Vor 125 Jahren: Start der Barbarossa-Klasse des Norddeutschen Lloyd

Zu wahren Lobeshymnen veranlasste die neue Barbarossa-Klasse des Norddeutschen Lloyd (NDL) so manch einen Fachmann. Als „überaus gelungen“ bezeichnete Paul Neubaur die Lösung der Aufgabe, neben den Passagieren auch große Frachtmengen zu befördern. Die gänzliche Trennung von Passagier- und Frachträumen sei eine „völlige Neuerung, die sich aufs glänzendste bewährt“ habe. Rundum begeistert zeigte er sich auch von den innovativen Schlingerkielen, durch die das Rollen der Dampfer „trotz ihrer riesigen Aufbauten ganz ungemein vermindert“ werde.

Von Heinrich von Stephan gefördert, vom Norddeutschen Lloyd bedient: die Reichspostdampferlinie nach Ostasien.
Quelle: Archiv

Die jeweils knapp fünf Millionen Goldmark teuren Dampfer der Barbarossa-Klasse durchpflügten noch die Weltmeere, als Neubaur 1907 in seinem Jubiläumswerk zum 50-jährigen Bestehen des NDL so eloquent ihre Vorzüge pries. Ob im Fernen Osten, im Mittelmeer oder auf der Atlantikroute von Bremerhaven nach New York, den insgesamt acht Barbarossa-Dampfern konnte man nahezu in jedem Winkel der Erdkugel begegnen.

Dem ursprünglichen Ansinnen entsprach das freilich nicht. Denn konzipiert war die Barbarossa-Klasse für die staatlich subventionierten Reichspostdampferlinien (mehr zur Rolle des Generalpostdirektors Heinrich von Stephan, eines Bremer Ehrenbürgers) nach Australien und Ostasien, die der NDL seit 1886 im Auftrag des Reichs bediente.

Vor 125 Jahren, um die Jahreswende 1896/97, kam die nach dem mittelalterlichen Kaiser Friedrich Barbarossa benannte Schiffsklasse allmählich in Fahrt. Zwischen November 1896 und Mai 1897 nahmen die ersten vier Doppelschraubendampfer mit den beiden Schornsteinen ihren Dienst auf. Den Anfang machte die „Friedrich der Große“, ihr folgte die „Barbarossa“ im Januar 1897, beide auf der Australien-Linie. Auf dieser Route wurden später auch die „Königin Luise“ und die „Bremen“ eingesetzt, ihre Jungfernfahrt machten sie aber nach New York. Bei einer solchen Atlantikpassage durchquerte die „Bremen“ am 20. April 1912 das Trümmer- und Leichenfeld der untergegangenen „Titanic“.

Gleichwohl bildete die Barbarossa-Klasse nicht die Speerspitze des NDL. Mit den Schnelldampfern der fast zeitgleich konzipierten Kaiser-Klasse konnten die Barbarossa-Dampfer nicht mithalten. Erst die „Kaiser Wilhelm der Große“ als Auftakt der Kaiser-Klasse lehrte der englischen und französischen Konkurrenz das Fürchten. Als „Wilhelm der Große“ wurde damals Kaiser Wilhelm I. bezeichnet. Hinter der posthumen Stilisierung steckte sein Enkel Wilhelm II., der ihn und nicht Bismarck als Reichsgründer verstanden wissen wollte. Bereits zwei Monate nach seinem Debüt eroberte der neue Liner des Lloyd im November 1897 als überhaupt erstes deutsches Schiff das begehrte Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung: erst auf Ostkurs Richtung Europa, im April 1898 auch auf Westkurs Richtung Amerika.

Allerdings sollten die Schiffe der Barbarossa-Klasse auch gar keine Triumphe im Liniendienst nach New York erringen, als kombinierte Passagier- und Frachtdampfer hatten sie eine ganz andere Aufgabe. Ein Kenner der Materie, der Historiker Christian Ostersehlte, rechnet die Barbarossa-Dampfer dem Mittel- und Unterbau der NDL-Flotte zu – den dürfe man „angesichts der so spektakulären Transatlantikliner“ nicht gering schätzen. Gerade die Barbarossa-Klasse nennt er als Paradebeispiel für den ökonomischen Erfolg des NDL.

Schon in britischen Diensten, aber noch unter dem alten Namen: die „Königin Luise“ bei ihrer Ankunft in Australien im August 1919.
Quelle: Wikimedia Commons

Mit Blick auf ihre Größe mussten sich die Barbarossa-Dampfer keineswegs verstecken, handelte es sich doch um die ersten Stahlschiffe aus deutscher Produktion, die es auf mehr als 10.000 BRT brachten. Neubaur schwärmte vom „riesigen Deckshaus“ der ersten Klasse, das schon für sich genommen eine Ausdehnung habe „wie kaum 15 Jahre zuvor die grössten Ozeandampfer“. Für den Tropendienst erwiesen sich die neuen Überseeschiffe jedoch als überdimensioniert. Die ganzjährige Auslastung ließ zu wünschen übrig, daher der zusätzliche Einsatz auf der Atlantikroute.

Der NDL zog daraus seine Lehren und entwickelte die kleineren Schiffe der Feldherren-Klasse, die ab 1903 ebenfalls als Reichspostdampfer in die Südsee fuhren. Auf einem Schiff dieser Klasse lässt Bestsellerautor Christian Kracht in „Imperium“ seinen Romanhelden, den historisch verbürgten Aussteiger August Engelhardt, zur Gründung einer Kokosnusskolonie abdampfen. Dem eingefleischten Vegetarier missfiel allerdings die dargebotene Kost, Spiegeleier mit Speck und scharf eingelegte Hühnerbrust. „Der Norddeutsche Lloyd, Gott verfluche ihn“, grummelt er im Speisesalon.

Das Aushängeschild des Norddeutschen lloyd: die „Kaiser Wilhelm der Große“.
Quelle: Archiv

Auf Anweisung der Regierung wurden die Reichspostdampfer auf deutschen Werften gebaut, so auch die Schiffe der Barbarossa-Klasse. Noch bis 1893 hatte der NDL vorzugsweise englische oder schottische Werften beauftragt. Das änderte sich jetzt, deutsche Werften wurden konkurrenzfähig. Davon profitierten auch Bremer Schiffbauer wie der Vulkan in Vegesack oder die AG Weser, bei der 1903 das erste NDL-Schiff vom Stapel lief.

Ein Kuriosum: Häufig, wenn auch keineswegs immer trägt eine Schiffsklasse den Namen des ersten fertiggestellten Schiffs aus der neuen Reihe. Anders bei der Barbarossa-Klasse: Die „Friedrich der Große“ aus Stettin  „Barbarossa“ hatte das Nachsehen gegenüber ihrem Schwesterschiff, der in Hamburg erstellten  „Barbarossa“. Womöglich hinkte man an der Elbe dem Zeitplan hinterher – oder war ihm in Stettin voraus. Auf den ersten Blick irritierend auch die Namenswahl: Monarchen oder Prinzessinnen geben den Ton an, doch die  „Bremen“ (1897) und „Hamburg“ (1900) fallen eindeutig aus der Reihe.

Für die abweichenden Namen gibt es eine einleuchtende Erklärung. Kooperierte der NDL doch kurzzeitig mit der Hamburger Hapag-Reederei, unter deren Banner die Barbarossa-Schiffe „Hamburg“ und „Kiautschou“ im Ostasiendienst liefen. Als die Zusammenarbeit 1903 endete und die „Kiautschou“ zur NDL-Flotte stieß, wurde sie prompt in „Princess Alice“ umbenannt, bekam also eine Vertreterin der Hocharistokratie als Namenspatronin.

Demgegenüber war die „Bremen“ als zweites NDL-Schiff dieses Namens im wahrsten Wortsinn eine Klasse für sich. Technisch gesehen zählte sie zur Barbarossa-Klasse, bildete aber zugleich den Auftakt der Bremen-Klasse, zu der sämtliche Doppelschrauben-Salonpostdampfer des NDL zählten. In dieser Klasse kam es auf Komfort an, nicht auf Geschwindigkeit. Das klingt auch bei Buchautor Neubaur durch, wenn er Bequemlichkeit und Eleganz der Barbarossa-Dampfer hervorhebt. Dazu trug nicht zuletzt die „außerordentlich große Anzahl von Badezimmern“ bei.

Einst die „Friedrich der Große“, später als „USS Huron“ ein Schiff der US-Navy.
Quelle: Wikimedia Commons

Zu einem jähen Ende kam die Erfolgsgeschichte der Barbarossa-Klasse 1914 mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Für den NDL mit seinem internationalen Geschäftsmodell waren die verwehrten Ozeanfahrten schlimm genug. Noch schlimmer wurde es, als die USA dem Deutschen Reich im April 1917 den Krieg erklärten. Zahlreiche deutsche Schiffe im amerikanischen Machtbereich wurden beschlagnahmt, darunter sechs der acht Barbarossa-Dampfer. Unter neuen Namen wie „USS Huron“ (für die „Friedrich der Große“) oder „USS Mercury“ (für die „Barbarossa“) taten die Schiffe fortan Dienst als Truppentransporter der US-Navy.

Nach Kriegsende mussten 1919 auch die beiden verbliebenen Schiffe „Königin Luise“ und „Bremen“ als Reparationsleistung abgegeben werden. Unter wechselnden Namen befuhren die enteigneten Schiffe für verschiedene Reedereien die Weltmeere, ab Mitte der 1920er-Jahre wurde ein Dampfer nach dem anderen abgewrackt. Zuletzt 1937 eine vergrößerte Barbarossa-Variante, die deshalb auch als Halbschwesterschiff bezeichnete frühere „Großer Kurfürst“, seit 1922 „City of Los Angeles“.

Nur ein einziger Barbarossa-Dampfer kehrte zum Lloyd zurück: die „Prinzess Irene“, die ab 1923 als dritte „Bremen“ auf der Atlantikroute unterwegs war. Fünf Jahre später wurde sie in „Karlsruhe“ umgetauft, um den Traditionsnamen für die schon im Bau befindliche legendäre vierte „Bremen“ freizumachen.

Die Barbarossa-Klasse (1896-1900)

Zur Barbarossa-Klasse zählten acht Schiffe: die „Friedrich der Große“ (1896), die „Barbarossa“, „Königin Luise“ und „Bremen“ (alle 1897) sowie die „König Albert“ (1899), „Hamburg“, „Prinzess Irene“ und „Kiautschou“, später „Princess Alice“ (alle 1900). Vergrößerte Versionen sind die „Großer Kurfürst“ (1900), „Moltke“ und „Blücher“ (beide 1902). Eingesetzt wurden die kombinierten Fracht- und Passagierschiffe auf den Linien nach Australien und Ostasien sowie nach von Bremerhaven und Genua nach New York. Die Schiffe waren bis zu 177 Meter lang und 19 Meter breit, der Tiefgang betrug maximal 10,6 Meter, die Höchstgeschwindigkeit 16 Knoten. Die Besatzung lag bei höchstens 273 Mann, bei voller Auslastung gab es Platz für 2300 Passagiere. Ausgestattet waren die Schiffe mit acht Ladeluken und 16 hydraulischen Ladekränen.

War auf der Australien- wie auch Atlantik-Route im Einsatz: der Barbarossa-Dampfer „Bremen“, hier am NDL-Pier in Hoboken gegenüber von New York.
Quelle: Library of Congress

Jung, aber mit viel Geschichte

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