Städtischer Beamter machte sich 1949 Gedanken über neue Straßenbahnstrecke in der Innenstadt

Noch heute kann ich mich gut daran erinnern, als eine Frau zu uns ins Neustadts-Archiv kam. Sie hielt einen abgewetzten A 4-Umschlag in den Händen und steuerte direkt auf mich zu. „Das wollte ich dem Archiv übergeben“, sagte sie.

Gleichzeitig holte sie einige Skizzen, Schriftstücke und Zeitungsausschnitte aus dem Umschlag heraus. „Das sind die Planungen meines Vaters von 1949 zur Neugestaltung der Innenstadt“, fuhr sie fort. „Sie müssen wissen, dass mein Vater 48 Jahre in der Planung von Verkehr und Straßen gearbeitet hat.“ Schon beugten wir uns über die detailliert ausgearbeiteten Pläne zu zwei Projekten. „Das ist wirklich sehr interessant“, bestärkte ich die Tochter. „Diese Papiere sind bei uns gut aufgehoben.“ So verließ sie unser Archiv und sagte „Danke“. Danach hatten wir Zeit, uns die Pläne eines gewissen Hermann Struss genauer anzusehen.

Weg mit der Börse: Nach Hermann Struss sollte sie der Straßenbahn weichen.
Quelle: Hermann Struss 12.4.1949

Verkehrsplanung am Marktplatz

Bei seiner Planung galt es, sämtliche Verkehrsteilnehmer auf dem Bremer Marktplatz unterzubringen. Damals war an etwaige Fußgängerzonen, eine neue große Weserbrücke oder Parkhäuser noch nicht zu denken. Im Gegenteil: Alle Ziele mussten direkt erreichbar sein.

Der Marktplatz war seit jeher Verkehrsmittelpunkt. Vor 1879 gab es nur Fußgänger, Handkarren, Pferdefuhrwerke und Kutschen. Doch 1879 nahm die Pferdebahn von Hastedt nach Walle ihren Betrieb auf. Es ist im wesentlichen die Strecke der Straßenbahn Linie 2 wie sie noch heute (2017) besteht und über den Marktplatz führt.

1880 wurde die Pferdebahn vom Markt zum Buntentor eröffnet. Weitere Linien folgten. Die Hauptumsteigestelle wurde erst 1965 vom Marktplatz zur Domsheide verlegt. Zur Fußgängerzone wurde der Marktplatz 1972/73 erklärt. Der Abriss der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Neuen Börse erfolgte 1955.

Hermann Struss hat zwei Skizzen angefertigt, und zwar die

1) „Jetzige Straßenführung“ datiert April 1949

und einen

2) „Vorschlag“ für die künftige Streckenführung datiert 14.4.1949.

Beide Skizzen werden hier gezeigt und erläutert. Auf der ersten Skizze von April 1949 ist der „Ist-Zustand“ zwischen Verkehrslinien und Straßenbahntrassen dargestellt. Die Strecken von der Altstadt zur Neustadt müssen die zerstörte Neue Börse umfahren.

Als Alternative unterbreitete Hermann Struss mit der zweiten Skizze für die künftige Streckenführung den Vorschlag, die alte zerstörte Börse abzubrechen. Damit hätten sich nach seiner Vorstellung zwei 66 Meter lange Bahnsteige für zwei doppelt behängte Straßenbahnen in beiden Richtungen anlegen lassen. Die Diskussion über einen Wiederaufbau oder Abriss der zerstörten Börse waren seinerzeit noch nicht abgeschlossen.

Zu seinem Leidwesen verschwanden diese beiden Skizzen im Stadtplanungsamt. Doch Hermann Struss hatte noch ein zweites „Ass im Ärmel“. Das war die die Uferstraße anstelle des Martinidurchbruchs. Darüber wird im zweiten Teil dieser kleinen Serie berichtet.

von Peter Strotmann

Auf dieser Skizze ist der „Ist-Zustand“ zwischen Verkehrslinien und Straßenbahntrassen dargestellt. Die Strecken von der Altstadt zur Neustadt müssen die zerstörte Neue Börse umfahren.
Quelle: Hermann Struss, April 1949

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

„Erst der Hafen, dann ist die Stadt“

Im Magazin „Erst der Hafen, dann ist die Stadt“ über Bremen und seine Häfen gehen wir in vielen historischen Bildern auf Zeitreise durch die maritime Vergangenheit unserer Hansestadt. Wie entwickelten sich die Häfen in Bremen vom Mittelalter bis heute? Wie sah die Arbeit zwischen Ladeluke, Kaje und Schuppen aus? Was hatte es mit den Anbiethallen auf sich? Und wie veränderte die Containerschifffahrt die Häfen? Wir blicken auf die Gründung der Freihäfen um 1900 und den Strukturwandel rund 100 Jahre später. Wir erzählen von Schmugglern und Zöllnern, von Bremens großen Werften sowie Abenteuern, Sex und Alkohol an der Küste – dem Rotlichtviertel am Hafen.

Jetzt bestellen