Ein Blick in die Geschichte (77): Der streitträchtige Standort des Kühne + Nagel-Gebäudes: Schon 1850 wollte die Stadt beim Vorgängerbau mitreden

Noch immer nicht ganz abgeklungen ist die Aufregung um den geplanten Neubau des Kühne + Nagel-Gebäudes an der Wilhelm-Kaisen-Brücke. Gilt doch der exponierte Standort direkt an der Weser als repräsentativ nicht nur für das Transport- und Logistikunternehmen, sondern auch für die Stadt Bremen. Weshalb die Stadt gern schon viel früher und nicht erst zum Schluss ein Wörtchen mitgeredet hätte, gern einen Architektenwettbewerb ausgelobt hätte statt sich nur noch Gehör zu verschaffen bei der Fassadengestaltung.

Gewisse Parallelen weisen die Vorgänge im 19. Jahrhundert auf. Denn schon damals wollte die Stadt dem Weinhändler Ludwig von Kapff nicht völlig freie Hand lassen beim Bau seines Wohn- und Geschäftshauses an gleicher Stelle. Entstanden war der begehrte Bauplatz überhaupt erst, als das beseitigt war, was sich dort zuvor befunden hatte: ein altertümliches Wasserrad und ein Pumpenhaus. Dem Bauherrn machte der Senat zur Auflage, auf dem Grundstück „ein besonders schönes Haus“ zu errichten.

Nur zwei Jahre nach Hillmanns Hotel gebaut und doch ganz anders: das Wohn- und Geschäftshaus des Weinhändlers von Kapff direkt an der Weser im Stil der Tudor-Gotik (1852). Quelle: Bremen und seine Bauten, 1900

Ein burgartiges Gemäuer

Dabei kam 1852 ein burgartiges Gemäuer im historistischen Tudorstil heraus, ein Werk des damals noch jungen Architekten Heinrich Müller, der später auch die Neue Börse am Markt entwarf. Gut zu erkennen ist auf der Lithographie von 1854 der Standort an der Großen Weserbrücke, die damals auf die Wachtstraße zulief, nicht wie heute die Wilhelm-Kaisen-Brücke auf die Balgebrückstraße. Diese erste Große Weserbrücke war 1841 fertiggestellt worden und mündete unmittelbar am Kapff’schen Haus.

Anders die zweite Große Weserbrücke von 1895, die ein kleines Stück weseraufwärts das Schlachteufer erreichte. Auf alten Fotos ist deutlich auszumachen, dass die Zugang zur Wachtstraße nicht wie vorher gerade verlief, sondern in einem leichten Bogen um das Franzius-Denkmal herum.

Ganz schwach im Hintergrund zu sehen: der Domturm mit welscher Haube, der 1638 eingestürzte Südturm wurde erst von 1888 bis 1893 erneuert. Seit 1910 war das Kapff’sche Haus der Firmensitz von Kühne + Nagel, im Oktober 1944 wurde es bei einem verheerenden Bombenangriff zerstört. Als Nachfolgebau wurde 1961/62 das anfangs nur sechsgeschossige August-Kühne-Haus errichtet, erst später kamen noch drei weitere Stockwerke hinzu. Noch höher soll es nun mit dem Neubau hinausgehen, der mit elf Etagen eine Höhe von 39 Metern erreichen wird.

von Frank Hethey

Kapff'sche Haus um 1854

Quelle: Werner Kloos, Das alte Bremen

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