen Genesungsphase von der Verwundung nie wieder vollständig erholen sollte.
Beziehungen zur kaiserlichen Familie verhalfen ihm nach seiner Krankenhausentlassung zum Eintritt in den diplomatischen Dienst. Das Geschick, mit dem er seinen Aufgaben auf dem Balkan nachkam, blieb auch dem Auswärtigen Amt nicht verborgen, weshalb man ihn 1916 als Vizekonsul ins holländische Maastricht entsandte. Am Ende des Krieges traf er dort auf den deutschen Kronprinzen, der seinen Vater ins niederländische Exil begleitet hatte. Kurz entschlossen stellte er sich in dessen Dienst, kehrte 1920 aber zurück nach Deutschland.
Bremen, das er sich aus Wohnort ausgesucht hatte, stellte sich dabei als glückliche Wahl heraus. Über eine kurze Tätigkeit bei der Reichsfinanzverwaltung fand er 1923 schließlich eine Anstellung als Presse- und Propagandachef beim Norddeutschen Lloyd.
Schillernde Figur in der High Society
Schnell zeigte sich, dass er hier seine eigentliche berufliche Erfüllung fand. Sein weltgewandtes Auftreten ließ ihn zu einer schillernden Figur der Bremer Gesellschaft werden und seine Wohnung in der Rembertistraße zu einem beliebten Treffpunkt. Raum für Spekulationen bot einzig das Fehlen einer weibllichen Begleitung sowie seine enge mütterliche Bindung.
Die Bremer Jahre lassen aber auch ein anderes Bild Hünefelds, als das des glorreichen Ozeanfliegers, durchschimmern. Als überzeugter Anhänger der Monarchie engagierte er sich als Redner für die Deutschnationale Volkspartei, deren Mitglied er war und tat sich als Mitarbeiter rechtsstehender Zeitungen hervor. Und wenn wir dem Historiker Schwarzwälder glauben können, so hätte von Hünefeld, als er von den Putsch-Aktivitäten Hitlers hörte, nur zu gerne gemeinsam mit der sogenannten „Rüthnick-Gruppe“ auch in Bremen losgeschlagen.
Eine Mischung aus Tatendrang, Ehrgeiz und Geltungsbedürfnis trieben von Hünefeld Zeit seines Lebens voran. War die Richtung zunächst noch eher unbestimmt, so sollte eine Magenkrebserkrankung im Jahre 1926 dies ändern. Denn so grausam die Diagnose auch war, so befreite sie ihn letztlich von hemmenden Zweifeln und war Startsignal für die Planung des späteren Atlantikfluges.
Nach allem, was wir wissen, entspann sich die Idee zum Flug im Verlaufe eines Gespräches, das er im Juni 1927 als Vertreter des Norddeutschen Lloyd mit den Ehefrauen der beiden Ozeanflieger Chamberlin und Levine führte. Clarence D. Chamberlin hatte nur wenige Wochen nach dem geglückten Flug von Charles Lindberg ebenfalls den Atlantik überquert, wobei er erstmals mit Charles A. Levine einen Passagier an Bord hatte.
Auch Roselius unterstützte den Plan
Neben dem Prestige und Abenteuer, das ein solches Vorhaben bieten würde und seinem Wesen entsprach, sah von Hünefeld im aufkommenden Flugwesen aber auch die Chance, die Völker näher aneinander rücken zu lassen, indem trennende Räume überwunden werden. Für die finanzielle Absicherung seines Vorhabens kamen ihm die Kontakte der vergangenen Jahre zugute, die er in seiner Position beim Lloyd, aber auch als beliebtes Mitglied der Bremer Gesellschaft hatte aufbauen können. Zurückgreifen konnte er nicht zuletzt auf die Unterstützung durch den Kaufmann und Mäzen Ludwig Roselius, den Bremer Finanzsenator Heinrich Bömers sowie auf den Bremer Vertreter der Danat-Bank, Geheimrat Dr. Strube.
Einen ersten Versuch unternahm von Hünefeld am 14. August 1927, also nur wenige Monate nach dem erfolgreichen Flug Charles Lindbergs. Das schlechte Wetter ließ das Flugzeug allerdings nur bis Irland gelangen. Dieser Misserfolg und weitere Unglücke in der Luftfahrt ließen die öffentliche Meinung umschwenken und die Euphorie, die anfangs noch geherrscht hatte, verflüchtigte sich.
Allen Widerständen zum Trotz organisierte von Hünefeld einen zweiten Versuch.
Gemeinsam mit seinen Mitstreitern, dem irischen Offizier James Fitzmaurice und dem Lufthansapiloten Hermann Köhl, schaffte er es, mit der einmotorigen Junkers W 33 „Bremen“ innerhalb von 36 ½ Stunden den Atlantik vom irischen Baldonnel nach Greenly Island auf der kanadischen Halbinsel Labrador zu überqueren. Die Weltöffentlichkeit jubelte, als sie von dem geglückten Unternehmen erfuhr. Die Stadt New York bereitete dem Trio eine triumphale Fahrt durch die Straßen der Stadt und der Bremer Senat verlieht den Ozeanfliegern die Goldene Preismedaille.
Der seit Jahren kränkelnde von Hünefeld wusste aber, dass seine Zeit abgelaufen war, weshalb er noch möglichst aktiv sein wollte, so lange sein Körper dies erlaubte. Am 18. September 1928 startete er daher mit dem schwedischen Piloten Lindner zu einer einmonatigen Flugreise von Berlin nach Tokio. Am Ziel angekommen, waren seine Kräfte aufgebraucht. Seine Krebserkrankung machte eine Operation unausweichlich. Und obwohl diese glücklich verlaufen war, starb er in den Abendstunden des 5. Februar 1929 im Berliner Westendsanatorium. Unter großer öffentlicher Anteilnahme wurde Ehrenfried Günther Freiherr von Hünefeld am 9. Februar zu Grabe getragen. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Friedhof Steglitz.
von Sönke Ehmen