Vor 50 Jahren
Wer auf dem Gelände zwischen Sandstraße, Violenstraße und Wilhadistraße eine Hochgarage bauen will (die zehnte in der Innenstadt), der muß nicht unbedingt über die „Leiche“ des Hauses von Bürgermeister Heineken gehen. Zu dieser Überzeugung ist Baudenkmalpfleger Dr. Hans-Christian Hoffmann nach sorgfältigem Studium des einschlägigen Bebauungsplans 659 gelangt. (WESER-KURIER, 27./28. Mai 1972)
Hintergrund
Eigentlich war das Schicksal des Hauses Heineken besiegelt. Der damalige Baudenkmalpfleger Karl Dillschneider hatte dem Abriss schon längst seinen Segen erteilt und lediglich angeregt, Teile der Fassade in Oberneuland wieder aufzubauen. Sein Nachfolger Hans-Christoph Hoffmann (über seinen Vornamen war man damals falsch informiert) sollte nur noch mitteilen, was aus der Sandstraße 3 sicherzustellen sei.
Doch Hoffmann kam zu einer völlig anderen Einschätzung als Dillschneider. Aus seiner Sicht lohnte es, in dem seit 1917 unter Denkmalschutz stehenden Gebäude genauer auf den Putz zu klopfen. Womöglich barg das frühere Domizil des Bürgermeisters Christian Abraham Heineken (1752-1818) noch die eine oder andere Überraschung. Wie recht er damit hatte, erwies sich ein paar Jahre später, als man im rückwärtigen Teil eine Bohlen-Balkendecke von 1580 freilegte.
Woher aber die Idee einer Hochgarage? Die Bremer Innenstadt stand damals vor dem Verkehrsinfarkt. Durch den Bau von Parkhäusern (mehr dazu hier) wollte man das Problem der „wilden“ Dauerparker in den Griff bekommen, zugleich den Autoverkehr aus dem altstädtischen Kernbereich herausholen und kanalisieren. Nur noch bestimmte Bereiche der City sollten befahrbar sein, andere den Fußgängern vorbehalten bleiben. Bereits seit 1963 war die Obernstraße eine Fußgängerzone, die Sögestraße folgte Ende der 1960er-Jahre. Ein Gesamtkonzept, das als „Bremer System“ in anderen Städten Schule machte.
Bremens erste Hochgarage, das heutige Parkhaus Mitte, war im Mai 1960 eröffnet worden (mehr dazu hier). Die nächste Hochgarage entstand am Brill, 1967 wurde das heutige Parkhaus Pressehaus an der Langenstraße eröffnet. Zu den avisierten Standorten für die nächsten Hochgaragen zählte der gesamte Bereich zwischen Sandstraße, Violenstraße und Wilhadistraße. Bereits im Juli 1969 hatte Otto Hartjen, der Geschäftsführer der Parkplatz-Gesellschaft, auf einen baldigen Baubeginn gedrängt. Umstritten war nur die Kapazität der neuen Hochgarage. Hartjen verlangte 800 Stellplätze, das Stadt- und Polizeiamt wollte es bei deutlich weniger bewenden lassen.
Dass noch irgendetwas dazwischen kommen könnte, lag außerhalb jeglichen Vorstellungsvermögens. Zwar gehörten zu diesem Zeitpunkt noch sämtliche Gebäude an der nordöstlichen Seite der Sandstraße dem Turn- und Sportverein Vorwärts, seit 1898 auch das Haus Heineken. Allerdings verhandelte man schon mit der Stadt über den Verkauf. „Das Gelände wird bald frei sein, weil sich der Verein ‚Vorwärts‘ eine neue Turnhalle baut und die alte abgerissen werden kann“, hieß es damals im WESER-KURIER.
Als die Vorwärts-Gebäude 1970 in den Besitz der Stadt übergingen, schien der Weg frei zu sein für das Parkhaus-Projekt. Wäre da nicht der Einspruch von Hoffmann gewesen. In der Presse entbrannte eine leidenschaftliche Debatte um die Zukunft des Heineken-Hauses und der Nachbargebäude an der Sandstraße. Im Januar 1973 brachte die Bürgerschaft das Projekt schließlich zu Fall. Eine Entscheidung, die Hoffmann auch in eigener Sache in die Karten spielte: Hatte er doch schon früh durchblicken lassen, dass er sich das Heineken-Haus gut als Sitz seiner neuen Dienststelle vorstellen könne, des 1971/72 gegründeten Landesamts für Denkmalpflege.
Begraben war das Parkhaus-Projekt damit allerdings nicht, nur verzögert. Eröffnet wurde das Parkhaus Violenstraße (heute Am Dom) im Oktober 1984 als „reduziertes Relikt der ursprünglichen Konzeption“ (so der Historiker Rolf Kirsch) mit 474 Stellplätzen, aktuell sind es 384.