Letzte Ruhe vor der ÖVB-Arena: das Grab der beiden dänischen Soldaten.
Foto: Frank Hethey

Weitere Nachforschungen zu Dänen-Grabplatte auf Areal des Nelson-Mandela-Parks

Der Bremen History-Bericht über eine wieder entdeckte Dänen-Grabplatte hat kürzlich für breite Resonanz gesorgt. Die Platte befindet sich auf dem Areal des Nelson-Mandela-Parks, bis dorthin erstreckte sich früher ein Teil des  Herdentorsfriedhof. Die Dänen-Grabplatte ist das letzte sichtbare Überbleibsel des einstigen Gottesackers.

Die Inschrift auf der Dänen-Grabplatte lautet:

DEM  BIEDEREN  DÆNISCHEN OBERSTLIEUTENANT  JÖRGEN  VON  BRUUN VOM  2. JÜTLÄNDISCHEN  INFANT.  REGT.UND CAPITAIN C.G.G.  SALHOLT  VON  WEGENER

VOM SCHLESWIGSCHEN  JÆGER  CORPS  RITTER  VOM  DANNEBROG WELCHE   BEIDE GOTTERGEBEN  UND  IHREM  KÖNIGE  UND  VATERLAND  TREU

LETZTERER  IM FRÜHJAHR  MDCCCXIV UND ERSTERER  IM  HERBST  MDCCCXV HIER  IN  BREMEN  VERSTARBEN SETZTEN  DIESES  GRABMAL  IHRE  UM  SIE  TRAUERNDEN FREUNDEN  UND  WAFFENGEFÆHRTEN

Die weitere Geschichte der Dänen-Grabplatte

Die Resonanz auf unseren Artikel hat dazu geführt, dass der ehemalige Herdentorsfriedhof jetzt unter diesem Link in das Grabstein-Projekt als 62. Bremer Friedhof aufgenommen wurde. Und Lena Fellmann von der Maus Bremen, der Gesellschaft für Familienforschung, in dänischen Archiven auf Spurensuche gegangen ist. Hier ihr zusammenfassender Bericht:

Wie findet man etwas heraus über das Leben der hier Begrabenen? Jeder Tod musste in Bremen angezeigt werden und nach Möglichkeit hatten zwei Zeugen Angaben zu machen zur Person des Toten. Diese Unterlagen sind auch zweihundert Jahre später noch zugänglich. Hier erfahren wir bereits den genauen Todestag, das Alter und die Familienverhältnisse, allerdings werden Details bei von Wegener erst einen Tag nach der ursprünglichen Anzeige nachgereicht, bei von Bruun fehlen sie gänzlich, nur sein Rang und seine Einheit sind bekannt, stehen aber ja bereits auf der Grabplatte.

Auch wer dieses Grab gekauft hat, können wir in Bremen nachschlagen: Der Generalkommandeur von Nord-Jütland in Fredericia hat zwei seiner Offiziere geschickt, die dies am 21. September 1815 in seinem Namen erledigten. Die Gebühr für die Umschreibung auf die „Begräbnisanstalt äußerm Herdenthor“ betrug 2,-.

Aber zwei was? Waren es Grote, Swaren oder Reichstaler?

Nun macht eine Suche im Internet Sinn. Siehe da, der Käufer des Grabes war der Vater von Wegener! Zum Glück ist „Christian Gregorius Godenius Salholt von Wegener“ ein unverwechselbarer Name. Unmittelbar erhielten wir Hinweise familiengeschichtlicher Art zu ihm, aber auch zu Jörgen von Bruun. Die beiden Dänen gehören danach zu Familien mit umfangreicher Familiengeschichte. Aber wie zuverlässig sind diese Informationen? So enthalten sie z. B. nicht das korrekte Todesdatum.

Rätselhafter Tod

Uniform eines Offiziers des Schleswigschen Jäger Corps, zu welchem auch
Captain C.G.G. Salholt von Wegener gehörte.
Quelle: Rigsarchiv Kopenhagen

Aber warum starben zwei dänische Offiziere nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon, obgleich Dänemark darin doch keine allgemein bekannte Rolle spielte?

Und dann noch in Bremen, das gerade erst befreit war von der französischen Besetzung?

Weitere Recherchen im Internet verweisen auf historische Bücher über das dänische Hilfscorps, das sogenannte „Auxiliaircorps“ im Kampf erst mit (1812-13), dann gegen Napoleon (1814-15). Es wird deutlich, dass wir hier schnell in ein Fettnäpfchen treten. Nicht alle dänischen Soldaten mochten ihrem König bei der Wahl von Freund und Feind folgen und die Familie Wegener war mitten drin im schwierigen Zeitgeschehen, da der Generalmajor Johan Theodor von Wegener die Kehrtwende seines Königs zwischen der Allianz mit Frankreich – Russland – Frankreich – Russland nicht immer mitgemacht hatte. Aha, daher der Hinweis auf dem Grabstein: „Gott ergeben und ihrem Könige und Vaterland getreu.“

Wie erfahren wir mehr? Im Rigsarkiv in Kopenhagen steht eine Kopie eines vielbändigen handschriftlichen Werks, in dem ein Archivar und später sein Sohn alle Informationen im Archiv zu dänischen und norwegischen Offizieren gesammelt hat. Das hilft nun weiter mit Details zur militärischen Karriere des Stief- und Adoptivsohnes von Generalmajor von Wegener, die er bereits mit zehn Jahren als Landkadett begann. Sie endete mit seinem Einsatz als Adjudant des Obristleutnants Kardorff, der Ende März 1814 in Bremen eintraf, wo sich das dänische Auxiliairkorps sammeln sollte, bevor es in den Entscheidungsschlachten gegen Napoleon eingesetzt werden sollte.

Situation völlig unüberschaubar

In einer Zeit ohne moderne Kommunikationsmittel war die Situation völlig unüberschaubar und so kam es, dass die Dänen tatsächlich weitermarschierten und ihr Hauptquartier schon in Düsseldorf hatten, als Kardorff vom Einmarsch der Alliierten in Paris erfuhr und das Hilfscorps auf einen etwas überstürzten Rückzug geschickt wurde. Auf diesem Rückzug erkrankte der junge von Wegener und wurde von Oberst Christoph Hermann Friedrich von Wettering, dessen Aufgabe die Betreuung der vielen kranken Nachzügler war, als ebenfalls in Bremen zurückgebliebener Kranker gemeldet. Und dieser Oberst Wettering war es dann auch, der den Tod gemeinsam mit dem Hauptpastor am Dom, Johann David Nicolai, im Bremer Rathaus zu Protokoll gab. Christian Georgius Godenius Salholt von Wegener ist am 19. April 1782 in Helsingör geboren und starb in Bremen am 20. Juni 1814.

So einfach ist die Sache nicht bei dem gut ein Jahr später verstorbenen Jörgen von Bruun, denn sein Name ist einfach zu weit verbreitet in Dänemark und zudem ist die Schreibweise unklar (von? Bruhn/Brun/Bruun). Die Militär-Informationen aus dem Rigsarkiv sind in seinem Fall spärlicher, der familiäre Hintergrund wird nicht benannt. Die Angabe, er sei mit dem Dannebrogsorden geehrt worden, lässt sich nicht belegen. Aber im Internet erhalten wir den Hinweis auf „Nygaards Sedler“, ursprünglich eine Sammlung von fast einer halben Million Zetteln zu je einem Namen mit Informationen aus Jütland anhand von vielerlei verschiedenen Quellen.

Und dort findet man tatsächlich einen gleichnamigen Bruun aus Jütland, der im September 1815 in Bremen verstorben ist. Wenn wir alle Zettel zu diesem Namen durchgehen, finden wir den Vater, die Mutter und den Großvater, der das Gut Krogsgaard bei Tjaereborg gekauft hatte und zum Stammsitz seiner Familie machen wollte. Der Vater Johan Ludvig Bruun geriet jedoch in finanzielle Schwierigkeiten und Jörgen Bruun musste schließlich 1807 auch den verbliebenen Teil noch verkaufen.

Zurück zu den familiengeschichtlichen Quellen im Internet

Nun können wir zurückkehren zu den familiengeschichtlichen Quellen im Internet und erfahren, dass durch die Ehe seiner Schwester mit dem Oberstleutnant Frederik Christian Julius Castonier, ab 1819 Nachfolger von Johan Theodor Wegener als Kommandant in Fredericia, das Interesse an der Bewahrung der Geschichte der Familie beflügelt wurde und auch die ausgestorbenen Nebenlinien umfasst. Dem dahinter stehenden Familienforscher können wir nun das genaue Todesdatum des in Bremen als „Jörgen von Bruun“ verstorbenen Familienmitglieds mitteilen.

Uniform eines Offiziers des 2. Jütländischen Infanterie Regiments, zu dem auch
Oberstleutnant Jörgen von Bruun gehörte.
Quelle: Rigsarkiv Kopenhagen

Außer den Lebendaten und dem Familienhintergrund sowie dem militärischen Werdegang lassen sich Beschreibungen der Uniform finden: Jörgen von Bruun trug eine rote Jacke und graue Hosen, Christian Gregorius Godenius Salholt von Wegener eine grüne Jacke zu gelben Hosen. Von dem jungen von Wegener finden sich in Büchern abgedruckte Briefe, in denen er sich für die absolute Treue zum König ausspricht und gegen jeden Nationalismus. Auch ein Original-Brief von seiner Hand findet sich im Rigsarchiv, in dem er um Versetzung eines gesundheitlich geschwächten Offiziers seines Bataillons bittet.

Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: Wo Jörgen von Bruun im August 1815 seinen Abschied erhielt und warum er nach Bremen kam und hier am 8. September 1815 starb, das ließ sich nirgends finden. Dutzende von Original-Berichten und Briefen aus der Zeit liegen im Rigsarchiv, zum guten Teil sogar auf Deutsch geschrieben – aber wo genau suchen? War Bruun der zweite Offizier in Wetterings Aufstellung, der schon im April 1814 als Kranker in Bremen zurückblieb?

Oder kam er erst ein Jahr später nach Bremen, als Teil des dritten Hilfscorps, das Napoleon nach seiner unerwarteten Flucht von der Insel Elba und seinen ersten Erfolgen stoppen sollte? Die Geschichte wiederholte sich allerdings: Noch während das dänische Kontingent sich in Bremen versammelte, unterlag Napoleon am 18. Juni 1815 endgültig den Alliierten in der Schlacht bei Waterloo und das dänische Korps wurde nach Hause entlassen. Eventuelle Berichte über zurückgebliebene Kranke haben sich nicht finden lassen. Immerhin ist von der zweiten Brigade unter Bachmann bekannt, dass sie über den 8. September, Bruuns Todestag, hinaus bis zum 19. September 1815 in Bremen verblieb (13. Bataillons Historie) und hierzu gehörte auch das 2. Jütländische Infanterie-Regiment – aber warum sollte ein bereits verabschiedeter Oberstleutnant dabei gewesen sein?

Wer genau allerdings für die beiden Offiziere den seltsamerweise erhaltenen Grabstein im heutigen Bremer Nelson-Mandela-Park hat anfertigen lassen – das wissen wir nicht und müssen uns mit dem Hinweis auf die „Waffengefaehrten“ in der Inschrift begnügen.

von Peter Stotmann und Lena Fellmann

Zumindest teilweise gelüftet: das Geheimnis der beiden dänischen Soldaten, die ihre letzte Ruhe auf dem früheren Herdentorsfriedhof gefunden haben.
Foto: Frank Hethey

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