Der Pfeil zeigt auf die Lage der Gaststätte „Kaiser-Automat“ von Wilhelm Unterbrink an der Hutfilterstraße 34-36 von 1912 bis 1920.
Quelle: Stadtteilarchiv Bremen-Neustadt

Gaststätten-Lexikon: Kaiser-Automat an der Hutfilterstraße 

Die richtige Lage macht’s. Das wusste auch Wilhelm Unterbrink, als er 1907 nach Bremen kam, um als 30-Jähriger eine Gaststätte zu eröffnen. Da kam ihm der soeben fertig gestellte Neubau Hutfilterstraße an der Ecke zum Brill ganz gelegen. In den Jahren 1907 bis 1911 betrieb er dort eine herkömmliche Gaststätte mit Bedienung an den Tischen.

Doch dann ließ er sich von einem Verkäufer der Firma Kaiser-Automat (Sitz in Metz/ Lothringen, das von 1871 bis 1918 zum Deutschen Reich gehörte, dann zu Frankreich) die Ausstattung zu einer Selbstbedienungsgaststätte mit dem Kaiser-Automaten überreden. 1912 war die Anlage installiert:

Eine Wand auf der rechten Seite mit Automaten für Biere, sowie für Weine & Liköre. Eine Wand auf der linken Seite mit Automaten für Brötchen, warme Speisen & Getränke.

Ein richtiger Hingucker

Die Fronten waren in bestem Jugendstil gehalten und damit richtige Hingucker. Seinen Gästen wird es sichtlich Freude gemacht haben, die Automaten mit Münzeinwurf zu bedienen. Auch konnte der Kaiser-Automat, sofern er gut gefüllt war und funktionierte, innerhalb kurzer Zeit viele Menschen beköstigen. Aber es war und blieb ein Stehimbiss, dem die Gemütlichkeit fehlte.

Kaiser-Automat, rechte Seite: ganz rechts im Bild – sieben Zapf-Automaten für Bier, mittig: zehn Zapf-Automaten für Wein & Liköre, davor Stehtische.
Quelle: Peter Strotmann

Obwohl er in den Jahren einen großen Umsatz verzeichnen konnte, machte er nur Verluste. Die Gründe waren vielfältig, insbesondere sind zu nennen: Die Kapitalkosten für den Kaiser-Automat, Umsatzrückgang im Ersten Weltkrieg, es wurde mehr Personal benötigt als geplant, Fehlfunktionen der Automaten, der Reiz des Neuen verpuffte mit der Zeit, der Jugendstil war nicht mehr gefragt, Deutschland hatte keinen Kaiser mehr…

1920 gab er die Gaststätte auf. 1921 eröffnete er an der Kaiserstraße (heute Bürgermeister-Smidt-Straße) ein Restaurant mit Cabaret. 1929 starb Wilhelm Unterbrink im 52. Lebensjahr. Der Verbleib des Unterbrink’schen Kaiser-Automaten ist nicht bekannt. Nach 1918 zog die Lieferfirma Kaiser-Automat von Metz nach Kassel und ging 1927 in Konkurs.

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Das könnte einem beim Anblick dieses Automaten durch den Kopf schießen. Man denkt an die Maschinerie, die hinter der glänzenden Fassade verborgen ist. Und bestimmt wird schon jeder irgendwann mal die Tücken eines Verkaufsautomaten erlebt haben.

In Meyer’s Konversations-Lexikon von 1905 sind derartige Geräte beschrieben und die Funktionsbeschreibung nachstehend auszugsweise wiedergegeben:

Durch K auf F: Skizze eines Verkaufsautomats von 1905.
Quelle: Meyer’s Konversations-Lexikon von 1905

Automatische Verkaufsapparate (Automaten, Verkaufsautomaten), sind Vorrichtungen, bei denen durch ein hineingeworfenes Geldstück von bestimmtem Gewicht eine Sperrung ausgelöst wird und der in Tätigkeit tretende Mechanismus ein Stück der zu verkaufenden Ware auswirft (Abgeber, Selbstabgeber).

Eine der verbreitesten Anordnungen besteht aus der Schieblade (Fig.1.) mit dem Verkaufsgegenstand, der aus dem Vorratsbehälter A hineinfällt. Mit S ist ein Blechstück verbunden, dass einer Feder F schwebt und in der gezeichneten Lage gegen die feste Kante a tritt und S festhält. Über B befindet sich der Einwurfskanal K. Fällt nun das Geldstück m durch K auf B, so gibt F nach, wodurch das Blech so tief sinkt, dass der Einschnitt e unter der Kante a tritt und das Herausziehen der Schieblade S gestattet, wobei das Geldstück zugleich in den Behälter G fällt. Beim Einschieben von S schnappt B wieder unter die Kante a und füllt sich S mit einem weiteren Verkaufsobjekt.

Heute arbeiten die meisten Münzautomaten elektronisch, d.h. die eingeworfenen Münzen werden mit Leuchtdioden und Fotosensoren auf Gewicht, Form und Leitfähigkeit der Zusammensetzung geprüft. Erst wenn das alles übereinstimmt wird die Ware auf „irgendeine geheimnisvolle“ Art und Weise herausgegeben.

 

Hutfilterstraße 34-36

Name:Kaiser-Automat

Art: Automaten Restaurant

Inhaber: Wilhelm Unterbrink

von-bis: 1912 bis 1920

2016: Mehrfach überbaut, heute Brillissimo

von Peter Strotmann

Der Kaiser-Automat: links im Bild – Kuchen & Belegte Brötchen,
rechts: Warme Speisen & Getränke,
davor Stehtische.
Quelle: Peter Strotmann

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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