Im Jahr 1843 gründete Johann Carsten Hinrich Waltjen, Sohn eines Bremer Tabakfabrikanten, mit seinem Freund Heinrich Leonhard am Weserufer an der Stephanikirchenweide die „Eisengießerei und Maschinenbau-Anstalt Waltjen & Leonhard“. Für „alles, was sich aus Eisen fertigen lässt“, wie die ambitionierten Jungunternehmer ankündigten.

Gebaut wurden zunächst Brücken und Kräne, eiserne Schleusentore, Dampfkessel sowie -maschinen. Doch schon 1847 entstand ein komplettes Schiff, das – schön bremisch – „Roland“ getauft wurde und offensichtlich echte Qualitätsarbeit war. Ein halbes Jahrhundert lang beförderte der eiserne Seitenraddampfer Menschen auf der Weser und später Erholungssuchende zu den Nordseeinseln Norderney und Wangerooge. 1872 warfen 18 Bremer Kaufleute ihre Augen auf das Gelände der Eisengießerei. Sie hatten sich zur „Actien-Gesellschaft Weser“ zusammengetan und wollten vom Boom im Schiffbau profitieren. Nach einiger Überzeugungsarbeit war Waltjen bereit, sein Unternehmen zu verkaufen und in den Vorstand der neuen Aktiengesellschaft zu wechseln. Leonhard hatte sich bereits zuvor aus der Firma verabschiedet. Der erste größere Auftraggeber war die kaiserliche Marine. Zwischen den Jahren 1875 und 1884 wurden insgesamt 29 Kanonenboote gebaut. Das Unternehmen wuchs rasch über seinen Firmensitz hinaus.

1901 wurde ein 47 Hektar großes Grundstück im Vorort Gröpelingen gepachtet, bis 1905 wurden die Produktion und rund 500 Mitarbeiter nach und nach umgesiedelt. Zunächst baute die AG Weser Fracht- und Passagierschiffe, Schlepper, Fischdampfer und Schwimmkräne. In den Jahren des Ersten Weltkriegs lieferte das Unternehmen, das auf 8200 Mitarbeiter wuchs, fast nur noch Marineschiffe. Mitte der 1920er-Jahre musste die Zahl der Beschäftigten wieder auf 3700 reduziert werden. Ende 1926 wurde die AG Weser mit sieben anderen Werften Teil der „Deutschen Schiff- und Maschinenbaugesellschaft“ (Deschimag). Im Juni 1927 legten die Gröpelinger die „Bremen“ auf Kiel: 12.000 Mitarbeiter waren mit der Arbeit an einem der berühmtesten Passagierschiffe der deutschen Seefahrtgeschichte ausgelastet. Das Prachtstück, das sich der Norddeutsche Lloyd 65 Millionen Reichsmark kosten ließ und das von Reichspräsident Paul von Hindenburg getauft wurde, gewann 1929 das Blaue Band als schnellstes Schiff auf der Transatlantikroute Europa-New York.

Während sich 1962 auf dem einen Flussufer Arbeiter eine Pause gönnen, liegt gegenüber auf dem Helgen der AG Weser ein
80 000-Tonnen-Tanker. ((Otto Lohrisch-Achilles)

Kriegsjahre als Fluch und Segen

Mit der Weltwirtschaftskrise sank die Mitarbeiterzahl auf ihren Tiefpunkt von knapp 670 Beschäftigten, 1932 stand das Unternehmen vor dem Konkurs. Doch erneut profitierte die Werft von der zunehmend aggressiven politischen Lage. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in Gröpelingen fast ausschließlich Kriegsschiffe gebaut. Zerstörer und U-Boote. Unter den fast 20.000 Werftmitarbeitern schufteten auch 4000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene sowie 1500 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme. Im Oktober 1944 wurde das Werftgelände bei Bombenangriffen schwer zerstört. Und nach Kriegsende bezahlte die AG Weser für ihre Rolle. Das Werftgelände wurde konfisziert und ausgeweidet, ein großer Teil des Maschinenparks zerlegt und abtransportiert, Helgen und Kräne gesprengt: Die AG Weser sollte laut Potsdamer Abkommen für immer ausgelöscht werden. Es ist dem damaligen Bremer Bürgermeister Wilhelm Kaisen zu verdanken, dass ab 1951 in Gröpelingen wieder Schiffe gebaut werden durften. In den folgenden beiden Jahrzehnten wurde die Werft immer moderner und leistungsfähiger, die Pötte immer größer. 1975 hatte die AG Weser wieder 5500 Mit-arbeiter.

1980 spricht Bürgermeister
Hans Koschnick per Megafon
zu den demonstrierenden
Beschäftigten der AG Weser. (Jochen Stoss/Staatsarchiv Bremen)

Es wurden Tanker gebaut, die fast 400 Meter lang und fast 60 Meter breit waren. Die Aufträge kamen aus der ganzen Welt. Dann kam die Ölkrise, Großtanker waren nicht mehr gefragt. Zwischen 1975 und 1983 sank die Mitarbeiterzahl auf 2300 Menschen. Im September 1983 musste Bürgermeister Hans Koschnick die bittere Nachricht überbringen, dass die AG Weser nicht zu retten ist – unter Tränen, sagen diejenigen, die dabei waren. Die Belegschaft kämpfte verzweifelt um das Überleben ihrer „Akschen“. Doch die Märsche zum Rathaus, die Protestaktionen und Demonstrationen, die einwöchige Werksbesetzung halfen nicht. Am 31. Dezember 1983 schloss die AG Weser für immer ihre Tore.

Für alle, die gern mehr über die Historie der AG Weser wissen möchten: Der Bremer Autor Reinhold Thiel hat die Firmenchronik in seinem reich bebilderten dreibändigen Werk „Die Geschichte der Actien-Gesellschaft ,Weser‘ 1843–1983“ (Hauschild, 2005–2007) dokumentiert.

Arbeiter bereiten den Stapellauf
eines 260 Meter langen
und 34 Meter breiten Tankers
vor. (Karl Ed. Schmidt)

Was aus dem Gelände wurde

1996 ließen zwei Bremer Unternehmer eine Reparaturhalle im Westen des Geländes der ehemaligen AG Weser zu einem Veranstaltungsort umbauen. Das Pier 2 hat sich seitdem als Location für Konzerte, Messen und Kinoveranstaltungen für bis zu 2800 Besucher etabliert. Ein hessischer Investor hatte schließlich eine Idee, wie das verwaiste Werftgelände wiederbelebt werden könnte. Sie nannte sich Space Park und kam die Stadt bekanntlich teuer zu stehen. Zwischen Mitte 2000 und Ende 2003 wurde gebaut, im Februar 2004 wurde der Space Park eingeweiht, der ein Einkaufszentrum mit einem Raumfahrt-Abenteuerland kombinieren sollte. Doch ein Ankermieter wurde nie gefunden. Die Einkaufspassagen blieben leer, die Besucher aus. Schon im September 2004 wurde der Space Park geschlossen. Vier Jahre später eröffnete der Komplex mit neuem Investor, unter neuem Namen und mit neuem Konzept: Die Waterfront – 120 Shops auf 44.000  Quadratmetern – steuert mittlerweile sogar ein Schiff aus der Innenstadt an. Als einziger Mieter ist nur das Kinozentrum Cinespace von Anfang an dabei.

Das ehemalige Arbeiteramt, heute Hermann-Prüser-Straße 4, war leer und verlassen, bis sich Anfang der 1990er Jahre Künstler dort Ateliers einrichteten. 1999 wurde es zum Kultur- und Kommunikationszentrum Lichthaus umgebaut. Seither wird es vom Verein Kultur vor Ort und dem Bürgerhaus Oslebshausen geführt. Hier finden Ausstellungen, Tagungen, Lesungen, Tanzveranstaltungen sowie Feiern statt. Früher befanden sich in dem 1918 errichteten Bau unter anderem Lohnkasse, Sanitätsstelle und Betriebsrat der AG Weser. Überlebt hat auch die frühere Lehrwerkstatt, die bis 2012 als Gewerblich-Technisches Bildungszentrum genutzt wurde. Heute heißt sie Use Akschen 91, die Räume haben bildende Künstler, Musiker und andere Kreative gemietet. Das prächtigste Relikt ist das ehemalige Verwaltungsgebäude der AG Weser im Schiffbauerweg. Das imposante Gebäude im historisierenden Stil aus dem Jahr 1905 gehört zu den repräsentativsten Bauten der Stadt. Noch befindet sich dort die Verwaltung von hanseWasser. Das Unternehmen wird im Sommer dieses Jahres in einen Neubau in der Überseestadt übersiedeln. Die Immobilie am Schiffbauerweg gehört jetzt den Hamburger Projektentwicklern, die das neue Verwaltungsgebäude von hanseWasser bauen. Sie prüfen zurzeit die künftige Nutzung – voraussichtlich werde das Haus Bürogebäude bleiben, möglicherweise teilweise auch als Hostel genutzt werden, heißt es.

von Anke Velten

Die gewaltigen Bockkräne
der AG Weser
erlaubten den Bau
von Superschiffen in
Großsektionen. (Brockmöller)

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