Kino-Serie: „Modernes“ in der Neustadt – bewegte Bilder seit 1919
1902 wurde in der Neustadt eine Tonhalle erbaut. Das Grundstück ging von der Großen Johannisstraße zum Neustadtswall. Die Tonhalle hatte einen großen Tanzsaal, zwei kleine Konzertsäle, einen Speisesaal und ein Restaurant. Es gab übrigens noch weitere Tonhallen, und zwar an der Kleinen Helle und an der Gerhard-Rohlfs-Straße in Vegesack. Was war eine Tonhalle? Es war ein Veranstaltungshaus, in dem nicht nur Musik gemacht wurde, sondern wo man auch tanzen und feiern konnte.
Das Schauspielhaus
Bremen hatte auch ein Stadttheater. Das lag auf dem Wall am Bischofstor. Dort wurde die Stücke der „großen“ Dichter und Opern aufgeführt. Das war unterm Strich eine stocksteife Angelegenheit.
Das erkannten auch Eduard Ichon und Johannes Wiegand, erwarben 1910 die Tonhalle und ließen sie zu einem Schauspielhaus umbauen. Bronzene Buchstaben bildeten über den vier Säulen das Wort „ Schauspielhaus“ und im Giebel stand das Leitwort „Im Spiel das Leben“. Das konnte wohl bedeuten, dass das „Spiel“ im Vordergrund stand und die Schauspieler es mit Leben ausfüllten. Die Eröffnung war am 13. August 1910. Vor allem die „modernen“ Stücke kamen beim Publikum gut an.
Schon bald kam der Wunsch auf , auch nahe am Zentrum ein Schauspielhaus zu bespielen. Schon drei Jahre später, und zwar am 13. August 1913, wurde der Bau im klassischen Stil im Ostertor, am späteren Goetheplatz, mit einer Premiere eingeweiht.
Im alten Neustädter Schauspielhaus wurde noch bis 1917 weitergespielt und dann geschlossen. Nach einem Umbau wurde der Betrieb als Stummfilm-Kino unter dem Namen „Modernes Theater“ 1919 wieder eröffnet. Ende der 1920er stellte das Kino auf den Tonfilm um. Beim 103. Luftangriff auf Bremen am 14. September 1942 wurde das Kino durch Sprengbomben schwer verwüstet.
Wiederauferstanden aus Ruinen
Als das „Moderne Theater“ in Schutt und Asche fiel, lief gerade der Film „Schabernack“. Doch aus Resten wieder ein Kino zu machen, hat viel Arbeit gekostet. Und es wurde wirklich ganz modern: Für die bessere Durchlüftung vor allem im Sommer hatte die Saaldecke im Zuschauerraum ein Schiebedach. Diese war kreisförmig mit einem Durchmesser von acht Metern und ließ sich motorbetrieben öffnen. Das war zu der Zeit einmalig in Deutschland.
Die Fassade vom alten Schauspielhaus wurde vollkommen umgestaltet, es gab jetzt einen Mitteleingang statt der beiden Seiteneingänge. Das Kino hatte Platz für 730 Personen, hinter der Leinwand lag eine sechs Meter tiefe Bühne für Varieté- und Kabarettveranstaltungen. Ein Orchesterraum war auch vorhanden. Damit hatten die Eigentümer Luedtke & Heiligers, die das Kino seit 1919 besaßen, ein neues Konzept verwirklicht.
Zur Premiere am 24. Oktober 1952 lief der Film „Einmal am Rhein“ mit Paul Henckels, Maria Paudler sowie Beppo Brehm.
Ganz langsam ging’s bergab
Das schleichende Kinosterben machte indes auch vor dem Modernen Theater nicht halt. Zwischenzeitliche Pläne, das Grundstück mit einer Wohnanlage zu bebauen, verflüchtigten sich. Als Ausweg sprangen die Kinobetreiber 1976 auf die Sexfilmwelle auf. Das Kino hieß später PAM* im Modernen Theater. Es herrschte strengstes Jugendverbot. Sonntags war Pärchentag. Damen hatten in Herrenbegleitung freien Eintritt. Das endete um 1985.
Aus dem Modernen Theater wird das „Modernes“
1986 übernahmen neue Pächter das heruntergekommene Gebäude. Nach umfangreichen Umbauarbeiten kam der Start für das „Modernes“. Im November 1986 öffnete sich die runde Dachöffnung in der Saaldecke nach langer Zeit zum ersten Male. Wieder war das Publikum begeistert.
Das Veranstaltungshaus „Modernes“ bietet bis heute ein vielseitiges Programm mit Kino, Konzerten, Theater und Tanz.
*PAM war die Abkürzung für Pub and Movies. Und zwar mussten diese Kinos, um Sexfilme zeigen zu dürfen, ab 1974 den größten Teil ihres Umsatzes aus etwas anderem als durch Pornofilme erzielen. Deshalb meldeten die Betreiber die Pornokinos als Schankbetriebe an und führten für die Zuschauer einen Mindestverzehr ein. In der Umgangssprache hieß PAM auch scherzhaft: Papa auf Mama.
von Peter Strotmann