Vor 70 Jahren wurde das Zentralbad am Richtweg eröffnet – spätere Nutzungen unter keinem guten Stern
Seit 75 Jahren war das Breitenwegbad die zentrale und meist genutzte Badeanstalt der Hansestadt. Im Januar 1952 wurde es geschlossen. Das Gebäude, das dort stand, wo sich heute das City-Gate befindet, und das mit dem hohen Schornstein seiner Heizanlage eher an eine Fabrik erinnerte, war 1944 bei einem Bombenangriff schwer beschädigt und nur provisorisch wiederhergestellt worden. Darum begannen rasch die Planungen für ein neues Zentralbad. Ein passendes Grundstück fand man am Richtweg, hinter dem Haus des Reichs. 1950 war Baubeginn. Eine Woche nach Schließung des Breitenwegbades wurde am 29. Januar 1952 das neue Zentralbad feierlich eröffnet.
Genau gesagt war es der erste Bauabschnitt, der an diesem Tag der Öffentlichkeit übergeben wurde: der zum Grünenweg hin gelegene Flügel mit den Reinigungs- und medizinischen Bädern. Die drei Schwimmhallen wurden erst im September fertiggestellt. Diese Reihenfolge entsprach der Situation in einer von großer Wohnungsnot betroffenen Stadt mit überfüllten und sanitär meist unzureichend ausgestatteten Altbauwohnungen. Die Nutzung eines öffentlichen Wannen- oder Duschbades war für viele notwendige Normalität.
Insgesamt kam der Neubau auf die dreifache Größe des alten Bades und seine Ausstattung entsprach dem allerneusten Stand. Der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für das Bäderwesen, Wilhelm Ohlwein, lobte bei der Eröffnung die Anlage gar als „beste, modernste und größte Europas“.
Der rund 100 Meter lange Flügel am Grünenweg, an dem auch der Haupteingang lag, nahm im Hochparterre die russisch-römische Badeabteilung mit 26 Ruhekabinen auf. Im zentralen breiten Zugangsflur, der auch zum zweiten Eingang am Richtweg führte, befand sich der Kassenbereich. Über eine breite Treppe gelangten die Badegäste von dort ins Obergeschoss, wo an der Ostseite die Wannen- und Duschbäder, getrennt in Frauen- und Männerabteilungen, auf der Westseite die beiden großen Schwimmhallen lagen.
Im 2. Obergeschoss befand sich die medizinische Badeabteilung, im Staffelgeschoss waren Dienstwohnungen und die Verwaltung untergebracht. Beide Schwimmhallen, eine allgemeine und eine Sportschwimmhalle, hatten Becken von 12,5 mal 25 Metern und Drei-Meter-Sprungbretter. Die zum Richtweg hin gelegene Sportschwimmhalle besaß zudem einen Fünf-Meter-Turm und eine Tribüne, von deren obersten Podest man auf eine Sonnenterrasse gelangen konnte. Unterhalb der zwischen beiden Großhallen liegenden Umkleiden befanden sich im Erdgeschoss ein Lehrschwimmbecken und eine Gymnastikhalle.
Auch über das Baden hinaus hatte der Neubau einiges zu bieten: Am Richtweg gab es im Erdgeschoss drei Geschäfte, am Grünenweg war in einem eingeschossigen Anbau ein Restaurant untergebracht. Architektonisch erinnerte die Badeanstalt, bei der überwiegend Ziegelsplit-Steine aus der Bremer Trümmerverwertungsanlage verbaut wurden, in ihrer kraftvoll-strengen Erscheinung eher an Bauten der 1930er-Jahre. Das heiter-verspielte Formenrepertoire des typischen 1950er-Jahre-Stils, der sich bald durchsetzen und auch das von Zentralbad-Architekten Kurt Haering wenige Jahre später entworfene Sebaldsbrücker Schloßparkbad prägen sollte, war hier noch nicht sichtbar.
Große Pläne für Verkehrsachse
Da seinerzeit daran gedacht war, den Straßenzug Richtweg-Birkenstraße-Falkenstraße zu einer leistungsfähigen Verbindung zwischen den östlichen und westlichen Stadtteilen inklusive Straßenbahngleisen auszubauen, malte Bausenator Emil Theil bei der Eröffnung schon mal aus, dass bald auf den umliegenden Trümmergrundstücken ein großstädtisches Quartier mit Hotels, Geschäftshäusern und Tramstation direkt vor dem Bad entstehen werde.
Bekanntlich kam es anders. Der Richtweg wurde keine Hauptstraße und spielte in der weiteren städtebaulichen Entwicklung der Innenstadt keine wesentliche Rolle. Aber auch der Glanz des hochgelobten Zentralbades war nicht von Dauer. Schon ab Mitte der 1960er-Jahre nahm die Besucherfrequenz ab. Vor allem die Erfolge im Wohnungsbau führten dazu, dass sich der Gang ins öffentliche Bad immer mehr erübrigte.
Zudem entstand mit zahlreichen neuen Hallen- und Freibädern in den Stadtteilen Konkurrenz, und in den 1970er-Jahren setzte ein Trend zu sogenannten Spaßbädern ein. Als Sportschwimmhalle hatte ihm schließlich das neue Uni-Bad mit seinem 50-Meter-Becken den Rang abgelaufen. So kam es, dass dem einst gepriesenen Bad, anders als seinem Vorgänger, keine 75 Jahre Lebensdauer beschert waren, sondern nicht einmal die Hälfte: Am 18. Oktober 1984 beschloss der Senat seine Schließung.
Ein Jahr später stellten Investoren Pläne vor, die Badeanstalt in ein Spaßbad mit Hotel und Ladenpassage umzuwandeln – Pläne, die sich bald wieder zerschlugen. Dann gab es den Vorschlag einer Kommission, an diesem Ort statt auf der Bürgerweide das geplante Kongresszentrum zu realisieren. Schließlich bekam das Projekt von Investoren den Zuschlag, die in dem Bad eine Markthalle nach südeuropäischem Vorbild planten, verbunden mit einem Ärztehaus und einem Parkhaus auf dem angrenzenden unbebauten Grundstück.
Eine Umfrage hatte den Investoren bestätigt, dass 80 Prozent der Bremer hier regelmäßig einzukaufen gedachten. Die Prognose erwies sich als falsch. Nach der Eröffnung am 4. April 1990 zeigte sich schon bald, dass sich der Publikumszuspruch weit unterhalb der angedachten 2000 Besucher pro Tag bewegte. Ein Stand nach dem anderen musste schließen, und ein Jahr später eröffnete in der Halle die Großdiskothek Astoria, aber auch für die gab es ein schnelles Aus.
Reines Musicaltheater als Flop
Das bisher letzte Kapitel wurde wenig später eingeleitet, als die Wirtschaftsbehörde das Vorhaben bekannt gab, im Rahmen eines Programms zur Förderung der lokalen Wirtschaft und des Tourismus auch in Bremen ein Musicaltheater zu etablieren. Musicals waren im Trend, und der Standort am Richtweg schien aufgrund der zentralen verkehrsgünstigen Lage dafür bestens geeignet. Schon früh wurden kritische Stimmen vernehmbar, die warnten, Bremen hinke dem Trend hinterher.
Als der Umbau schließlich 1999 nach dreijähriger Bauzeit abgeschlossen war, bewahrheitete sich die Einschätzung nach anfänglichem Erfolg schon bald. Das Theater konnte nicht kostendeckend arbeiten und ging in Insolvenz. Heute heißt das Haus Metropol Theater und ist mit einem gemischten Programm nicht allein auf Musicals ausgerichtet.
Trotz der gravierenden Umbauten ist der Ursprungsbau teilweise noch gut zu erkennen. Badeanstalt, Markthalle, Diskothek, Theater – was die wandelnden Nutzungen verbindet, ist der euphorische Start, der über kurz oder lang von der Realität eingeholt wurde.