Vor den Kühlschränken gab es Stangeneis: In Bremen gehörte der Eishändler Huxmann zu den Top-Produzenten  

Wenn der Eismann zweimal klingelt: Vor allem im Sommer gefragt - das Stangeneis, hier eine Aufnahme von 1957. Quelle: Bundesarchiv Koblenz

Wenn der Eismann zweimal klingelt: Vor allem im Sommer gefragt – das Stangeneis, hier eine Aufnahme von 1957.
Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-47890-0001 / CC-BY-SA 3.0, Bundesarchiv Bild 183-47890-0001, Berlin, Kinder mit dem Eismann, CC BY-SA 3.0 DE

Das ist die Geschichte des Stangeneises. Und die Geschichte des wohl bekanntesten Bremer Eishändlers Huxmann, der jahrzehntelang Lebensmittelgeschäfte, Haushalte und Gaststätten mit kühlenden Eisblöcken versorgte. Denn: Elektrisch betriebene Kühlschränke verbreiteten sich in Deutschland erst in den 1950er und den 1960er Jahren. Davor gab es stromlose Eisschränke und Kühlkisten. Diese mussten mindestens einmal die Woche mit Stangeneis aufgefüllt werden.

An die Zeit des Stangeneises habe ich auch persönliche Erinnerungen. Von 1963 an machte ich eine Lehre bei einer Firma im Neustädter Brauereiviertel. Ich kann mich noch gut an die roten Huxmann’schen Eiswagen erinnern. Als Kind habe ich oft zugesehen, wenn der Eismann das Stangeneis in die Gaststätten trug. Besonders froh war ich, wenn beim Transport ein Eissplitter absprang. Denn da konnte ich so schön dran lutschen.

Eis mitten im Sommer?

Stangeneis – das war früher eine Selbstverständlichkeit. Die Herstellung und Lagerung vieler Lebensmittel, wie auch von Speiseeis und Bier, ist in der wärmeren Jahreszeit ohne Kühlung nicht oder nur sehr schwer möglich. Im Winter wurde deshalb Natureis in sogenannte Eiskeller gebracht. Damit hatte man auch im Sommer kühle Lager und Fabrikationsräume.

In den 1870er Jahren kamen wirtschaftlich betriebene Kältemaschinen auf den Markt. Damit konnte man Räume und die darin befindlichen Waren kühlen. Mit der Verbreitung der Kältemaschinen wurde kein Natureis mehr benötigt.

Zudem war es ab den 1900er Jahren mit den Kältemaschinen möglich, sommers wie winters, sauberes Stangeneis in großer Menge zu erzeugen. Das wurde bis Mitte der 1960er Jahre für viele Zwecke gebraucht. Elektrisch betriebene Kühlschränke kamen erst ab den 1950ern in die Haushalte.

Doch zunächst einmal ging es zum Eisernten hinaus auf zugefrorene Wasserläufe. Schließlich wurde Kühlung dringend gebraucht, etwa beim Bierbrauen. In Vorderasien, im sogenannten „Land des „Fruchtbaren Halbmonds“, wurde schon mehrere Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung Bier gebraut. Ab 1842 braute man zuerst in Pilsen das länger haltbare, untergärige Bier nach Pilsner Brauart. Das wurde in natürlichen kühlen Höhlensystemen gemacht. Oder, wo die nicht vorhanden waren, in „Eiskellern“, in denen das im Winter „geerntete“ Eis aus Flüssen oder Seen eingelagert war.

„Eisernte“ aus dem Eispohl in der Lüssumer Heide

Der Eispohl und auch der Katzenpohl (Pohl=Wasserloch) in der Lüssumer Heide im Stadtteil Blumenthal sind natürliche Heideweiher. Diese beide Pohle haben ihren Namen von ihrer Nutzung: Vor dem Ersten Weltkrieg wurden im Winter große Eisstücke aus dem zugefrorenen Weiher entnommen und für die Kühlung des Bieres der Rönnebecker Brauerei genutzt.

In der Brauerei lagerte das Bier in einem Kellergewölbe, dem „Eiskeller“, neben den aus den Pohlen oder auch der Weser „geerntete“ Eisblöcke gestapelt waren. Das Eis sorgte in dem dunklen Gewölbe bis in den Sommer hinein für kühle Temperaturen.

Eiswerk und Kühlhaus Huxmann AG, Bremen

Das aus Seen und Flüssen geerntete Eis war verunreinigt und konnte nicht direkt für die Lebensmittelherstellung verwandt werden. Aber es konnte im Eiskeller monatelang für eine kühle Raumtemperatur sorgen.

Unter diesen Voraussetzungen startete Johann Heinrich Huxmann 1875 sein Geschäft als Eishändler am Doventorsteinweg 12. Als er 1886 stirbt, übernimmt seine Witwe die Eishandlung und steigt auch noch in den Steinkohlehandel ein.

1898 tritt der älteste Sohn Johann Hinrich in ihre Fußstapfen und baut das Geschäft aus. 1905 eröffnet er ein Kristall-Eiswerk und ab 1908 betreibt er zusätzlich drei Kühl- und Gefrierhäuser. Ab 1911 wird die Firma in die „Eiswerke Huxmann Aktiengesellschaft“ umgewandelt. 1919 zieht die Gesellschaft in die Neustadt, Am Deich 29, da sie die Anlagen der Bremer Brauerei übernimmt.

Schwer in Mitleidenschaft gezogen: die Eisfabrik Huxmann nach dem Luftangriff vom 2. Januar 1941. Quelle: Privat

Schwer in Mitleidenschaft gezogen: die Eisfabrik Huxmann nach dem Luftangriff vom 2. Januar 1941. Quelle: Privat

Das im Kristall-Eiswerk aus reinem Wasser hergestellte Stangeneis wurde in die roten Huxmann’schen Kühlwagen verladen, die von Pferden der Rassen Belgier oder Oldenburger gezogen wurden. Bis vor dem Zweiten Weltkrieg hatte man 45 dieser schweren Pferde, 1948 nur noch zehn. So sah man die Eiswagen durch Bremen zuckeln.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Huxmann’schen Betriebsgebäude zwar schwer beschädigt, aber sie waren nach Kriegsende bald wieder betriebsbereit. Ohne diese Kühl- und Gefrierräume, übrigens die einzigen in der Stadt, hätte es ganz schlecht mit der Vorratshaltung an tiefgefrorenem Fleisch, aber auch von Butter und anderen Lebensmitteln ausgesehen.

Auch das Eiswerk war unter den Trümmern erhalten geblieben. 1948 stellte das Eiswerk Huxmann werktäglich 1300 Zentner Stangeneis im Werk Am Deich her. Davon waren 75 Prozent für die Beeisung der von Bremen nach Süddeutschland gehenden Lebensmittelzüge bestimmt. Die restliche Menge verteilte sich auf Krankenhäuser – für die berüchtigten Eisbeutel – , an Lebensmittelhändler und an einige andere Kunden. Mitte der 1970er Jahre verliert sich die Spur der Firma.

Der Eismann kommt

Ein letztes Lebenszeichen: Huxmann-Anzeige von 1973.

Ein letztes Lebenszeichen: Huxmann-Anzeige von 1973.

Der Job des Eismanns ist heute ein ausgestorbener Beruf. Er lieferte das Natureis und später das fabrikmäßig erzeugtem Stangeneis mit dem Eiswagen an die Kunden. Das waren unter anderem Lebensmittel- und Fischgeschäfte, sowie Privathaushalte. Weiterhin wurde in der Gastronomie noch bis in die späten 1960er Jahre Stangeneis zur Getränkekühlung im Bierkeller verwendet.

Der Eismann verwendete einen ledernen Schulterschutz und einen Handhaken zum Tragen der Eisblöcke. Mit einem Handbeil wurden die ca. 1 Meter langen und im Querschnitt 20 x 30 Zentimeter großen Stangen für Kleinabnehmer halbiert oder geviertelt.

Doch das ist lange her. Heute wird Stangeneis allenfalls noch aus nostalgischen oder dekorativen Gründen verwendet.

von Peter Strotmann

Eis von Huxmann: Auf diesem Foto von 1935 steht der Eiswagen auf der Neustadtseite, an der Straße Am Deich. Auf der Altstadtseite sind die Packhäuser der Stephaniviertels und die St. Stephani-Kirche zu sehen. Quelle: Stadtteil-Archiv Bremen-Neustadt

Eis von Huxmann: Auf diesem Foto von 1935 steht der Eiswagen auf der Neustadtseite, an der Straße Am Deich. Auf der Altstadtseite sind die Packhäuser der Stephaniviertels und die St. Stephani-Kirche zu sehen.
Quelle: Stadtteil-Archiv Bremen-Neustadt

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