Es gibt kaum ein Thema, das im Moment so heftig und kontrovers diskutiert wird wie die „Flüchtlinge“. Migration in ihren vielfältigen Formen wird eines der bestimmenden Themen auch in der Zukunft sein. Wieder einmal möchte ein Blick in die Geschichte helfen, ein wenig das Bewusstsein zu schärfen. Auch Deutsche waren in vielfältiger Weise in Flucht- und Migrationsprozesse involviert, z.B. gegen Ende des Zweiten Weltkrieges und in den Jahren danach zogen sie als Flüchtlinge und Heimatvertriebene in die mittleren und westlichen Regionen des ehemaligen deutschen Reiches.

Dieses Foto zeigt Flüchtlinge aus Ostpreußen, die mit ihren Wagen und Handkarren, auf denen sie ihr ganzes Hab und Gut verstaut haben, 1945 entlang der zerstörten Häuser die Föhrenstraße in Hastedt hinaufziehen. Viele Menschen waren seit Januar 45 aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien vor der Roten Armee geflohen, einige in organisierten Flüchtlingstrecks, einige mithilfe der deutschen Marine über die Ostsee, einige auf sich allein gestellt oder in kleinen Gruppen.

Ab dem Sommer 45 bis in das Jahr 1948 folgten ihnen aufgrund der alliierten Vereinbarungen im Potsdamer Abkommen die Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, dem Sudentenland und südosteuropäischen Ländern. Bremen und Bremerhaven verhängten im Juli bzw. September 45 eine Zuzugssperre. Trotzdem strömten mehr als 30.000 Menschen unkontrolliert in die alte Hansestadt.

„In de Nordsee mit dat Schiet“

Obwohl die Flüchtlinge und Vertriebenen Deutsche waren, litten sie unter Diskriminierung, Ausgrenzung und Beschimpfung. Der Historiker Andreas Kossert bringt in seinem Buch Kalte Heimat im Kapitel Deutscher Rassismus gegen deutsche Vertriebene Beispiele von Sprüchen über Vertriebene.

Insbesondere in Schleswig-Holstein, wo die Bevölkerung von rund 1,59 Mio. 1939 auf 2,65 Mio. 1946 anstieg, sind zahlreiche Beispiele überliefert: „Gesochse – zuerst Saisonarbeiter zur Ernte, dann Zwangsarbeiter und schließlich das Flüchtlingspack“ oder sogar „In de Nordsee mit dat Schiet“. Ganz und gar unchristlich wurde kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im pietistischen Schwaben gebetet: „Herrgott im Himmel, sieh unsere Not / wir Bauern haben kein Fett und kein Brot / Flüchtlinge fressen sich dick und fett / und stehlen uns unser letztes Bett / Wir verhungern und leiden große Pein / Herrgott, schick das Gesindel heim.“

Noch tiefer ins Repertoire der erst so kurz vergangenen NS-Zeit griff der Inhaber des Weingutes Weil in Kiedrich am Rhein. Er wurde zu 1000 Mark Strafe verurteilt, weil er im Ärger gesagt hatte: „Ihr Flüchtlinge gehört alle nach Auschwitz in den Kasten!“ (Die Welt, 19.5.2008)

Solch heftige Ablehnung der Vertriebenen ist aus Bremen nicht belegt, aber auch hier wurden diese z.B. bei Wohnungssuche, Vergabe von Arbeitsstellen in staatlichen Büros und Verwaltungen benachteiligt. Das Schicksal der deutschen Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg könnte Anstoß sein, darüber nachzudenken, ob wirklich ethnische Zugehörigkeit, Sprache und Kultur oder Religion Grund für ausufernde Diskriminierung und wilden Hass sind.

von Dr. Diethelm Knauf

Treck in Hastedt

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

„Erst der Hafen, dann ist die Stadt“

Im Magazin „Erst der Hafen, dann ist die Stadt“ über Bremen und seine Häfen gehen wir in vielen historischen Bildern auf Zeitreise durch die maritime Vergangenheit unserer Hansestadt. Wie entwickelten sich die Häfen in Bremen vom Mittelalter bis heute? Wie sah die Arbeit zwischen Ladeluke, Kaje und Schuppen aus? Was hatte es mit den Anbiethallen auf sich? Und wie veränderte die Containerschifffahrt die Häfen? Wir blicken auf die Gründung der Freihäfen um 1900 und den Strukturwandel rund 100 Jahre später. Wir erzählen von Schmugglern und Zöllnern, von Bremens großen Werften sowie Abenteuern, Sex und Alkohol an der Küste – dem Rotlichtviertel am Hafen.

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