Zum 200. Geburtstag Otto von Bismarcks: Wie Bremen dem Fürsten zum 70. und 80. Geburtstag huldigte
Passend zum 80. Geburtstag gab es 80 Flaschen edlen Weins aus dem Ratskeller: Das war das Präsent, das Bremen dem früheren Reichskanzler Otto von Bismarck zum Ehrentag am 1. April 1895 spendierte. Zur Geburtstagsfeier auf seinem Altersruhesitz Friedrichsruh bei Hamburg wurde Senator Alfred Pauli entsandt. Von der persönlichen Audienz bei Bismarck brachte er die Kunde mit, dass der Fürst über den Stand der Weservertiefung nur unzureichend im Bilde sei. Und dass sein Wurf mit einem Blumenstrauß zu tumultartigen Szenen unter mehreren tausend Studenten geführt habe.
Nicht lumpen ließ sich Bremen, als es um ein angemessenes Präsent zum 70. Geburtstag des Reichskanzlers am 1. April 1885 ging. Die Quittung hat sich bis heute im Staatsarchiv erhalten: Sie belief sich auf genau 1271,45 Mark für 70 Flaschen edlen Weins aus dem Ratskeller, darunter zehn Flaschen eines über 100 Jahre alten Rüdesheimer Rosés. Über die Reaktion Otto von Bismarcks notierte der hanseatische Gesandte in Berlin, der Fürst habe sich „besonders erfreut“ gezeigt über die Spende, „die Bremens Senat aus dem berühmten Rathskeller ihm verehrt habe“.
Ein Jammer nur, dass der eigentlich trinkfeste Bismarck schon damals nicht mehr konnte, wie er wollte. „Wenn auch seine Gesundheit ihm leider nicht mehr erlaube, die köstliche Gabe so wie ehedem zu genießen“, ließ der Kanzler den Gesandten wissen, „so werde für schwache Stunden doch der edle Wein ihm ein Tröster sein.“
Zehn Jahre später feierte Bismarck seinen Jubeltag schon nicht mehr in Berlin, sondern auf seinem Altersruhesitz Friedrichsruh bei Hamburg. Nach seinem mehr oder weniger erzwungenen Rücktritt 1890 hatte der „Eiserne Kanzler“ sich grollend in den Sachsenwald zurückgezogen. Wie so viele frühere Staatenlenker bis in unsere Tage fühlte sich Bismarck nicht ausreichend gewürdigt. Seine Verdienste um die Einheit? In den Dreck getreten. Sein Nachfolger? Ein nichtsnutziger Pedant. Die Lage der Nation? Zum Verzweifeln seit seinem Abgang. Trotz öffentlich inszenierter Versöhnung mit dem damals noch jungen Kaiser Wilhelm II. war Bismarck keineswegs im Reinen mit den neuen starken Männern. Auch nicht mit dem Reichstag, der ein Glückwunschtelegramm zum 80. Geburtstag per Kampfabstimmung verweigerte.
Bremen „allezeit reichstreu gesinnt“
Anders sein Verhältnis zu Bremen, das als alte Reichsstadt der Zentralgewalt schon im Mittelalter nahegestanden hatte. Bereits im Mai 1871 und damit unmittelbar nach der Reichsgründung hatte Bremen als eine der ersten deutschen Städte den Kanzler zum Ehrenbürger ernannt. Bismarck wusste das zu schätzen.
Mit Bremen hatte es wohl mal Unstimmigkeiten in der Kolonial- oder Zollpolitik gegeben, aber niemals Ärger grundsätzlicher Natur. Die Stadt sei „allezeit reichstreu gesinnt“ gewesen, befand er im Gespräch mit Senator Alfred Pauli, den Bremen zur groß aufgezogenen Geburtstagsfeier nach Friedrichsruh entsandt hatte. Im Gepäck hatte er auch diesmal eine ansehnliche Weinspende aus dem Ratskeller, die Bismarck „als Ehrenbürger sich gefallen lassen möge“: passend zum 80. Geburtstag 80 Flaschen im Wert von 1274,60 Mark.
Über die kurze Begegnung mit Bismarck hat Pauli ausführlich Bericht erstattet. Zu Bremen fiel dem Fürsten vor allem Hermann Heinrich Meier ein, der Gründer des Norddeutschen Lloyd. Als Nationalliberaler hatte Meier lange Jahre dem Reichstag angehört. „Er ist zwar mehrfach mein Gegner gewesen“, so Bismarck, „aber doch ein ganz tüchtiger Mann.“
Leicht irritiert zeigte sich Pauli über die mangelnden Kenntnisse seines Gastgebers zur Vertiefung der Weser: ein gewaltiges Bauprogramm, das von 1887 bis 1895 umgesetzt worden war. „Bezüglich Bremens war es ihm ganz entfallen, daß jetzt infolge der Weserkorrektion die Seeschiffe bis zur Stadt heraufkommen könnten.“
Bismarck machte Zusätze „pikanter Art“
Überhaupt schien das stolze Alter des Fürsten seinen Tribut zu fordern. Eine Abordnung renommierter Theologie-Professoren dürfte nicht schlecht gestaunt haben, als Bismarck in seiner Ansprache anzügliche Scherze machte. Des Rätsels Lösung: Versehentlich gab der Fürst schon vorzeitig zum Besten, was eigentlich erst für die 5000 wartenden Studenten im Park gedacht war. Pauli sprach von mancherlei Zusätzen „pikanter Art“, die „zweifellos Geburten des Augenblicks“ gewesen seien.
Für Aufregung sorgte Bismarck auch, als die Studenten nach Ende seiner Rede an ihm vorbeidefilierten. Der Zug sei ins Stocken geraten, „als der Fürst auf den Gedanken kam, einen Strauß hinabzuwerfen“, schreibt Pauli. „Denn nun wollte jeder seine Blume mit heimbringen. Unausgesetzt warf der Fürst Blumen, Blätter, ja bloße Stengel hinab, die Damen schleppten immer neue Sträuße heran und rissen sie auseinander ihm die Bestandteile hinreichend. Und da unten fand ein Raufen und Drängen um die herabfliegenden Gaben statt, wie es kaum zu schildern ist.“
Bismarck, der Superstar. Kaum anders geht es heute bei Rockkonzerten zu. Mit dem Unterschied, dass es um die Kondition des 80-Jährigen nicht mehr zum Besten bestellt war.
Ermattet habe der Fürst nach Ende der tumultartigen Szenen Platz nehmen müssen, berichtet Pauli. Derweil fielen die Zukurzgekommenen über die zahllosen Prachtgebinde her, die im Garten ausgestellt wurden. Dazu Pauli: „Ein Bild wüster Zerstörung bot sich uns dar.“
von Frank Hethey