28. Dezember 1880: Situation angespannt / Dorfvorsteher warnt vor Folgen eines Deichbruchs (Teil 1)
Die Überschwemmungen von 1880/81 sind nur noch ausgewiesenen Kennern der Bremer Geschichte ein Begriff. Um Geschichtsinteressierten die verheerenden Ausmaße der doppelten Hochwasser-Katastrophe vor Augen zu führen, schlüpft Bremen History-Autor Peter Strotmann in die Rolle eines zeitgenössischen Journalisten. Als Redakteur der „Bremer Nachrichten“ berichtet er über den Gang der Ereignisse und die Lage in den einzelnen Hochwasser-Gebieten. Seine Artikel sind zwar fiktiv, beruhen aber auf gründlich recherchierten Tatsachen und könnten so in der Zeitung gestanden haben. Die genannten Personen sind nicht erfunden, sie haben wirklich gelebt und die ihnen zugeschriebenen Positionen bekleidet. Im letzten Teil der Serie wird dokumentiert, wo noch heute Zeugnisse dieser Überschwemmungen im Bremer Stadtgebiet zu finden sind.
Am Oberlauf der Weser stehen bereits weite Landstriche unter Wasser. Nun droht auch die Wümme über die Deiche zu treten. Schon jetzt liegt der Wasserstand bei 7,52 Meter über Normal-Null. Ein anschauliches Bild von der angespannten Situation gibt der Bericht des Dorfvorstehers des Nieder- und Oberblocklandes. Seine Schilderungen verheißen nichts Gutes.
Wie wir bereits mehrfach berichteten, sind bedingt durch die starken Regenfälle der letzten Wochen, bereits seit dem 2. Dezember 1880 weite Teile am Oberlauf der Weser überschwemmt. Die ganze Ochtumniederung von Hoya und Dreye und weiter Stuhr, Moordeich, Huchting und Hasbergen, sowie einige Teile von Bremen stehen unter Wasser.
Nunmehr ist die Wümme bis an die Deichkronen gefüllt. Der Wasserabfluss in die Weser ist durch ungünstige Winde vereitelt. Am 27. Dezember 1880 betrug der Wasserstand am Bremer Pegel 5,24 Meter. Das entspricht 7,52 Meter über Normal-Null.
Wir brauchen es nicht besonders zu betonen, dass wenn die Wümmedeiche brechen, wir auch auf der linken Seite „Land unter“ haben werden.
Mit reitendem Boten erhielten wir soeben einen Bericht des Dorfvorstehers des Nieder- und Oberblocklandes Hinrich Sinning, den wir hier wiedergeben:
„Seit Tagen schüttet sich der Himmel über unser Land. Das wäre es ja nicht, denn es fließt wohl kein Tropfen in die Weser. Der Wasserstand ist nur am Steigen. Unsere fast hundert Mannen kontrollieren die Deiche pausenlos. Hier und da schwappt das Wasser bereits über die Deichkrone, und zwar Richtung Bremen und auch nach Lilienthal. Wir haben nur noch einen kleinen Vorrat an Kleie. Damit können die Männer vielleicht ein paar Löcher flicken. Des Sonntags saßen wir in unserer Kapelle Niederblock 18 zusammen und haben den Herrgott angefleht: Bitte, lass die Deiche nicht brechen! Unsere Häuser sitzen auf Wurten etwa einen Meter über der Deichkrone. Die mögen daher sicher sein.
Aber dort, wo das Wasser überschwappt, wird der Deich von hinten ausgewaschen und beginnt sich aufzulösen. Auch ist die Kleieschicht an der Wasserseite oft nicht dicht und immer stärker werdende Rinnsale ergießen sich durch den Deich ins Land hinein. Der Fahrweg am Deichfuß steht das Wasser schon über einen Meter hoch. Wenn der Regen doch nur aufhören würde. Eine Stelle ist besonders gefährdet, und zwar der Deich zwischen Niederblockland 14 und 15. Wenn es hier zum Bruch kommt, dann gnade uns Gott.“
Die Nachrichten aus dem Blockland verheißen nichts Gutes und wir können uns den Gedanken des Blocklander Dorfvorstehers nur anschließen. Es droht eine erneute Wassernot.*
*Wassersnot ist eine Überschwemmung, insofern dabei Menschen und Tiere in Lebensgefahr kommen.
Neue Nachrichten in unserer nächsten Ausgabe.
Wir wollen uns, zusammen mit den Lesern, im Folgenden die schrecklichen Überschwemmungen der jüngeren Vergangenheit noch einmal vor Augen führen.
Das Hochwasser von 1771
Da wäre das Hochwasser von 1771, von dem unsere Urgroßeltern noch weiter berichtet haben mögen. Deichbrüche traten alle Jahre zur Zeit der Schneeschmelze auf.
Auch in der Stadt Bremen führten sie zu Überschwemmungen. 1771 ereignete sich wohl die bisher schlimmste Katastrophe, und zwar hatte sich bei Rönnebeck eine Eisbarriere in der Weser gebildet. Das Wasser staute sich auf, das Wasser lief über die Deiche. Zuerst brach der Deich in Gröpelingen und die rechte Weserseite wurde überschwemmt. Dann brach auch der Deich bei Woltmershausen und setze das Gebiet auf der linken Weserseite unter Wasser. Aber auch in die Vorstädte und die Altstadt drang das Wasser ein.
Hunderte von Arbeitern versuchten, die Eisbarriere zu beseitigen. Nach einer Woche Arbeit floss das Wasser endlich in Richtung Nordsee. Aber Bremen und das Umland waren verwüstet und verschlammt.
Deichbruch von 1827
Am 6. März 1827 stand der Pegel der Weser bei 7,29 Meter über Normal-Null. Da brachen die Deiche oberhalb Bremens. Der Eisenraddeich (Teilstück des Osterdeichs in der Nähe des Sielwalls) zum Schutze der östlichen Vorstadt wurde in Teilen zerstört.
Zehn Tote bei Überschwemmung von 1830
Vom 1. bis 7. März 1830 bricht im Dorf Hastedt der Deich an mehreren Stellen, zehn Menschen ertrinken und 39 Familien werden obdachlos. Deichbrüche gab es in den Gemeinden Hemelingen, Mahndorf, Horstedt und Habenhausen, an der Wümme zwischen Borgfeld und Kathrepel sowie an der Lesum oberhalb von Burg. Vorangegangen war ein früher Winter mit starkem Schneefall, dem Ende Februar ein plötzlicher Witterungswechsel mit starken Regenfällen im gesamten Flussgebiet folgte. Das Blockland wurde überschwemmt, das Wasser stand bis zur Rembertistraße, der Vorort Schwachhausen bildete eine Insel. Zu Deichbrüchen und Überschwemmungen kam es ferner im Niedervieland, im Werderland (Eis staut bei Vegesack), in Huchting, Stuhr und Hasbergen. Das Wasser ging nur langsam zurück. Wichtige Straßenverbindungen waren zeitweise unterbrochen.
1841: Flucht auf ein Hausdach
Das Bild soll die Überschwemmung am Buntentorsteinweg im Januar 1841 darstellen. Vermutlich wird hier kein bestimmtes Haus gezeigt, sondern die schrecklichen Folgen eines Hochwassers im Allgemeinen. Das Wasser steht bis zur Traufe, einige Personen und Tiere haben sich auf das Dach gerettet. Der Vater ruft um Hilfe, die Mutter sitzt mit zwei Kindern im Trockenen, ebenso die Katze. Auf der Rückseite des Daches sieht man noch einen Frauenkopf. Im Vordergrund sitzt auf einem weiteren Dach ein Mann mit einem Kind auf dem Rücken, im Korb hat er vermutlich ein paar Lebensmittel. Ein Hund versucht, vom Wasser auf das Dach zu kommen. Auf der Wasserfläche sehen wir ein Boot, das den Eingeschlossenen zu Hilfe kommt.
Pegelstand 1845 mit Rekordmarke
Nachdem das Tauwetter eingesetzt und es langanhaltend geregnet hatte, wurde Bremen zwischen dem 30. März und dem 2. April 1845 überraschend von einer Überschwemmung heimgesucht. Das Wasser erreichte den bis bisher noch nicht erreichten Pegelstand von 7,71 Meter über Normal-Null. Der Deich an der Kleinen Weser beim Buntentorsteinweg (daher der Straßenname: Bruchstraße) brach. Zahlreiche Gehöfte und Häuser mussten aufgegeben werden, hunderte von Bewohnern wurden obdachlos. Im Hintergrund ist das Lehnstedter und Neuenlander Feld zu sehen.
von Peter Strotmann
Eine doppelte Hochwasser-Katastrophe hielt 1880/81 die Menschen in Bremen in Atem. Nach starken Regenfällen überschwemmte die Wümme am 29. Dezember 1880 weite Teile von Schwachhausen und Findorff. Die Menschen hatten sich von dem Schock kaum erholt, als am 13. März 1881 die Weser über die Ufer trat. Unser Autor Peter Strotmann berichtet in einer neuen Serie als fiktiver Zeitgenosse über den Gang der Ereignisse.
Land unter am Hollersee: Die Wassermassen verwandelten den Bürgerpark in eine Seenlandschaft, das Parkhaus (heute Standort des Park Hotels) war nur noch mit Kähnen zu erreichen.
Quelle: Staatsarchiv Bremen