Vor 50 Jahren eröffnete Karstadt seine Tierabteilung / Schließung 1988 vor Umbaubeginn
Eine große Leserresonanz hat der Facebook-Eintrag zur früheren Tierabteilung bei Karstadt hervorgerufen. Zahlreiche Nutzer schwelgten in Kindheitserinnerungen – plötzlich waren sie wieder da: die niedlichen Hundewelpen, die Katzenjungen, Schildkröten, Affen und schwarzen Piranhas. Doch bei aller Nostalgie zeigte sich auch eine kritische Distanz. Die Tierhaltung hinter Scheiben würde heute keine Freunde mehr finden.
Auf dem Rückweg von der Schule machte Nina Osmers öfter mal einen Abstecher zum Karstadt-Zoo. Ein Cocker-Welpe hatte es ihr besonders angetan. Doch plötzlich war der Vierbeiner verschwunden. Für das kleine Mädchen ein herber Schlag – bis sie den Cocker zu Hause wieder sah. „Mein Vater hatte den Hund gekauft“, berichtet die heute 40-Jährige. Und zwar ohne von der Vorliebe seiner Tochter zu wissen: „Denn ich hatte ihm nie gesagt, dass ich dort die Hunde öfter anschaue.“ Als Gypsy wurde die Hündin ein treuer Gefährte. „Sie wusste immer genau, wenn es mir mal nicht gut ging und stupste mich mit ihrer Nase.“
Ein Einkaufsbummel ohne Stippvisite beim Karstadt-Zoo? In Begleitung von Kindern war das ein echtes Wagnis, ja geradezu ein Anschlag auf den häuslichen Frieden. „Man ging immer noch einmal nach dem Einkaufen in die Zooabteilung, das war ein Muss!“, erinnert sich Michael Fritz, der Enkel des Astoria-Gründers.
Nicht viel anders sieht das eine weitere Nutzerin des Facebook-Profils von Bremen History: Für sie als Kind sei der Gang zu den Tieren „der spannendste Teil des ansonsten nervigen Stadtbesuchs“ gewesen.
Prägende Kindheitserinnerungen
Zahlreiche Reaktionen hat der Facebook-Eintrag zur früheren Tierabteilung bei Karstadt hervorgerufen. Für viele Bremer gehört der Besuch des Mini-Zoos im vierten Stock zu den prägenden Kindheitserinnerungen. Einen besonders nachhaltigen Eindruck haben die Hundewelpen hinterlassen. Herumtollende Cocker, Dackel oder Pudel weckten Begehrlichkeiten.
Vor 50 Jahren, am 1. April 1965, eröffnete Karstadt seine Tierabteilung im Rahmen eines millionenschweren Umbauprogramms. Dabei musste der legendäre Lichthof aus den Anfangstagen des Warenhauses weichen. Was 1932 (lesen Sie hier den Beitrag zur Eröffnung) als innovativ und modern gegolten hatte, stand 1965 dem Modernisierungskonzept im Wege. Insgesamt 16 Rolltreppen machten sich im früheren Lichthof breit, die reine Verkaufsfläche wuchs auf 18.500 Quadratmeter.
Als echtes Highlight des neuen Karstadt galt die Tierabteilung. Sogar Affen turnten an exponierter Stelle in Käfigen umher. „Es gab zwei Schaufenster, die nach außen zu den allgemeinen Verkaufsräumen zeigten“, erinnert sich Peter Strotmann. Die Tierabteilung als Publikumsmagnet. Auf dieses Pferd setzte Karstadt, um sich im Wettbewerb der Warenhäuser einen Vorteil zu verschaffen. Nicht zuletzt den Nachwuchs hatte man dabei im Blick. Als „Attraktion für alle“ priesen die Marketingstrategen den innerstädtischen Kaufhauszoo, „ganz besonders für Kinder“.
Keine Zoo-Tradition in Bremen
Ein geschickter Schachzug, hatte Bremen doch nie einen eigenen Zoo auf die Beine gestellt. Das Tiergehege im Bürgerpark mit seinen überwiegend heimischen Tierarten konnte das Bedürfnis nach exotischen Tieren kaum stillen. Zwar hatte es Versuche gegeben, in Bremen einen Zoo zu etablieren: erst in den dreißiger Jahren im Bürgerpark an der Hollerallee, dann in den sechziger und siebziger Jahren in Oberneuland. Doch beide Male konnten sich die Privatzoos nicht halten. Da war es keine schlechte Idee, in der Innenstadt mit jungen und exotischen Tieren zu punkten.
Tatsächlich bot das Warenhaus so gut wie alles auf, was als Haustier in Frage kam. Potenzielle Kunden sollten einen umfassenden Eindruck der Angebotspalette bekommen. Da waren hinter großen Glasscheiben nicht nur Hundewelpen zu sehen, sondern auch Katzenjungen, Hamster, Meerschweinchen und etliche exotische Vogelarten. In zahlreichen Aquarien und Terrarien wurden Zierfische und kleine Reptilien gehalten. Für ehrfürchtiges Staunen sorgten vor allem die schwarzen Piranhas in einem achteckigen Becken.
Den heutigen Vorstellungen artgerechter Tierhaltung entsprach der Mini-Zoo sicher nicht.
Bei aller Nostalgie ist unter früheren Besuchern der Tierabteilung auch kritische Distanz herauszuhören. „Als Kind hat man über diese Tierquälerei nicht nachgedacht“, schreibt eine Nutzerin. „Gott sei Dank gibt es so was nicht mehr.“ Auch Nina Osmers sieht die Hundehaltung im Karstadt-Gebäude als erwachsene Frau mit anderen Augen. „Zum Glück müssen dort jetzt keine Tiere mehr hinter Glas sitzen.“
Tierarzt drehte seine Runde
Doch es wäre ungerecht, den Verantwortlichen jegliches Gespür für Tierschutzbelange abzusprechen. Der Karstadt-Zoo galt sogar als Vorbild für weniger gut geführte Tierhandlungen. Regelmäßig machte ein Tierarzt seine Runde. Und ein Vertreter vom „Bund gegen den Missbrauch der Tiere“ fand nichts dabei, sich allwöchentlich als Kundenberater zur Verfügung zu stellen. Als besonders engagiert und fürsorglich galten die angestellten Tierpfleger. „Mit einer Engelsgeduld klärten sie Käufer und Besucher über artgerechte und liebevolle Behandlung auf“, konstatierte der Weser-Kurier. Das kann auch Michael Fritz bestätigen, er erinnert sich an einen „sehr netten Verkäufer, der das echt mit Herz machte“.
Das Ende kam im Dezember 1988 im Zuge eines neuerlichen Umbaus. Dabei spielte das veränderte Bewusstsein von artgerechter Tierhaltung eine wichtige Rolle. Wachsende Proteste gegen die Behandlung von Tieren als bloße Ware sowie die Selbstverpflichtung der Tierhandlungen, keine Welpen mehr auszustellen und zu verkaufen, entzogen der Tierabteilung die Geschäftsgrundlage. Die damalige Karstadt-Führung rechnete vor, wie stark der Umsatz innerhalb weniger Jahre zurückgegangen war. „Mit dem Umbau hätten wir dort neu investieren müssen“, sagte der Geschäftsführer dem Weser-Kurier, „es lohnte sich aber nicht.“
Immerhin spülte der Verkauf des Inventars noch einmal Geld in die Kasse. „Das Piranha-Becken wurde komplett inklusive Fische verkauft“, weiß Michael Fritz.
von Frank Hethey