Gesucht und nicht gefunden: Briefwechsel belegt Zerstörung des Ehrenmals im Zweiten Weltkrieg
Wo ist das Denkmal an Hermann von Kapff geblieben? Diese Frage trieb in den vergangenen Jahren nicht nur Philipp von Kapff als Mitglied der weitverzweigten Familie um, deren Bremer Ableger sich als Weinhändlerdynastie einen Namen gemacht hat. Schon lange vorher stand das verschollene Denkmal ganz oben auf der „Fahndungsliste“ verschiedener Heimatforscher. Wie vom Erdboden verschluckt schien das Ehrenmal zur Erinnerung an den 21-jährigen Firmenerben, der als einziger Freiwilliger aus Bremen im Kampf gegen Napoleon sein Leben ließ – zwei Tage vor der Schlacht bei Waterloo im Juni 1815.
Dabei galt als ausgemacht, dass das Ehrenmal mit dem charakteristischen Eisernen Kreuz erst zu Beginn der 1960er Jahre von der Bildfläche verschwand. Bis dahin, so die einhellige Ansicht aller Experten, habe der sogenannte Kapff-Stein an der Gustav-Deetjen-Allee gestanden. So ist es bis heute auf der Website „Kunst im öffentlichen Raum“ nachzulesen. So auch in unserem Beitrag über den Tod des jungen Hermann von Kapff.
Doch offenbar hat diese Zeitangabe nichts mit der historischen Wahrheit zu tun. Wie Philipp von Kapff jetzt auf Grundlage eines Briefwechsels aus den frühen Nachkriegsjahren nachweisen kann, wurde das Denkmal bereits während des Zweiten Weltkriegs unwiederbringlich zerstört.
„Ein Opfer des Bombenkriegs“
Das geht aus Äußerungen hervor, die Agnes Boecker von Kapff gegenüber dem damaligen Senator Hermann Apelt machte. „Leider ist der Herrmannstein in den Anlagen der Gustav-Deetjen-Allee ein Opfer des Bombenkriegs geworden“, teilte sie ihm am 21. März 1952 mit. In seiner Antwort bestätigte Apelt ihre Feststellung. „Der Gedenkstein an Herrmann von Kapff steht mir noch deutlich vor Augen“, so der Senator am 10. April 1952, „sowohl an seinem früheren Platze an der neuen Weide wie an seinem späteren Platze hinter dem Bahndurchgang zur Gustav Deetjen Allee und ich habe sehr bedauert, dass er zerstört ist.“
Dazu muss man wissen, dass das Denkmal 1923 verlegt wurde, um Platz zu machen für das neue Postamt 5 – von seinem früheren Standort in der Südostecke des aufgegebenen Herdentorsfriedhofs an der Weide auf die andere Seite des Bahndamms. Genau dorthin, wo sich ohnehin schon ein Denkmal für die im Bremer Lazarett verstorbenen Soldaten aus dem Deutsch-französischen Krieg von 1870/71 befand. Heute ist an dieser Stelle ein Kinderspielplatz zu finden.
Aber woher die vielfach wiederholte Behauptung, das Denkmal habe noch bis in die frühen 1960er Jahre an der Gustav-Deetjen-Allee gestanden?
In die Welt gesetzt hat diese Legende 1980 die Buchautorin Beate Mielsch. In ihrer als Standardwerk geltenden Monographie „Denkmäler, Freiplastiken, Brunnen in Bremen 1800-1945“ schreibt sie im Haupttext über das Denkmal, „vermutlich“ sei es Anfang der 1960er Jahre entfernt worden. Im Katalog am Schluss des Buchs gibt sie dann aber ihre Vermutung als Gewissheit aus. Darauf verließen sich die Heimatforscher. Sogar Harry Schwarzwälder schenkte ihr Glauben in seinem ansonsten sehr kundigen Manuskript zur Geschichte des Denkmals.
Falsche Fährte ins Focke-Museum
Freilich kamen schon vor etlichen Jahre erste Zweifel an Mielschs Zeitangabe auf. So bei Gerhard Groll, der in seinem Oberneulander Kalender von 1999 zwar ihre Bemerkung wiedergab, das Denkmal müsse zumindest bis 1934 an der Gustav-Deetjen-Allee gestanden haben. Nicht aber ihre Spekulation über das spurlose Verschwinden in den frühen 1960er Jahren. Die Leser des Kalenders grübelten, was danach mit dem Denkmal geschehen sein könnte. Mancher meinte zu wissen, das Denkmal sei ab 1934 im Focke-Museum eingelagert gewesen. Eine falsche Fährte, wie sich inzwischen gezeigt hat. Auf Nachfrage konnte das Museum denn auch keinerlei Auskunft zum Verbleib des Kapff-Steins geben.
Noch nicht einmal zu einer Kassette, die im Denkmal eingemauert war und laut Agnes Boecker von Kapff eigentlich in Museumsbesitz sein müsste. Schrieb sie doch im März 1952 an Apelt: „Das Gartenbauamt teilte mir vor einigen Jahren mit, dass die Kassette, die sich unter dem Denkmal befand, im Focke Museum aufbewahrt wird.“
Um die Verwirrung komplett zu machen, tauchte in einem Artikel des Weser-Kurier im Dezember 1972 auch noch eine abweichende Ortsangabe auf. Plötzlich hieß es, das Denkmal habe „in der Anlage hinter dem Kolonialehrenmal“ gestanden. Ein Irrtum, der mit der Verortung an der Gustav-Deetjen-Allee zu tun haben dürfte. Denn die beginnt heute erst mit der Abzweigung in Richtung Bürgerweide. Anders früher, als die Gustav-Deetjen-Allee bis zum gleichnamigen Tunnel reichte. Freilich wusste Harry Schwarzwälder es besser, in seinem Manuskript beschreibt er völlig korrekt den tatsächlichen Standort direkt am Bahndamm.
Viel Tappen im Düstern also, wenn es um das Kapff-Denkmal geht. Doch dank der neu aufgetauchten Briefe hat die Ungewissheit nun ein Ende. Der Weisheit letzter Schluss: Das Ehrenmal für Hermann von Kapff ist ein Opfer des Krieges geworden wie er selbst.
von Frank Hethey