Am 31. Mai 1960 eröffnete Bremens erste Hochgarage, das heutige Parkhaus Mitte
Noch nicht ganz einig war sich die Berichterstattung in der Terminologie, als Bauleiter Hoffstedt am 31. Mai 1960 auf dem Dach des Neubaus Geschäftsführer Schubert von der Bremer Parkplatz GmbH zur Eröffnung symbolisch einen Riesen-Zündschlüssel überreichte. In den Bremer Nachrichten wurde in dem Beitrag über das Ereignis das Bauwerk als „Hochgarage“, im WESER-KURIER als „Parkhochhaus“ bezeichnet. Dass sich das später gebräuchliche Wort Parkhaus noch nicht eingespielt hatte, mag auch daran gelegen haben, dass Bremen schon ein viel älteres „Parkhaus“ besaß. So hieß bekanntlich das kuppelbekrönte Gebäude, das sich im Hollersee spiegelte und das seit 1872 in verschiedenen baulichen Varianten als Restaurant und Konzerthaus diente, bevor es zu Beginn der 1950er-Jahre zum Parkhotel umgebaut wurde. Wie dem auch sei – das bald „Parkhaus Mitte“ genannte Gebäude an der Pelzerstraße war Bremens erstes Parkhaus im heute gebräuchlichen Sinn des Wortes.
Die Notwendigkeit der Errichtung solcher Gebäude war schon länger in Fachkreisen unstrittig. Für die mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Krieg rasant einsetzende „Automobilisierung“ waren die baulichen Strukturen der alten europäischen Städte bald überfordert. Sie platzten gewissermaßen aus ihren Nähten, sodass Verkehrs- und Stadtplaner für ihren „autogerechten“ Umbau plädierten. Bremens Baudirektor und späterer Senatsbaudirektor Franz Rosenberg stellte schon im November 1954 in einem Vortrag heraus, dass die Verkehrsentwicklung ein noch vordringlicheres Problem als der Wiederaufbau geworden sei. Das gelte für den fließenden und ruhenden Verkehr gleichermaßen.
Rotterdam und Coventry als Vorbild
Auf Einladung des Amerika-Hauses plädierte im Mai des folgenden Jahres der amerikanische Verkehrsexperte James Marshall Miller dafür, die Chancen der Kriegszerstörungen zu nutzen und mittelalterliche Strukturen nicht wieder aufzubauen. Als Vorbilder nannte er Rotterdam und Coventry. Er schlug Hochgaragen am Rande des Stadtkerns und ausgedehnte Fußgängerzonen im Zentrum vor.
Genau an dieser Frage, ob die Parkhäuser im Zentrum oder nur am Rand errichtet werden sollten, schieden sich allerdings in Bremen damals die Geister. Am Standort des Parkhauses Mitte ist zu erkennen, dass sich schließlich jene Kräfte durchsetzten, die glaubten, wenn die Kunden nicht unmittelbar neben den Geschäften parken könnten, würden sie ausbleiben und die Innenstadt verwaisen. Schon damals argumentierte man mit der Angst vor amerikanischen Verhältnissen, mit der Vorstellung, an den Stadträndern könnten sich große Einkaufszentren mit unbegrenzten Parkmöglichkeiten ansiedeln.
Die Stadt legte 1956 eine Parkplatzplanung für die Innenstadt vor. Noch handelte es sich vorwiegend um Trümmergrundstücke, die zum Teil von der Stadt angekauft wurden, und die größtenteils die späteren Parkhausstandorte vorwegnahmen. Darunter war auch das Grundstück zwischen Pelzer- und Großer Hundestraße, das strategisch ideal zwischen den Einkaufsbereichen Söge- und Obernstraße lag. Kein Wunder also, dass hier das erste Parkhaus entstand.
Bereits 1956 legte der Architekt Kurt Haering für diesen Ort eine Entwurfsstudie für ein sogenanntes Autosilo vor. Mittels Aufzügen ließen sich so 240 Autos in zehn Etagen platzsparend unterbringen. Die beiden angrenzenden Kaufhäuser Karstadt und Defaka, die sich an den Baukosten beteiligen sollten, sprachen sich aber gegen eine solche Lösung aus. Sie brachten 1957 den Entwurf eines Rampenparkhauses der Architekten Säume und Hafemann ins Spiel, die auch den Defaka-Neubau in der Obernstraße gestaltet hatten.
Dieser Entwurf bildete schließlich die Grundlage für den fertigen Bau, den das Architektenteam in Kooperation mit Haering ausführte. Die vier Obergeschosse und ein offenes Parkdeck auf dem Dach boten insgesamt 550 Stellplätze, von denen 75 Prozent allen Autofahrern zur Verfügung standen, der Rest war von Firmen für Dauerparker reserviert worden. Die Kurzparker sollten mit günstigen Gebühren für die noch ungewohnten Abstellmöglichkeiten angelockt werden: Nur 30 Pfennige kostete die erste Stunde, 20 Pfennige jede weitere.
Architektonisch setzte sich deutlich der Stil von Max Säume und Günther Hafemann durch, dem damals dominantesten Bremer Architekturbüro. Als „Hausarchitekten“ der Gewoba hatten die beiden unter anderem Siedlungen wie die Neue Vahr und die Gartenstadt Süd wesentlich mitgeprägt. Aber auch Industrie-Architektur, wie der Speicher I, gehörten zu ihrem Arbeitsbereich. An diesen erinnert ein wenig auch der schnörkellose Funktionalismus des Parkhauses mit seiner ziegelverkleideten Stahlbetonkonstruktion, seinen Mattglasfensterbändern mit Lüftungsflügeln und dem als Eckakzent hervorgehobenen Treppenturm. Im Erdgeschoss gab es eine Shell-Tankstelle sowie einen in Glasbausteinen gefassten ausbuchtenden Servicebereich. Anders als noch in den frühen 1950er-Jahren, als man sich in der benachbarten Sögestraße heftig um den rechten „bremischen“ Stil und Maßstab in der Architektur stritt, gehörte um 1960 die architektonische Moderne im Stadtzentrum bereits zum gewohnten Bild.
Bis zur Unkenntlichkeit überformt
Dass man heute von außen nur noch wenig vom ursprünglichen Baukörper erkennen kann, liegt weniger an ästhetischen Fragen und mehr an sich wandelnden Nutzungsanforderungen. Sie haben das Gebäude von allen fünf Seiten (die Dachaufsicht eingeschlossen) bis zur Unkenntlichkeit überformt. Es begann mit einem Erweiterungsbau an der Westseite, der 1972 mit dem Neubau des Kaufhauses Horten entstand. Dieser Teil liegt wie eine Brücke über der Kleinen Hundestraße und ist mit den typischen Horten-Fassadenelementen verkleidet.
Um Staus infolge der gesteigerten Kapazität zu vermeiden, wurde seinerzeit sogar erwogen, die Garagenausfahrt in einen Tunnel zu verlegen, der die Autos erst an der Martinistraße wieder ans Tageslicht gebracht hätte. Man entschied sich dann doch für eine Abfahrt über die Kleine Hundestraße, die aber, um Staus an der Ansgaritor-Kreuzung zu vermeiden, den Bau des dortigen Fly-Overs erforderlich machte, wie Verkehrsexperten ermittelt hatten.
Als man später bei der Bremer Parkplatzgesellschaft erkannt hatte, dass die Monofunktionalität der Parkhäuser gerade in den Erdgeschosszonen nicht sonderlich zur Belebung der Innenstadt beitrugen, entstanden 1982 an der Kreyenstraße und der Großen Hundestraße vom Architekten Claus Hübener entworfene Ladenvorbauten, für die in einem Preisausschreiben der Name „Kramerzeile“ ermittelt wurde. 1990 wurden sie Teil der glasgedeckten Lloydpassage. Zwischenzeitlich war 1985, nachdem die Knochenhauerstraße verkehrsberuhigt worden war, als Kompensation für dort wegfallende Parkplätze das Parkhaus Mitte mit einer luftigen Stahlkonstruktion um drei Ebenen aufgestockt und zugleich das Dach des Horten-Gebäudes als Parkfläche erschlossen. An der noch unbebauten Nordseite entstand schließlich 2002 als „Mantelbau“ das von dem Architekten Peter Schnorrenberger entworfene „Bürger-Service-Center“.
Im Laufe von 60 Jahren ist aus dem strengen Funktionsbau eine eigenwillige Architekturcollage geworden, deren Tage bekanntlich nun gezählt sein sollen. Neben den großen Kaufhäusern haben offensichtlich auch die großen Parkhäuser in den Stadtzentren ihre tragende Rolle eingebüßt.