Eher unscheinbar: die Gedenktafel am Haupteingang zum Neuen Rathaus. Foto: Peter Strotmann

Eher unscheinbar: die Gedenktafel am Haupteingang zum Neuen Rathaus.
Foto: Peter Strotmann

Vor 100 Jahren: Am 25. August 1916 erreicht das U-Boot „Deutschland“ Bremen

Bei meinen Streifzügen durch die Bremer Innenstadt fiel mein Blick immer wieder auf eine eher unscheinbare Tafel. Sie ist an der Wand innen rechts am Haupteingang des Neuen Rathauses angebracht.

Leider kann man den Text auf der gusseisernen Tafel kaum entziffern. Er lautet:

Zur Erinnerung an Kapitän Paul König und seine Mannschaft.

Mit dem Handelsunterseeboot ‚Deutschland‘ der Deutschen Ozean – Reederei Bremen gelang es König im Kriegsjahr 1916 in zwei gefahrvollen Fahrten wichtige Wirtschaftsgüter aus den Vereinigten Staaten von Amerika nach Bremen zu bringen.

Die Geschichte dahinter: die Initatoren

Gar nicht so einfach zu lesen: die Inschrift der Gedenktafel. Foto: Peter Strotmann

Gar nicht so einfach zu lesen: die Inschrift der Gedenktafel.
Foto: Peter Strotmann

Mitten im Ersten Weltkrieg gründen am 8. November 1915 der Bremer Großkaufmann Alfred Lohmann, die Reederei Norddeutscher Lloyd und die Deutsche Bank die Deutsche Ozean-Reederei. Sie kaufte ab Januar 1916 nach und nach in den USA 1800 Tonnen Kautschuk auf.

Das Handels-U-Boot „Deutschland“

Gleichzeitig mit ihrer Gründung gab die Deutsche Ozean Reederei ein frachttragendes Handels-U-Boot, die „Deutschland“, in Auftrag. Die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft stellte den Druckkörper her, die Germaniawerft in Kiel erledigte den Fertigbau.

Der Zweck war der Durchbruch durch die Seeblockade in der Nordsee, die die Briten bereits 1914 gegen Deutschland verhängt hatten. Jedoch benötigten die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) dringend notwendige Chemieprodukte aus Deutschland und Deutschland Rohstoffe für die Kriegsindustrie.

Das Boot wurde von zwei Sechszylinder-Viertakt-Dieselmotoren mit je 400 PS angetrieben und erreichte eine Geschwindigkeit von maximal 10 kn (Knoten) über Wasser und maximal 6,7 kn bei Tauchfahrt. Die Reichweite bei 10 kn über Wasser betrug rund 12.000 Seemeilen. Sie hatte eine Besatzung von 29 Mann. Die Länge über alles betrug 65 Meter, die Breite 8,9 Meter.

Eine norddeutsche Koproduktion: der Druckkörper entstand in Flensburg, der Fertigbau in Kiel. Quelle: Wikicommons

Eine norddeutsche Koproduktion: der Druckkörper entstand in Flensburg, der Fertigbau in Kiel.
Quelle: Wikicommons

Die erste Reise

Am 23. Juni 1916 startete die „Deutschland“ zu ihrer ersten Reise unter Kapitän Paul König. Die Ladung für die USA bestand aus 163 Tonnen Farbstoffen und pharmazeutischen Produkten im Wert von 60 Millionen Mark. Am 9. Juli 1916 erreichte sie Baltimore und übernahm dort ihre Rückladung, bestehend aus 348 t (Tonnen) Kautschuk, 341 t Nickel und 93 t Zinn, die in Deutschland dringend benötigt wurden.

Am Nachmittag des 23. August 1916 ging sie in der Wesermündung vor Anker. Am 24. August vor Bremerhaven auf Reede. In einer Triumphfahrt erreichte die „Deutschland“ am 25. August 1916 den Bremer-Freihafen II. Insgesamt hatte sie 8.450 sm (Seemeilen) zurückgelegt, davon 190 sm in Tauchfahrt.

Wohlbehalten zurück: Begrüßung der Besatzung des Handels-U-Boots „Deutschland“ in Bremen durch Admiral Schröder Quelle: Wikicommons

Wohlbehalten zurück: Begrüßung der Besatzung des Handels-U-Boots „Deutschland“ in Bremen durch Admiral Schröder
Quelle: Wikicommons

An Anlass der Rückkehr der „Deutschland“ von der ersten Reise wurde auch gedichtet, wie z. B.

Es wollte uns verwehren

Das stolze Albion*

Die Fahrt auf freien Meeren

Voll Übermut und Hohn.

Es störte nicht sein Drohen

Des deutschen Heldengeist

Der kampf- und siegesfrohen

Der neue Wege weist.

 

Dem Feind zum Trotz gelungen

Ist dir die Wiederkehr.

„U-Deutschland“ unbezwungen,

Du Deutschlands Ruhm und Ehr.

 

*Albion ist ein antiker Name für die Britischen Inseln oder Großbritannien, obwohl der Begriff meist auf England bezogen wird.

Empfang im Rathaus

Am Abend des 25. August 1916 fand im Rathaus ein Festessen statt. Kapitän König schreibt in seinem Buch Die Fahrt der Deutschland: „Immer wieder drangen zu uns die Rufe: Lohmann, Zeppelin, König, sodaß wir gezwungen waren, den Rufen der Menge Folge zu leisten und mit der Besatzung auf dem Söller des alten Rathauses zu erscheinen. Ein Sturm von Hurras umgab uns, und als ich ein Hurra auf den Kaiser ausbrachte, stimmte die Menge auf das Lebhafteste ein.“

Vor der Neuen Börse: Menschenmassen jubeln der Mannschaft um Kapitän König zu. Rechts vor der Börse steht eine Musikkapelle. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Vor der Neuen Börse: Menschenmassen jubeln der Mannschaft um Kapitän König zu. Rechts vor der Börse steht eine Musikkapelle.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Die zweite Reise

Am 10. Oktober 1916 lief die Deutschland erneut zu einer Reise in die USA aus. Die Ladung bestehend aus Farbstoffen, Chemikalien und Medikamenten erreichte den Hafen von New London am 1. November 1916. Die Ladung auf der Rückfahrt bestand aus 278 t Kautschuk, 188 t Nickel, 146 t Eisenlegierung, 76 t Zinn und Silberbarren. Das U-Boot kam am 10. Dezember 1916 wieder in Bremerhaven an.

Ein umjubelter Kriegsheld: Kapitän Paul König. Quelle: Ausschnitt aus einer Ansichtskarte, Strotmann

Ein umjubelter Kriegsheld: Kapitän Paul König.
Quelle: Ausschnitt aus einer Ansichtskarte, Strotmann

Weiteres Schicksal

Die dritte Reise, die für den Januar 1917 geplant war, wurde wegen des drohenden Kriegseintritts der USA nicht mehr angetreten. Am 10. Februar wurde das U-Handelschiff „Deutschland“ aus den Schiffsregister gestrichen.

Die Deutschland wurde zum Unterseekreuzer umgebaut und am 19. Februar 1917 als U 155 in Dienst gestellt und blieb bis 13. November im Kriegseinsatz. Am 24. November erfolgte die Übergabe an Großbritannien und 1922 wurde das U-Boot abgebrochen.

Kapitän König: Lebenslauf

Paul König wurde 1878 in Rohr/Niederbayern als Sohn eines Pfarrers geboren. Ab seinem 16 Lebensjahr erhielt er eine seemännische Ausbildung, besuchte die Navigationsschule in Bremenhaven-Geestemünde und machte 1894 sein Kapitänspatent.

Bleibende Erinnerung: Figurentafel von Bernhard Hoetger am Haus des Glockenspiels in Bremen Foto: Peter Strotmann

Bleibende Erinnerung: Figurentafel von Bernhard Hoetger am Haus des Glockenspiels in Bremen
Foto: Peter Strotmann

1896 begann seine Seefahrtszeit beim Norddeutschen Lloyd. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde er in die kaiserliche Marine eingezogen. Ab Januar 1916 besuchte er die U-Boot-Schule. Im Juni 1916 übernahm er das Kommando auf dem Handels-U-Boot-Deutschland, mit dem er zwei Reisen machte.

Er verließ 1920 die Marine und arbeitete bis 1931 wieder bei Norddeutschen Lloyd. Er starb 1933 im Alter von 66 Jahren.

Kapitän König:Ehrungen (Auszug)

  • Von 1938 bis 1945 wurde in Bremen die Schule Brückenstraße/ Neustadtswall (heute Schule am Leibnizplatz) in Kapitän-König Schule umbenannt.
  • Der Kapitän-König-Weg in Bremen-Oberneuland wurde 1955 nach ihm benannt.
  • Figurentafel von Bernhard Hoetger am Haus des Glockenspiels in Bremen.

von Peter Strotmann

Großer Auflauf: das Handels-U-Boot „Deutschland“ bei seinem Eintreffen in Bremen am 25. August 1916 am Liegeplatz Freihafen II (später Überseehafen). Quelle: Ansichtskarte Strotmann

Großer Auflauf: das Handels-U-Boot „Deutschland“ bei seinem Eintreffen in Bremen am 25. August 1916 am Liegeplatz Freihafen II (später Überseehafen).
Quelle: Ansichtskarte Strotmann

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

„Erst der Hafen, dann ist die Stadt“

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