Vom Esighaus zum Essighaus, Teil 2: Die Geschichte des Hauses an der Langenstraße 13 (heute 21) von 1947 bis heute

Der erste Teil dieser kleinen Serie über das Essighaus handelte vom Bau des Hauses im Jahre 1618 bis zu seiner Zerstörung bis 1945. Im zweiten Teil berichten wir, wie das Essighaus nach 1947 wieder aufgebaut, bis 1971 als Gaststätte betrieben und von 1972 bis heute als Bankgebäude genutzt wird.

Bremen hat sein Essighaus wieder

Ein Bremen ohne sein Essighaus? Das ging gar nicht. Es hatte einen so guten Ruf gehabt, die Atmosphäre war ganz einzigartig. Doch durch die Bomben des Zweiten Weltkrieges lag das Haus bis auf die Grundmauern danieder. Man konnte nur noch die untere Fassadenpartie aus den Trümmern bergen. Der Rest war Schutt und Asche.

Aber schon um 1947 stand wieder ein Notbau, der sich „Gaststätte Essighaus“ nannte. Er bestand nur aus dem Erdgeschoss mit einer Putzfassade und den Kellerräumen. Damit versuchte man, die Tradition des alteingesessenen Essighauses weiterleben zu lassen.

Doch erst 1956 konnte der Weser-Kurier schreiben: Bremen hat sein Essighaus wieder. Das mag für die bekannt gute Küche und Bedienung gelten. Aber innen und außen war alles neu gestaltet. Das Haus konnte noch einige Jahre von seinem guten Ruf profitieren, bis es 1967 schloss.  Von 1968 bis 1971 erlebte das Haus, wie es zum bayrischen Bierlokal wurde. Ab 1972 bis heute wird es als Bankhaus genutzt.

Bevor wir zur  Chronologie des Hauses kommen, seien hier noch ein paar Besonderheiten herausgestellt.

In dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gebäude gab es an der hinteren Außenseite eine Tür zu einem Gang nach der Obernstraße. Über dieser Tür war in Sandstein eingemeißelt:

DAS HAUS HAT DIE GERECHTIGKEIT DES GANGES.

Das bedeutet, dass man das Essighaus auch von der Obernstraße 26/28 betreten konnte. Auch im Neubau von 1956 war dieser Gang noch erhalten.

Weiterhin sehen wir über den Fenstern der ersten Etage die in Sandstein gehauene Inschrift:

HAS NEIT ABGUNST IST GAR UMSUNST

WAS GOT BESCHERET BLEIBT UNVERWERET

gegenüber dem Spruch des Altbaus sind das die Änderungen:

früher: umsonst – heute: umsunst, d.h. statt o ein u

früher: bleib – heute: bleibt, d.h. ein zusätzliches t

früher: unerweret – heute unverweret, d.h, ein zusätzliches v

Das Gasthaus ist Geschichte: 1972 richtete sich die Bank Martens & Weyhausen im Essighaus ein. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Das Gasthaus ist Geschichte: 1972 richtete sich die Bank Martens & Weyhausen im Essighaus ein.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Das ist jedenfalls das Ergebnis meiner Recherche. Aber dazu werde ich in einem Essighaus-Spezial noch berichten.

Um den Leser mit nicht allzu viel Text zu langweilen, ist hier der Lebenslauf des Essighauses 1945 bis heute chronologisch aufgezeichnet:

1947

Auf den Fundamenten des Altbaus entsteht ein Notbau, in den auch Langenstraße 12 einbezogen wird. Das Essighaus ist wieder da.

1956

Mit den aus dem Schutt geborgenen Teilen wird das Erdgeschoss mit den Utluchten wieder aufgebaut. Die Obergeschosse werden neu gestaltet. Einige Teile anderer abgebrochener Gebäude werden dabei hier wieder verwendet.   Im Dachgeschoss wird ein Minigiebel, „ein modischer Schwupps“, aufgesetzt. Der Gasträume des „Essighauses“ sind im Stil der 1950er ausgestattet. Es ist wieder ein über die die Grenzen Bremens bekanntes Restaurant entstanden.

Das Essighaus heute mit der Fassade von 1956. Foto: Peter Strotmann

Das Essighaus heute mit der Fassade von 1956.
Foto: Peter Strotmann

1967

Die benachbarte Bank Martens & Weyhausen erwirbt das Essighaus Langenstraße 12/13 von Reidemeister & Ulrichs und wandelt die Gasträume teilweise in Büros um. Der bisherige Pächter wird gastronomischer Geschäftsführer im Ratskeller, verstirbt aber noch im gleichen Jahr.

Die Hausnummern der Langenstraße werden umgestellt.

1968

Tradition ade. Das Essighaus wird vom Weinlokal zum Bierlokal. Der neue Pächter eröffnet das „Löwenbräu im Essighaus“ mit Blasmusik und weißgescheuerten Tischen. Später Restaurant „International“.

1972

Das Essighaus als Gasthaus ist Geschichte. Die Bank Martens & Weyhausen richtet dort ihre Büroräume ein. Der Giebel von Haus Nummer 19/21 (ehemals 12/13) wird neu gestaltet. Es wird berichtet, dass die ursprünglich geplante Wiederherstellung des historischen Giebels zu kostspielig und sich als statisch unmöglich herausgestellt hätte. Daher entschloss man sich, den Giebel des daneben gelegenen Bankhauses äußerlich anzugleichen. Es entsteht ein Hausensemble mit den Hausnummern 15 bis 21. Der Architekt Erik Schott wählte dazu die Rückseite des Hauses Caesar am Domshof als Vorlage für die aufgesetzten Einzelheiten wie Steinvasen und Gesimsprofile.

1985 bis heute

Die Deutsche Factoring Bank zieht ein. Sie ist Mitglied der Sparkassen-Finanzgruppe. Factoring (englisch: Rechnung) ist als Finanzdienstleistung eine Finanzierungsquelle für mittelständische Unternehmen.

von Peter Strotmann

Wiederauferstanden aus Ruinen: das Restaurant Essighaus 1959, Inhaber Heinz Bastanier, Langenstraße 12-13. Quelle: Ansichtskarte Peter Strotmann

Wiederauferstanden aus Ruinen: das Restaurant Essighaus 1959, Inhaber Heinz Bastanier, Langenstraße 12-13.
Quelle: Ansichtskarte Peter Strotmann

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

„Erst der Hafen, dann ist die Stadt“

Im Magazin „Erst der Hafen, dann ist die Stadt“ über Bremen und seine Häfen gehen wir in vielen historischen Bildern auf Zeitreise durch die maritime Vergangenheit unserer Hansestadt. Wie entwickelten sich die Häfen in Bremen vom Mittelalter bis heute? Wie sah die Arbeit zwischen Ladeluke, Kaje und Schuppen aus? Was hatte es mit den Anbiethallen auf sich? Und wie veränderte die Containerschifffahrt die Häfen? Wir blicken auf die Gründung der Freihäfen um 1900 und den Strukturwandel rund 100 Jahre später. Wir erzählen von Schmugglern und Zöllnern, von Bremens großen Werften sowie Abenteuern, Sex und Alkohol an der Küste – dem Rotlichtviertel am Hafen.

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