Leuchtkugeln steigen in den Bremer Nachthimmel auf. Die hellen Punkte, die schnell wieder erlöschen, bedeuten für die einen den Sieg und für die anderen die Niederlage. Für die letzten verbliebenen Verteidiger der Bremer Räterepublik ist es das Zeichen, dass sie den Kampf endgültig verloren haben. Dass ihr Traum von einer eigenständigen sozialistischen Republik an diesem 4. Februar 1919 um 22 Uhr ausgeträumt ist. Ein Traum, der mit meuternden Matrosen begann und 26 Tage andauerte.

Die Novemberrevolution

Matrosen stürmten im November 1918 das Marine-Untersuchungsgefängnis. (Deutsches Marinemuseum)

Ende Oktober 1918 befindet sich die deutsche Armee seit vier Jahren im Krieg. Das Kaiserreich kann diesen nicht mehr gewinnen, das weiß auch die Oberste Heeresleitung. Sie drängt auf einen Waffenstillstand, während die Regierung demokratische Reformen einleitet. Die Marineführung pocht dennoch auf eine Entscheidungsschlacht im Ärmelkanal, um die britische Flotte zu vernichten – oder erhobenen Hauptes unterzugehen.

Doch die Matrosen in Wilhelmshaven weigern sich, dem Befehl Folge zu leisten, was einige von ihnen in Haft bringt. Ihr Aufstand aber springt auf andere Küstenstädte über. Bald kommt es in ganz Deutschland zu Demonstrationen. In fast allen Städten bilden sich Soldaten- und Arbeiterräte. Angesichts des politischen Drucks verkündet Kanzler Max von Baden die Abdankung des Kaisers und übergibt die Regierungsgeschäfte dem Sozialdemokraten Friedrich Ebert.

Machtübernahme in Bremen

In der Kaserne in der Bremer Neustadt weigern sich am 6. November Soldaten, an die Front zu fahren. Zeitgleich treffen Matrosen aus Kiel in Bremen ein und ziehen zur AG Weser. Sie fordern die Werftarbeiter auf, sich ihnen anzuschließen und politische Gefangene aus der Strafanstalt Oslebshausen zu befreien. Später besetzen Matrosen, Heeressoldaten und Arbeiter das Rathaus, vor dem sich eine Menschenmasse versammelt. Der Revolutionär Adam Frasunkiewcz tritt auf den Balkon. Er verkündet die Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates. Dieser tritt zwei Tage später erstmals mit 30 meist rechtssozialistischen Soldaten und 180 überwiegend linksradikalen Arbeitern zusammen. Über den Räten steht ein Aktionsausschuss, dem drei Linksradikale und vier USPD-Mitglieder angehören. Den Vorsitz hat Alfred Henke. Bald ergehen erste Beschlüsse: Der Achtstundentag wird eingeführt, staatliche Arbeitsämter werden gegründet, Senat und Bürgerschaft weitgehend entmachtet.

Die Regierungsgewalt soll an die Räte gehen, die kapitalistische Ordnung einer sozialistischen Gesellschaft weichen. Schließlich weht auf dem Rathausbalkon die rote Fahne. „Die Maschine läuft, aber Lokomotivführer ist der Arbeiter- und Soldatenrat, der Vertreter des gesamten Volkes“, erklärt Henke.

Unter den Revolutionären entbrennt jedoch ein Machtkampf, als Johann Knief die Führung der Linksradikalen übernimmt. Vor allem die Rätevertreter der MSPD sind oft anderer Meinung als er. Knief bewundert die Bolschewisten, die in Russland die Macht an sich gerissen haben, und gründet mit anderen Kommunisten in Berlin die KPD. Die Zusammenarbeit in den Räten stockt. Henke verlässt eine Sitzung mit den Worten: „Solche Schweinerei mache ich nicht mehr mit.“

Die Rückkehr der 75-er

Am Neujahrstag 1919 kehrt das Infanterieregiment „Bremen“ Nr. 75, das im Krieg an der Westfront gekämpft hat, nach Bremen zurück. Tags zuvor hat ihr Befehlshaber Walter Caspari die Wiedereinsetzung des Senats sowie den freien Einzug seiner Soldaten in die Kaserne verlangt – die Revolutionäre stimmten zu. Die Straßen sind voller Menschen, als die Truppen einziehen. Viele feiern Casparis Männer als Befreier, die sie vom Arbeiter- und Soldatenrat erlösen sollen.

Der Zug hält auf dem geschmückten Marktplatz. Nach Lobeshymnen durch Senat und Bürgerschaft singen die Versammelten das Deutschlandlied, bevor die Soldaten abmarschieren. Doch statt in die Kaserne, leiten die Revolutionäre sie in eine Schule an der Kornstraße, wo sie die Heimkehrer umstellen. Einige solidarisieren sich mit den Arbeitern, andere geben ihre Waffen erst angesichts der Aussichtslosigkeit der Lage ab.

Alfred Henke (Wikimedia)

Zur Person: Alfred Henke (1868-1946)

Alfred Henke ist von 1906 bis 1916 Chefredakteur der Bremer Bürger-Zeitung, dem Parteiblatt der SPD, und sitzt seit 1912 im Reichstag, wo er den Wahlkreis Bremen vertritt. Er gehört zum linken Flügel der SPD. Bei Kriegsbeginn setzt sich der gelernte Zigarrenmacher gegen die Bewilligung von Kriegskrediten ein. Nach der Spaltung der Partei wechselt er zur USPD.

Im Zuge der Novemberrevolution übernimmt er in Bremen den Vorsitz des Arbeiter- und Soldatenrates. Henke stimmt im Anschluss an die Machtübernahme am 15. November ein Hoch auf die proletarische Internationale an. Während der Niederschlagung der Räterepublik hält er sich in Weimar auf, wo er seinen Platz als gewählter Vertreter der Nationalversammlung einnimmt. Bis 1932 bleibt er Mitglied des Reichstags. In Arsten trägt heute eine Straße seinen Namen.

Johannes Knief (Staatsarchiv Bremen)

Zur Person: Johann Knief (1880-1919)

Johann Knief arbeitet bis zum Jahr 1911 als Volksschullehrer in Bremen. Danach verdient er sein Geld als Redakteur bei der Bremer-Bürger-Zeitung, dem Parteiblatt der SPD, in der er seit 1906 Mitglied ist. Bei Kriegsausbruch zieht ihn die Armee zum Dienst an der Westfront ein, wegen eines Nervenleidens wird er wenig später entlassen. Als einer der führenden Bremer Linken betätigt er sich deutschlandweit in der Parteiarbeit – auch illegal, weshalb er in Berlin inhaftiert wird.

Nach der Novemberrevolution kehrt er nach Bremen zurück. Er wird zum Volksbeauftragten der Rätererepublik ernannt, obwohl er wegen einer Blinddarmerkrankung nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Nach der Niederschlagung versteckt er sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin Lotte Kornfeld in Worpswede bei dem Maler Heinrich Vogeler. Im April 1919 erliegt er den Folgen einer Operation.

Hier lesen Sie den zweiten Teil der Serie zur „Niederschlagung der Bremer Räterepublik“

Hier lesen Sie den dritten Teil der Serie zur „Niederschlagung der Bremer Räterepublik“

von Helge Hommers

Die Novemberrevolution erreicht Bremen

Die Novemberrevolution zum Ende des Ersten Weltkriegs führt in ganz Deutschland zu Aufständen – auch Bremen ist davon betroffen. (Staatsarchiv Bremen)

Jung, aber mit viel Geschichte

50 Jahre
Universität Bremen

50 Jahre sind seit der Gründung der Universität Bremen vergangen. Auf dem Weg von der vermeintlichen roten Kaderschmiede zur Exzellenzuniversität ist viel passiert: Wir haben den ersten sowie den aktuellen Rektor interviewt und mit Absolventen gesprochen – zu denen auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte gehört. Zudem hat uns ein Architekt über den Campus begleitet. Das Magazin der Reihe WK | Geschichte gibt es ab 18. September in den ­Kundenzentren des WESER-­KURIER, im Buch- und Zeitschriftenhandel, online unter www.weser-kurier.de/shop und unter 0421 / 36 71 66 16.

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