Ein Blick in die Geschichte (162): das Haus der Gesellschaft „Museum“ am Domshof
Von beeindruckenden Proportionen war dieses Gebäude, das sich einst an der Ecke Domshof/Schüsselkorb befand, das Haus der Gesellschaft „Museum“. Errichtet wurde es von 1873 bis 1875 nach Plänen des Architekten Heinrich Müller, damals in Bremen eine gesuchte Koryphäe für repräsentative Bauten. In jenen Jahren galt er vor allem als Verfechter des neugotischen Stils: Die Neue Börse am Marktplatz stammte ebenso von ihm wie die Rembertikirche und die Kirche in seinem Geburtsort Oberneuland. Der „Museums“-Bau war dagegen etwas völlig anderes, ein radikaler Bruch mit seiner eigenen Vergangenheit.
Am Domshof hatte seit 1808 die Gesellschaft „Museum“ ihr Domizil. Als naturwissenschaftliche Lesegesellschaft in den Zeiten der Spätaufklärung gegründet, schlug die Vereinigung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine eher elitäre Richtung ein. Als „Club für Literatur und Geselligkeit“ eiferte die Gesellschaft „Museum“ dem englischen Vorbild nach – ein moderner, aber auch mondäner Herrenclub. Statt Vorlesungen und Experimente habe es fortan „rauschende Feste und Empfänge“ gegeben, schreibt Uwe Schwartz in seinem Beitrag über Müller im aktuellen Band der Schriftenreihe des Landesamts für Denkmalpflege.
Die neue Ausrichtung der Gesellschaft spiegelte sich im neuen Gebäude wider. Ob es sich um einen Umbau oder um einen kompletten Neubau handelte, ist nicht mit Sicherheit feststellbar. In „Bremen und seine Bauten“ ist von einem Umbau die Rede, Müller-Experte Schwartz will sich dagegen nicht festlegen. Vermutlich hat beides seine Richtigkeit: Der Umbau dürfte so massiv gewesen sein, dass es sich im Grunde um einen Neubau handelte.
Vom klassizistischen Vorgängergebäude war nach Müllers Eingriff nicht mehr viel zu erkennen, allenfalls das Portal am Schüsselkorb erinnerte noch ans vormalige Erscheinungsbild. Das Kuriose: Schon das Vorgängergebäude war ein Umbau gewesen, der Architekt Jacob Ephraim Polzin hatte die alte Bausubstanz 1838 dem klassizistischen Zeitgeschmack angepasst. Das Gleiche tat nun knapp 40 Jahre später auch Müller. Und nicht nur das, er richtete das Gebäude in Richtung Domshof neu aus. Ein Fingerzeig dafür, dass die Bedeutung des Domshofs stark zugenommen hatte: Diesem Platz war die Schauseite jetzt zugekehrt, nicht mehr wie ehedem dem Schüsselkorb.
Und nun also ein Umbau des Umbaus, eine abermalige Neufassung nach dem damals angesagten italienischen Renaissance-Stil. Für Müller, dessen Herz doch eigentlich der Neugotik gehörte, bedeutete der Museumsbau eine Zäsur. Stilistisch habe er sich damals der Neorenaissance geöffnet „und sollte daran auch bis zu seinem Lebensende festhalten“, schreibt Schwartz.
Schon seit 1911 nutzte die Deutsche Bank den Prachtbau. Im Juni 1942 bei einem Bombenangriff schwer beschädigt, wurde die Ruine zehn Jahre später beseitigt. 1965 errichtete die Deutsche Bank am verwaisten Standort des einstigen Clubhauses einen sechsgeschossigen Neubau.
von Frank Hethey