Ein Blick in die Geschichte (166): Historisches Foto zeigt Hochhäuser in Bahnhofsviertel
Gefühlt gibt es den Freimarktsumzug schon seit Menschengedenken. Jedes Jahr wieder der Zug durch die Gemeinde, eine feine und dazu noch uralte Tradition. Doch in Wahrheit ist das blanker Unsinn, tatsächlich findet der Umzug erst seit 1968 statt. Damals nahm der Verkehrsverein eine „Tradition“ aus den frühen Nachkriegsjahren wieder auf.
Erstmals hatten Einzelhändler und Gastronomen 1953 einen „spontan-provisorischen Freimarktsumzug“ (Bremer Nachrichten) auf die Beine gestellt. Die Menschen waren begeistert, Zehntausende säumten die Straßen.
Weniger begeistert zeigten sich die Schausteller, im November 1953 geißelten sie die Aktion als „geschäftsschädigend“ und verbaten sich jedwede Wiederholung. Das war aber nicht das Aus für die Veranstaltung, wohl wegen des unbestreitbaren Erfolgs führten die Schausteller den Freimarktsumzug in eigener Regie fort. Freilich nur bis 1957, danach schlief der „große Festzug der Schausteller“ wieder ein.
Die Wiederbelebung von 1968 markierte eine Professionalisierung des Geschehens: der Freimarktsumzug als Stadtmarketing. Verwirrend nur, dass der runde Geburtstag schon heute und nicht erst im kommenden Jahr gefeiert wird – an jede einzelne Gruppe wurde ein T-Shirt mit einer aufgedruckten Fünfzig ausgegeben, beim Festschmuck soll das Jubiläum angemessene Berücksichtigung finden. Die scheinbar verfrühte Jubelarie hat mit einer etwas unorthodoxen Zählweise zu tun: Gefeiert wird nicht das 50-jährige Bestehen, sondern die 50. Auflage des Freimarktsumzugs.
Im Hintergrund das eingerüstete Siemens-Hochhaus
Als historische Illustration möge dieses Foto aus dem Freimarktbuch von Johann-Günther König dienen – auch wenn es nicht den Freimarktsumzug von 1968 darstellt, sondern eine Freimarktfeier von 1961 auf dem Bahnhofsplatz zeigen soll. Allerdings kann es damit kaum seine Richtigkeit haben, ist doch im Hintergrund schon in voller Größe das freilich noch eingerüstete Siemens-Hochhaus zu sehen. So weit war man damals aber noch nicht. Die Bauarbeiten für das lange Zeit höchste Bauwerk Bremens hatten erst im September 1961 mit den Ausschachtungen begonnen. Auch 1962 kann das Foto nicht entstanden sein, weil im März 1963 erst acht von sechzehn Stockwerken fertiggestellt waren.
Am linken Bildrand ist gerade eben noch das schon fertiggestellte Tivoli-Hochhaus zu sehen. Der Name erinnert an das gleichnamige Café unweit des Hochhaus-Standorts, der damalige Bausenator Alfred Balcke hatte die Bezeichnung angeregt. Einigermaßen deplatziert inmitten der modernen Bebauung wirkt das historistische Gebäude der „Edeka-Bank“, das noch im Dezember 1964 von einem erzürnten Leserbrief-Schreiber des Weser-Kuriers als Schandfleck empfunden wurde (hier eine Aufnahme mit dem Gebäude von 1952).
Das schwer kriegszerstörte Areal östlich des Herdentorsteinwegs war noch bis in die frühen 1960er Jahre eine Brachfläche, ein „Trümmergelände“, das von Gebrauchtwarenhändlern genutzt wurde. Doch dabei sollte es natürlich nicht bleiben, geplant war ursprünglich eine Hochhauskette von fünf Gebäuden, die sich bis zum damals noch als Standort des Siemens-Hochhauses vorgesehenen Hillmann-Gelände hinziehen sollte. Der viel gepriesene „Wiederaufbau“ des Bereichs beschränkte sich dann allerdings auf den Bau von nur zwei Hochhäusern. Das Tivoli-Hochhaus wurde 1962 fertiggestellt, das Siemens-Hochhaus 1965.
von Frank Hethey