Von Anbiet bis Zuckerklatsche
„Erst der Hafen, dann ist die Stadt“
Im Magazin „Erst der Hafen, dann ist die Stadt“ über Bremen und seine Häfen gehen wir in vielen historischen Bildern auf Zeitreise durch die maritime Vergangenheit unserer Hansestadt. Wie entwickelten sich die Häfen in Bremen vom Mittelalter bis heute? Wie sah die Arbeit zwischen Ladeluke, Kaje und Schuppen aus? Was hatte es mit den Anbiethallen auf sich? Und wie veränderte die Containerschifffahrt die Häfen? Wir blicken auf die Gründung der Freihäfen um 1900 und den Strukturwandel rund 100 Jahre später. Wir erzählen von Schmugglern und Zöllnern, von Bremens großen Werften sowie Abenteuern, Sex und Alkohol an der Küste – dem Rotlichtviertel am Hafen.
Vor 50 Jahren
„1971 war für uns das Jahr einer begrenzten, auch spürbaren Konsolidierung der Volkskirche“ – diese Feststellung machte Schriftführer Pastor Binder am Mittwoch vor den rund zweihundert Mitgliedern des Kirchentages, des Parlaments der Bremischen Evangelischen Kirche, das im großen Saal der Glocke seine 49. Sitzung abhielt. Die Zahl der Kirchenaustritte, so konnte Binder befriedigt notieren, sei gegenüber dem Vorjahr erheblich zurückgegangen. Waren es 1970 noch 6743 Christen, die der evangelischen Kirche in Bremen Lebewohl sagten, so traten im vergangenen Jahr „nur“ 5357 Bremer aus der Kirche aus. (WESER-KURIER, 24. März 1972)
Hintergrund
Die beiden Reformatoren Ulrich Zwingli (li.) und Martin Luther.
Foto: Frank Hethey
Mit dem Rückgang der Kirchenaustritte von mehr als 20 Prozent sei zum ersten Mal die jahrelange negative Entwicklung mit den jährlichen Zuwachsraten der Austritte unterbrochen worden, stellte Pastor Binder fest. Er hatte Hoffnung, dass sich diese Entwicklung fortsetze. Der WESER-KURIER zitierte ihn damals weiter: Auch wenn man Statistiken nicht überbewerten solle, so gehe aus den Zahlen doch hervor, dass „unsere Volkskirche keinesfalls an dem Ende angelangt ist, das viele ihr bereits für die nächsten Jahre prophezeiten.“
Binder vermutete, dass die Entwicklung der Mitgliederzahlen einigen Tendenzen innerhalb der Kirche selbst entsprächen und dass die Kräfte, die auf den Zusammenhalt der Kirche bedacht seien, sich verstärkt hätten. „Dieser Wille sei stärker als die gleichfalls starke Tendenz zur Polarisierung“, hieß es weiter.
Das Thema Kirchenaustritte ist auch 50 Jahre danach noch aktuell und durch etliche Skandale um Kindesmissbrauch weiter in den Fokus gerückt. Seit 2019 scheint sich dennoch ein leichter Rückgang bei den Austritten aus der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) abzuzeichnen: 2019 kehrten noch 3221 Menschen der Kirche den Rücken, 2020 waren es 2270 und im vergangenen Jahr 2163. Dem stehen in der Spitze 320 Eintritte gegenüber.
Die Gründe für den Austritt sind vielfältig. Laut einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland stehen die Skandale um Kindesmissbrauch und die Verschwendung finanzieller Mittel an vorderster Stelle. Es zeige sich aber auch, dass sich der Kirchenaustritt als Prozess vollziehe. Bei vielen Befragten sei bereits die Kindheit durch ein eher kirchenfernes Elternhaus und nur sporadischen Kontakt zur Kirche geprägt gewesen, nachhaltig sei der Kontakt bei vielen nach der Konfirmation eingebrochen.
Es zeige sich ein anhaltender Trend zu einem höheren Niveau der Kirchenaustritte, heißt es in der Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts.
Zahlendes Mitglied der Kirche zu sein – in den frühen 1970er-Jahren war das keine Selbstverständlichkeit mehr. Hier ein
Seniorenpaar im November 1972 vor dem Bremer
St.-Petri-Dom.
Foto: Jochen Stoss