Das perfekte Medium für Schreibfaule: Ansichtskarten – aus Amerika auch mit Weihnachtsmotiv
Eine Postkarte aus Amerika: Mit den besten Wünschen. Den Kontakt zur „alten Heimat“ hielten viele Auswanderer, auch die Eitmann-Brüder, die aus Arbergen nach Amerika aufgebrochen waren und „es dort zu etwas gebracht“ hatten (s. Bremen History 20. und 29. November 2016). Sie schickten Karten, Photos und – eher selten – kamen sie oder ihre Nachfahren zu Besuch. Die Postkarten waren bunt und enthielten selten mehr als Grüße zu Weihnachten und Ostern oder Glückwünsche zu Geburtstag, Hochzeit usw.
Die Eitmanns waren von ihrer Herkunft her Bauern. Man darf annehmen, dass Schreiben ihnen nicht wirklich von der Hand ging, sie taten sich schwer mit Grammatik und Orthographie und man gewinnt den Eindruck, dass sie oft nicht recht wussten, was sie schreiben sollten. Typisch ist die Kommunikation auf obiger Postkarte, die Albert Eitmann 1907 an seine Schwester Frieda in Arbergen sandte. Offensichtlich hatte ihn sein Bruder Diedrich aufgefordert, mal wieder etwas von sich hören zu lassen, und Albert also schrieb: „Liebe Schwester. Diedrich erzählte mir, daß ich Dir mahl schreiben sollte. Damit habe ich ein Par Zeilen geschrieben es grüßt Dein Bruder Albert.“
Er war sichtlich froh, dass er ein paar Zeilen zu Papier gebracht hatte.
Die Postkarte, genauer: die Ansichtskarte, kam Menschen wie Albert sehr entgegen. Eine Postkarte war ursprünglich nicht bebildert, man schrieb neben die Adresse oder auf die Rückseite. In den 1880er Jahren wurden die ehemaligen „Correspondenz-Karten“ auf der Vorderseite mit einem Bild versehen, nun brauchte man nicht mehr zu beschreiben, wie es da, wo man war, aussah, der Empfänger konnte es direkt sehen.
Schnell wachsende Ansichtskartenindustrie
Die Ansichtskartenindustrie wuchs schnell. Noch vor der Jahrhundertwende setzte sich das neue Medium „Ansichtskarte“ durch, nicht zuletzt durch die Nutzung neuerer Druckverfahren im großen Stil. Ab dieser Zeit wurde hauptsächlich das mehrfarbige Druckverfahren der Chromolithografie verwendet, zuvor waren Ansichtskarten fast immer einfarbig, meistens in Sepiatönen gedruckt. Die Karten waren zu einem relativ geringen Preis erhältlich und die Bilder ersparten das Abfassen längerer Städte- oder Landschaftsbeschreibungen. Wie oben zu sehen, benutzten die Schreiber durchaus auch die „Ansichts“-Seite der Karte für ihre Grüße. Es war sogar ein extra Feld dafür vorgesehen.
Bemerkenswert ist das Design der Karten selbst: Die meisten Postkarten besaßen auch die heute noch vorherrschende rechteckige Form und variierten das Format nur innerhalb eines geringen Spielraums. Doch auch innerhalb dieses Rechtecks waren der Phantasie der Postkarten-Designer kaum Grenzen gesetzt. Neben zahlreichen Applikationen gab es auch vielfältige raffinierte Techniken und Mechanismen, welche die Ansichtskarten attraktiver machen sollten. Präge- oder Reliefpostkarten waren in der Herstellung aufwendig: Mit einem erhitzten Prägestempel wird das entsprechende Motiv als Schablone gegen eine Schaumstoffplatte aus Polystyren gepresst und unter Druck mit einem sogenannten Embossingstift auf die Postkarte eingefurcht. Manchmal wird mit Pastellkreide nachkoloriert.
In vielen Tabak- und Schreibwarenläden waren Ansichtskarten zu kaufen, was enorm zu ihrer Popularisierung beitrug. Sie wurden künstlerisch gestaltet, z.B. in floraler Ornamentik, dem Zeitgeist entsprechend verschnörkelt, bemalt, mit Schablonen handkoloriert, dem Publikumsgeschmack angepasst.
Als Hersteller und Vertreiber merkten, welch gutes Geschäft mit Postkarten zu machen war, war ihnen jeder Einfall recht, ihren Umsatz noch zu steigern. Neben Stereopostkarten und Ausziehkarten (Leporellos) wurden zum Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem auch Seiden- und Satinkarten erfunden. In Deutschland wurden diese imitiert, indem Seidenstruktur auf Pappkarten geprägt und mit Silber überzogen wurde. Optische Effekte waren extrem wichtig. Ansichtskarten waren ein Medium, das verkauft werden wollte.
von Dr. Diethelm Knauf