Vor 50 Jahren: Der Song „Halbstark“ machte die Bremer Beat-Band „Die Yankees“ 1965 über Nacht in ganz Deutschland bekannt

Mit „Halbstark“ wurden „Die Yankees“ nach ihrem legendären Auftritt bei der Beat-Club-Premiere am 25. September 1965 praktisch über Nacht in ganz Deutschland bekannt. Dabei war der „Erfolgsschlager“ der Bremer Beat-Band damals schon mehr als ein Jahr alt. Polydor setzte große Hoffnungen in die Nachwuchsmusiker, doch schon sechs Monate nach dem Beat-Club-Auftritt verließ Leadsänger Frank Bartelt die Band im Streit. Das ist weder ihm noch den „Yankees“ bekommen.

Vor Beginn der ersten Beat-Club-Sendung am 25. September 1965 wandte sich Wilhelm Wieben an das gesetzte Fernsehpublikum. „Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beat-Musik nicht mögen, bitten wir um Verständnis“, so der damals 30-jährige Radio Bremen-Moderator, später bundesweit bekannt geworden als langjähriger Tagesschau-Sprecher. „Es ist eine Live-Sendung mit jungen Leuten für junge Leute.“

Beschwichtigende Worte, die angesichts der späteren Entwicklung unfreiwillig komisch wirken. Drei Jahre vor der „Zeitenwende“ des Jahres 1968 war von wirklichem Aufbegehren noch nicht viel zu sehen. Da schunkeln die Premierengäste der ersten Beat-Club-Sendung von Radio Bremen auf ihren Sitzplätzen brav zum Takt, da bewegen sich junge Männer mit Krawatte dezent auf der Tanzfläche – und das ausgerechnet zu den Tönen von „Halbstark“, dem bekannten Ohrwurm der Bremer Beat-Band „Die Yankees“. Wohlgemerkt: „Die Yankees“, nicht „The Yankees“. Deutsch ging besser von der Zunge.

Doch was hat es mit dem Song eigentlich auf sich?

Ersonnen hat ihn der Leadsänger der „Yankees“, Frank („Frankie“) Bartelt. Nur allzu gern wäre der heute 72-Jährige selbst auf der Maschine durch die Straßen und die Gassen gerast. So wie er es besingt: als „Halbstarker“ mit schwarzer Lederjacke. Doch daran war nicht zu denken, er musste kräftig mit anpacken in der Kneipe seiner Eltern, der „Martinsklause“ in Walle.

Ein Gentlemen’s Agreement bei den Urheberangaben

Ein junger Mann, damals schon ausgebildeter Reprofotograf – gefangen im Korsett eines konventionellen Lebensweges. Keine sehr erfreulichen Aussichten.

Darum habe er seinen Frust „irgendwie vokal rauslassen“ müssen, erinnert sich Bartelt. Die Melodie habe er schon länger im Kopf gehabt, betont sein früherer Mitstreiter Dieter Hashagen. Auch der Text stamme im wesentlichen von Bartelt, sagt ein anderer „Yankee“, der erst im Dezember 1964 hinzugestoßene Gerd „Jerry“ Adamowsky. Es habe allenfalls noch ein „paar Verfeinerungen“ gegeben. Doch warum dann die Doppelangabe Bartelt/Adamowsky auf den Schallplatten? Warum musste der Urheber von „Halbstark“ seine Meriten teilen? „Das haben wir eben so abgemacht“, sagt Adamowsky. Eine Art Gentlemen’s Agreement, um keinerlei Eifersüchteleien aufkommen zu lassen. Bei weiteren Titeln sollten dann andere Bandmitglieder zum Zuge kommen.

Hoch zu Ross: Die „Yankees“ auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs 1964/65.
Quelle: Gerd Adamowsky

Beim Herumstreifen in den Wäldern bei Bielefeld sei ihm „das Ding mit ‚Halbstark’“ in den Sinn gekommen, sagt Bartelt. Bielefeld, weil die „Yankees“ damals in der dortigen „Eisenhütte“ gastierten. Weshalb „Halbstark“ auch in Bielefeld seine Bühnenpremiere feierte.

Doch wie sieht es mit dem genauen Zeitpunkt der ersten Intonierung des Songs aus? Einiges weist darauf hin, dass das denkwürdige Ereignis gegen Mitte 1964 über die Bühne gegangen sein muss. Also mehr als ein Jahr vor dem legendären Auftritt im Beat-Club. Denn schon im Oktober 1964 sei „Halbstark“ als „neuer Erfolgsschlager“ angekündigt worden, schreibt Detlef Michelers, Autor von „Schlag auf Schlag. Die Bremer Rock- und Beatszene 1954-1968“. Ein langer Anlauf bis zum endgültigen Durchbruch.

Die „Yankees“ sollten es bei der Beat-Club-Premiere als Lokalmatadoren richten

Zu diesem Zeitpunkt suchte Radio Bremen-Mann Michael („Mike“) Leckebusch gerade geeignete Bands für die Auftaktsendung des Beat-Clubs. Um an den „Yankees“ vorbeizukommen, hätte er einen weiten Bogen machen müssen. In Bremen und umzu hatte sich die Band schon längst einen Namen gemacht, auch in ihrer „zweiten Heimat“ Bielefeld und anderswo in Norddeutschland hielt man große Stücke auf die „Yankees“. Warum es also nicht mit ihnen versuchen, den hanseatischen Lokalmatadoren?

Am Nachmittag des 25. September 1965 war es so weit: In ihrer Uniformkluft der Nordstaaten-Armee aus der Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs legten die „Yankees“ los mit dem berühmten Intro: „Halbstark, oh Baby, Baby, halbstark…“

Noch am gleichen Abend hatten die „Yankees“ ihren ersten Plattenvertrag mit Polydor in der Tasche, kaum drei Wochen später wurde „Halbstark“ im Hamburger Studio aufgenommen und als Single auf den Markt gebracht. Plötzlich stapelte sich die Fanpost, in den Bremer Plattenläden landeten die „Yankees“ mit ihrer „Halbstark“-Single noch vor den Rolling Stones auf dem zweiten Platz.

Doch der Erfolg währte nicht lange, bereits kurz nach einer 14-tägigen Deutschland-Tournee im Januar 1966 kam es zum Bruch zwischen Bartelt und dem Rest der Band. Vielleicht auch wegen seiner „Starallüren“, wie der Leadsänger später selbstkritisch einräumte.

Von Musik und Noten hatte Bartelt nach eigenem Bekunden keine Ahnung 

Seine musikalische Karriere ist typisch für die Anfänge des Rock ’n’ Roll. Von Musik und Noten habe er keine Ahnung, sagt Bartelt, „bis heute nicht“. Gerade einmal drei Griffe brachte er sich selbst bei: A, E und D. „Und dann habe ich Elvis im Jugendheim nachgemacht.“ Das reichte, um ordentlich Eindruck zu hinterlassen. 1961 gründete er mit drei Freunden die Band „The Rocking Four“.

Zur Umbenennung in „Die Yankees“ inspirierte ihn der Western „Die Glorreichen Sieben“. Bartelt erklärt das mit einem „Drang zur Männlichkeit“.

Darum auch die Armeeuniformen. Die Extraanfertigungen waren zweifellos ein ziemlich originelles Erscheinungsbild. Auch wenn man sich nicht ganz sicher war, ob sie auch wirklich als authentisch gelten konnten – so genau konnte man es in den amerikanischen Western nicht erkennen. Mit dem neuen Manager Rainer Janz kam mehr Schwung in die Band: Die Gründungsmitglieder wurden durch Gerd Adamowsky (Gesang/Schlagzeug), Harald Blenke (Solo-Gitarre) und Wilhelm Eck (Bass) ersetzt, vorübergehend spielte auch Günther Saalbach (Gesang/Keyboard) mit – das war die Besetzung auf dem Gipfel des Erfolgs von Frühling 1965 bis April 1966.

Schon erhaltene Autogrammkarte „unverhofft im Ofen verbrannt“

Als „erste halbprofessionelle Bremer Rockband“ bezeichnet Buchautor Detlef Michelers die „Yankees“. Doch sein Urteil über Bartelt als „Kopf und Star der Truppe“ fällt keineswegs uneingeschränkt positiv aus: „Er posierte als Krawalltüte und Juxmajor; beschränkte sich auf die Rolle des rockenden Proleten, um sich nicht messen zu müssen.“ Berüchtigt war Bartelt – der Mann mit den angeborenen dunklen Augenringen – vor allem wegen seiner Sprüche. Die wurden laut Michelers immer „anzüglicher, frivoler und schlüpfriger“. Eine Kostprobe aus einem seiner Liedtexte: „Im Wagen sind wir ganz allein, dann hau ich dir die Gänge rein, o Baby, Baby, das wär’ fein, deine Schaltung ist famos, der Steuerknüppel etwas groß.“

Da kann es kaum verwundern, dass zahlreiche Eltern um das sittliche Wohlergehen ihrer Sprösslinge fürchteten. 16 an sich wurde schon mal gern als „Neger-“ oder „Hottentotten-Musik“ verunglimpft – und dann noch dieser lümmelhafte Bartelt! In den Familien führte das zu mancherlei Zwistigkeiten. Eine schon erhaltene Autogrammkarte habe seine Mutter „unverhofft im Ofen verbrannt“, klagte ein Fan in einem Schreiben an die „Yankees“. Ob sie also bitte, bitte ihr gutes Werk noch einmal wiederholen könnten.

Nach der Trennung von den „Yankees“ bastelte Bartelt als Solosänger oder mit neuen Bands an seinem Comeback. Doch erfolgreich war er nicht mehr. Tief blicken lässt die Wahl seiner beiden Künstlernamen: Einer lautete „Franky Arkady“ – „Arkady“ nach dem Vornamen seines Vaters, eines Russlanddeutschen aus St. Petersburg, der im März 1945 als Wehrmachtssoldat im Brückenkopf von Stettin gefallen war. Und der zweite „Frankie Martin“ – nach dem Nachnamen seines Stiefvaters Georg Martin, dem Besitzer der „Martinsklause“ in Walle. In Bremen trat Bartelt zuletzt vor zwei Jahren mit alten Weggefährten im „Riverboat“ beim Freimarkt auf. Heute lebt er mit seiner Frau in der Nähe von Freiburg. Immerhin: Von der Punkband „Die Toten Hosen“ wurde „Halbstark“ gecovert.

Polydor setzte auch nach Bartelts Abgang weiter auf die „Yankees“

Doch auch die „Yankees“ konnten ohne Bartelt nicht mehr an ihre alten Erfolge anknüpfen. Und das, obgleich sein Nachfolger Günter Saalbach als durchaus schlagfertig und eloquent galt. Bereits im Sommer 1966 der nächste Paukenschlag: Nach Unstimmigkeiten bei den Abrechnungen verzichtete die Band auf die weitere Zusammenarbeit mit Manager Janz.

Polydor setzte unterdessen weiter auf die „Yankees“. Kein Wunder nach mehr als 70.000 verkauften „Halbstark“-Singles. Ein Imagewandel sollte die Band wieder in die Charts bringen: „Beat mit Köpfchen“ durch bearbeitete Gedichte von Heinrich Heine, so lautete die Werbung für die neue Single im April 1967. Doch weil die Kirche daran Anstoß nahm, spielten die Radiosender die Songs nicht.

Ein letzter Versuch, die „Yankees“ durch eine Single mit Liedtexten von Blenke und Saalbach zu neuem Glanz zu verhelfen, scheiterte im Februar 1968. Offenbar verließ Polydor der Mut, die neue Single wurde nicht ins Programm aufgenommen. Inzwischen hatten die Bandmitglieder sich ohnehin im bürgerlichen Leben eingerichtet, hatten Familien gegründet, waren beruflich vorangekommen. Die fast logische Konsequenz: Im März 1969 verkündeten die „Yankees“ ihre Auflösung.

Doch die Freundschaft ist bis heute geblieben. „Wir treffen uns noch immer jeden Donnerstag zum Billardspielen“, sagt Adamowsky. Wir – das sind die drei Bremer „Yankees“. Nur der am anderen Ende der Republik wohnende Bartelt ist nicht dabei. Aber er wäre es vielleicht sogar, wenn die Entfernung nicht einen Strich durch die Rechnung machen würde.

von Frank Hethey

Jung, aber mit viel Geschichte

50 Jahre
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50 Jahre sind seit der Gründung der Universität Bremen vergangen. Auf dem Weg von der vermeintlichen roten Kaderschmiede zur Exzellenzuniversität ist viel passiert: Wir haben den ersten sowie den aktuellen Rektor interviewt und mit Absolventen gesprochen – zu denen auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte gehört. Zudem hat uns ein Architekt über den Campus begleitet. Das Magazin der Reihe WK | Geschichte gibt es ab 18. September in den ­Kundenzentren des WESER-­KURIER, im Buch- und Zeitschriftenhandel, online unter www.weser-kurier.de/shop und unter 0421 / 36 71 66 16.

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